Die Ermittlungen im Fall der ­ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia bringen die Regierung Maltas in Bedrängnis

Kriminelle im Kabinett

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Im Dezember 2015 tauchten geleakte E-Mails auf, aus denen hervorging, dass zwei Briefkastenfirmen in Panama, die Konrad Mizzi und Keith Schembri gehörten, bis zu zwei Millionen US-Dollar von 17 Black Limited bekommen ­haben – wofür, blieb unklar. Schembri, Mizzi und Fenech stritten die Geld­geschäfte damals ab.

Doch schon vor der Wahl 2013 hatten sich Schembri, Mizzi und Muscat für den Bau des Gaskraftwerks auf Malta eingesetzt, an dem Siemens als Konstrukteur und Miteigentümer beteiligt ist. »Muscat wurde damals mit zwei Versprechen gewählt: geringere Stromrechnungen und saubere Luft«, sagt Galizias Schwester Corinne Vella. »Er wollte, dass das Gaskraftwerk gebaut wird – und er wollte davon wohl nicht nur in Form von Wählerstimmen pro­fitieren.«

Viele auf Malta, allen voran die Familie der Ermordeten, sind bestürzt angesichts der sich verdichtenden Indizien auf ein tödliches Komplott, das vom halben Kabinett und einem zwielichtigen Geschäftsmann geschmiedet wurde. Galizias Angehörige fordern, Europol müsse das Geldwäschenetzwerk zerschlagen, das die Verdächtigen aufgebaut haben. Überdies müsse geklärt werden, weshalb Muscat Schembri und Mizzi drei Jahre lang gedeckt hat. Bliebe die derzeitige Situation ohne Konsequenzen, »wird es fatale Folgen für die Demokratie in Malta haben«, heißt es in einer Erklärung der Familie.

Bei einer Anhörung in der vergangenen Woche belastete der Taxifahrer Theuma den mittlerweile angeklagten Yorgen Fenech schwer. Dieser habe ihm einen Umschlag mit 150 000 Euro Bargeld gegeben. »Sag ihnen, sie sollen das durchziehen, ich will Daphne töten«, habe Fenech gesagt. Immer mehr Indizien sprechen zudem dafür, dass Fenech den Mord zusammen mit Schembri geplant hat. Der Unternehmer erklärte am Freitag vergangener Woche vor Gericht sogar, regelmäßige Hinweise zum Stand der Ermittlungen vom früheren Stabschef Schembri erhalten zu haben.

Schembri ist wegen des Verdachts zwar zurückgetreten, weist aber alle Schuld von sich. Die Polizei hat sein Haus durchsucht, er ist in Gewahrsam und wird in dem Fall als Verdächtiger geführt.

In der vergangenen Woche besuchte eine Delegation des EU-Parlaments die Insel. Sven Giegold, deutscher EU-Abgeordneter der Grünen, forderte ­danach, Muscat vom EU-Gipfel auszuladen. Die Kommission müsse ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel sieben gegen Malta prüfen. Damit kann ­einem Staat bei Verstößen gegen EU-Grundrechte das Stimmrecht entzogen werden. »Wenn von der Leyen jetzt nicht handelt, hat sie ab sofort ein Glaubwürdigkeitsproblem«, sagte Giegold mit Bezug auf die neue EU-Kommissionspräsidentin.

Die NGO Reporter ohne Grenzen (ROG) hat derweil in Frankreich gemeinsam mit den Hinterbliebenen Galizias Strafanzeige erstattet. Die Anzeige wirft Fenech sowie den ehemaligen Ministern Schembri und Mizzi Beihilfe zum Mord sowie Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit vor. Fenech habe die beiden Politiker mit Gewinnen aus seinem Vermögen in Frankreich bestochen, um den Zuschlag für das Gaskraftwerk zu erhalten – und die Mörder der Investigativjournalistin bezahlt. »Die Ermordung einer Journalistin in der Europäischen Union darf nicht ungestraft bleiben«, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. »Die Ermittlungen in Malta haben viel zu lange die entscheidenden Fragen zu diesem abstoßenden Verbrechen ausgespart.«

Papst Franziskus störte all das offenbar nicht: Am Wochenende empfing er Muscat zu einer »strikt privaten« Audienz im Vatikan. Zuvor hatten 22 maltesische Akademiker in einem Brief an den Papst gefordert, Muscat nicht zu empfangen; der Brief blieb jedoch folgenlos. Journalisten waren bei der ­Audienz – anders als sonst üblich – nicht zugelassen.