Die Anhörungen im Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump haben die öffentliche Meinung kaum verändert

Beten und auf die Wahlen warten

Obwohl die öffentlichen Anhörungen US-Präsident Donald Trump schwer belasten, halten Anhänger und Parteifreunde weiterhin zu ihm. Die Demokraten wollen das Amtsenthebungsverfahren schnell zu Ende bringen.

»Unsere Demokratie steht auf dem Spiel« – so drückte es Nancy Pelosi aus, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, als sie am 5. Dezember in einer zehnminütigen Fernsehansprache die nächsten Schritte des Verfahrens zur Amtsenthebung von Präsident Donald Trump ankündigte. Pelosi beauftragte den Justizausschuss des Repräsentantenhauses, konkrete Anklagepunkte zu formulieren. »Der Präsident missbrauchte seine Macht zu seinem persönlichen politischen Vorteil, auf Kosten unserer nationalen Sicherheit«, so Pelosi. Die Anklage stützt sich auf einen 300seitigen Bericht des Geheimdienstausschusses. In diesem geht es vor allem um zwei Themen: Trumps Amtsmissbrauch beim Versuch, die Ukraine zu erpressen, und die anschließende Behinderung der Justiz, um dies zu ­verbergen.

Es war Trump selbst, der den Stein ins Rollen brachte, als er die Mitschrift eines Telefonats vom 25. Juli mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj öffentlich machte. Als im September der Vorwurf eines anonymen Whistleblowers zu einem Problem geworden war, meinte Trump offenbar, dass jene Mitschrift ihn entlaste. Das Gegenteil war der Fall. Trump sprach am Telefon von einem »Gefallen«, den Selenskyj ihm tun müsse, um an die bereits bewilligten 400 Millionen US-Dollar Militärhilfe zu kommen.

Die Republikaner verteidigen ihren Präsidenten nicht etwa deshalb so energisch, weil sie ihn für unschuldig halten, sondern weil sie wissen, dass er schuldig ist.

Er wollte, dass Selenskyj öffentlich eine Ermittlung gegen den ehemaligen ­US-Vizepräsidenten und Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, Joe Biden, ankündigte, um diesem im Wahlkampf zu schaden. Die Mitschrift des Telefonats kam einem Geständnis gleich, und die ­Demokraten mussten sich entscheiden. Hätten sie den Skandal ignoriert, wären sie unter erheblichen Druck ihres linken Parteiflügels geraten. Doch das Impeachment-Verfahren ist für sie bislang kein großer Erfolg. Im März dieses ­Jahres lag die Zustimmung für ein Amtsenthebungsverfahren bei 45,5 Prozent, jetzt liegt sie bei 47,7 Prozent. Die Enthüllungen über Trumps Machenschaften zeigten kaum Wirkung.

»Sein Fehlverhalten greift den Kern unserer Verfassung an«, sagte Pelosi über Trump. Bei ihrer Ansprache stand sie im Kapitol vor einer Reihe US-ame­rikanischer Flaggen und beschwor ihre »Liebe zu Amerika« und die »Treue zu den Gründern«. Bewusst betonen die Demokratinnen und Demokraten ihren Patriotismus. Das müssen sie wohl, denn das Impeachment-Verfahren ist gewagt. Die Republikaner werfen den Demokraten vor, lediglich aus Erbitterung zu handeln; sie hätten Trumps Präsidentschaft nie akzeptiert.

Nachdem die Demokraten bei den Midterm-Wahlen 2018 die Mehrheit im US-Repräsentantenhaus erringen konnten, stellte sich Pelosi zunächst strikt gegen ein Amtsenthebungsverfahren, denn sie war sich der Risiken bewusst. Immer wieder bremste sie die Hard­liner in ihrer Partei. Doch nun ist sie, ob sie es will oder nicht, zur Symbol­figur des Impeachment geworden. Es gibt kein Zurück mehr. »Die Fakten sind unbestritten«, so Pelosi, und sie zwängen die Partei zum Handeln. Die Wählerinnen und Wähler sind bislang weitgehend unbeeindruckt. Wer Trump unterstützt, ist gegen das Impeachment, wer nicht, ist dafür.

Die öffentlichen Anhörungen der vergangenen Wochen haben Trump schwer belastet. Zwölf Zeugen sagten vor laufenden Kameras aus, die Indizien häuften sich. »Es ist eine Sache, wenn man ein Treffen im Weißen Haus dazu benutzt, um Druck auf sein Gegenüber auszuüben«, sagte William Taylor, der geschäftsführende US-Botschafter in Kiew, am 19. November. »Aber es ist eine ganz andere Sache, einem Land, das sich im Kriegszustand befindet, die Militärhilfe zu verweigern.« Andere Zeugen äußerten sich ähnlich.

