Die Soziologin Cornelia Koppetsch wird für schlechtes Handwerk kritisiert, nicht aber für ihr Verständnis für die AfD

Deutschland steht Koppetsch

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Ein besonders aufgeplustertes Werk soziologischer Welterklärung, das sich gar nicht mehr um empirische oder auch darstellerischer Genauigkeit kümmert, ist Cornelia Koppetschs »Die Gesellschaft des Zorns. Rechtspopulismus im globalen Zeitalter«, dessen fahrige Machart der Soziologin nun zum Problem wird. Das Buch war in fast allen Medien euphorisch gelobt worden; in zahlreichen Interviews konnte die Autorin ihre wilden Behauptungen von linken Redeverboten und ihr Verständnis für die Neue Rechte äußern. Für ­ihren Einsatz war sie zunächst für den Bayerischen Buchpreis nominiert worden, bis die Jury kurz vor der Preisverleihung erfuhr, dass das Buch vermutlich Plagiate enthält, mindestens aber eine Vielzahl von Quellenangaben vermissen lässt. Die Autorin verteidigte ihr Werk, weshalb die Jury es letztlich selbst von der Liste nehmen musste. In den Redaktionen, die das Buch eben noch feierten, ist die Empörung groß: Die FAZ will in einer gründlichen ­Recherche die fraglichen Stellen identifizieren. Die Universität Darmstadt, an der Koppetsch Professorin ist, leitet ein Prüfverfahren ein. Die Peinlichkeit, nicht selbst gemerkt zu haben, dass Passagen etwa von Reckwitz übernommen wurden, der beinahe ebenso ­emphatisch besprochen wurde, ruft heftige Reaktionen hervor.

Dabei ist der nachlässige Umgang mit den verwendeten Quellen auf den ersten Blick erkennbar: Es werden so ziemlich alle soziologischen und sozialphilosophischen Größen aufgerufen, die derzeit in Mode sind, aber kaum ein Text wird genauer besprochen. Ihre »Methode« nennt Koppetsch »theoriegeleitete Empathie« – wohlgemerkt nicht Empirie. Damit charakterisiert sie treffend die Gemengelage aus Deduktion und Verständnis. Die Begriffe und Analysen sind der Untersuchung eindeutig vorgängig, sie werden nicht aus der Untersuchung des Rechtspopulismus abgeleitet, sondern aus angesagten Kritiken des Neoliberalismus, die sich mit der rechten Ideologie nicht ­dezidiert beschäftigen. Untersuchungen zur gegenwärtigen Rechten oder gar Recherche- und Dokumentationsarbeiten werden von ihr vollkommen vernachlässigt. Koppetsch klaubt zusammen, was ihre Thesen stützen könnte – und das Feuilleton frohlockt. Dabei sind ihre Thesen brandgefährlich. Sie finden ihre Entsprechung im Weltbild der völkischen Rechten, das im Buch allerdings nicht – wie es Aufgabe kritischer Sozialforschung ist – auf seine verborgenen Motive befragt, sondern beinahe umstandslos übernommen wird. So erkennt die Autorin beispielsweise eine »Neuordnung« des Parteiensystems, in der die Links-rechts-Opposition abgelöst sei zugunsten einer Polarisierung zwischen den »bürgerlich-liberalen« Parteien CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen auf der ­einen und der AfD auf der anderen Seite. Da die Linkspartei in dieses Schema offenbar nicht hineinpasst, kommt der Partei bei Koppetsch eine »Sonderstellung« zu.

Nachdem sie en passant die Differenz zwischen linker und rechter Politik er­ledigt hat, bemüht Koppetsch das auch von der extrem rechten Partei gern verbreitete Bild einer Einheitsfront aus Altparteien gegen den einsamen underdog AfD. »Nicht ganz von der Hand zu weisen« sei, so Koppetsch, »dass ›linke Werte‹ kultureller Mainstream geworden sind, was erklärt, dass auf viele Menschen, die sich heute in ihren Teilhabechancen beschnitten und um ihre Aufstiegsmöglichkeiten betrogen sehen, gerade das Gebot der Toleranz seitens linker Kosmopoliten oftmals provozierend wirkt.« Zur Rede von der linken Meinungsdiktatur, welche vorrangig die Allerschwächsten benachteilige, ist es da nur noch ein kleiner Schritt.