Trumps Mantra, es habe kein quid pro quo, keine Gegenleistung gegeben, bestritt unter anderem der von ihm selbst ausgewählte EU-Botschafter Gordon Sondland am 20. November: »Gab es ein quid pro quo? Die Antwort ist ja.« Sondland muss es wissen, denn er gehört zusammen mit Trumps Anwalt Rudolph Giuliani und dem Ukraine-Beauftragten Kurt Volker zu den sogenannten »drei Amigos«, jenem kleinen Kreis, der Druck auf Selenskyj ausüben sollte. Alexander Vindman, ein Mitglied des National Security Council, hat das Telefonat vom 25. Juli mit­gehört. Er gab an, Sondland habe jene Bemühungen in Zusammenarbeit mit Mick Mulvaney, dem Stabschef des Weißen Hauses und dem Vorsitzenden des Office of Management and Budget (OMB) koordiniert. Das OMB ist für den Zahlungsfluss, also auch die Militärhilfe verantwortlich.

Doch all das ist für Trumps Anhänger kaum von Interesse. Stattdessen werden absurde Verschwörungstheorien mit antisemitischen und migrationsfeindlichen Konnotationen kolportiert. Vindman, ein in der Ukraine geborener jüdischer Oberstleutnant der US-Armee, musste sich bei der Anhörung vom 19. November die Andeutung anhören, er sei den USA gegenüber ­illoyal. Der Vorwurf, anderen als US-Interessen zu dienen, wurde auch gegenüber anderen im Ausland geborenen oder jüdische Zeuginnen und Zeugen erhoben, die zudem oft mit dem jüdischen Großspender George Soros in Verbindung gebracht werden. Statt auf die Sachfragen einzugehen, schwelgten republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses wie Jim Jordan aus Ohio und Matt Gaetz aus Florida in melodramatischen und wutschäumenden Inszenierungen.

Die Republikaner verteidigen ihren Präsidenten nicht etwa deshalb so energisch, weil sie ihn für unschuldig halten, sondern weil sie wissen, dass er schuldig ist. Trump selbst geht mit schlechtem Beispiel voran. Den Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses, Adam Schiff, bezeichnete er als ­einen »Wahnsinnigen« und einen »geistesgestörten Menschen«. So wird die Basis aufgehetzt, denn die Republikaner verfolgen eine lokalisierte Strategie – nicht die Mehrheit der Stimmen, sondern die Mehrheit im Electoral College wollen sie gewinnen. Landesweite Umfragewerte sind für die Republikanische Partei daher kaum von Interesse, stattdessen konzentriert sie sich auf wenige entscheidende Wahlkreise. Die Spendengruppe American Action Network etwa hat bereits sieben Millionen US-Dollar in Werbespots gegen das Impeachment-Verfahren investiert, mit denen moderate Demokraten beeinflusst werden sollen.

Auch die Demokraten spielen ihre Rollen im Polittheater. Die Washington Post berichtete, dass die öffentlichen Anhörungen minutiös inszeniert und mit Komparsen geprobt werden. Das Publikum aber regiert nicht wie erhofft. Die Demokraten wirken nun nervös, wollen die Sache offenbar schnell hinter sich bringen. Noch vor der Weihnachtspause soll das Repräsentantenhaus über die Anklagepunkte abstimmen, vermutlich wird der Fall im Januar dem Senat vorgelegt, wo eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, um den Präsidenten tatsächlich abzusetzen.

Dann wird das Impeachment-Verfahren vermutlich für die Republikaner zu einem Heimspiel, denn sie haben im Senat eine knappe Mehrheit. Abtrünnige scheint es bislang noch keine zu geben – 20 wären für eine Amtsenthebung erforderlich. Zwar hatten die Demokraten gehofft, den einen oder anderen Republikaner für ihre Sache gewinnen zu können, doch momentan hält Trumps Partei geschlossen zum Präsidenten. Moderate Konserva­tive wie Cory Gardner aus Colorado, Susan Collins aus Maine oder Mitt Romney aus Utah halten sich bedeckt. Es ist sogar denkbar, dass einige demokratische Senatorinnen und Senatoren gegen die Amtsenthebung stimmen.

Ob Trump also im Amt bleibt oder nicht, werden wohl die Wählerinnen und Wähler im November kommenden Jahres entscheiden. Bis dahin dürfte die hochemotionalisierte Debatte andauern, auch wenn führende Demokraten angestrengt bemüht sind, einen anderen Eindruck zu erwecken. Bei ­einer Pressekonferenz vorige Woche fragte ein konservativer Reporter Pelosi, ob sie Trump hasse. »Ich hasse niemanden«, sagte sie unwirsch. »Ich bete jeden Tag für unseren Präsidenten.«