Die demokratischen Präsidentschaftskandidaten im Schnellcheck

Der Kandidatencheck

Die Mindestqualifikation für das höchste Amt der USA nannte der Demokrat John Edwards, der sich 2004 und 2008 erfolglos um die Kandidatur bewarb: »Der Präsident der Vereinigten Staaten sollte fähig sein, zugleich zu gehen und Kaugummi zu kauen.« Klingt einfach? »Obama – stop chewing gum!« forderte Donald Trump im Januar 2015, fünf Monate bevor er seine Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur bekannt gab. Hatte er Angst, auf die Probe gestellt zu werden? Heute wissen wir, dass der ehemalige Pressesprecher Trumps, Sean Spicer, am Tag mindestens 35 Kaugummis bereits vor dem Mittagessen schluckte (kids, don’t try this at home!). Bekanntlich stand oder saß er fast immer, aber er war ja auch nur Pressesprecher des Weißen Hauses.

Der Präsident sollte gleichzeitig Golf spielen und via Twitter ­einen internationalen Skandal provozieren können – das ist derzeit aus republikanischer Sicht die erwünschte Qualifikation. Trump muss seine Konkurrenz kaum fürchten, denn es ist fast aussichtslos, innerparteilich gegen einen amtierenden Präsidenten anzutreten. Die Demokraten hingegen stehen vor schwierigen Richtungs­entscheidungen. Sollte ein Mann der Mitte gegen Trump antreten, der die Stimmen gemäßigter Republikaner gewinnen könnte, oder sollte die Partei einen Lagerwahlkampf mit einem linken Programm führen? Ist das überhaupt die richtige Fragestellung? Schließlich befürworten auch republikanische Wähler sozialstaatliche Reformen, wollen höhere Löhne und hassen die Wall Street, aber vielen von ihnen ist unwohl bei dem Gedanken, dass ihre Tochter eine Migrantin heiraten könnte. Sollte die Partei Rücksicht auf solche Ressentiments nehmen?

Jeder Wahlkampf bringt neue Themen mit sich. In diesem Jahr ist es die Greta-Frage: Wie halten Sie es mit dem Klimawandel? Ein »Green New Deal«, die Umstrukturierung der Wirtschaft mittels öffentlicher Investitionen, könnte Sozial- und Umweltpolitik verknüpfen, böte aber auch Angriffsfläche: Man wird schnell als grüner Träumer dargestellt, der sich nicht um die Sorgen der Arbeiter schert und die USA mit bolschewistischer Kommandowirtschaft in den Bankrott führen will.

Vor dem »Green New Deal« muss aber erst einmal der Vorwahlkampf und dann der Wahlkampf bezahlt werden. 2016 kostete das insgesamt 2,4 Milliarden US-Dollar. In diesem Jahr wird es noch teurer, und in den USA gibt es keinen Parteiapparat, der die Kosten trägt. Da sind solvente Spender gefragt. Die ersten Vorwahlen sollen am 3. Februar in Iowa stattfinden. Am »Super Tuesday« einen Monat später, wenn die Kandidatinnen und Kandidaten in 14 Bundesstaaten antreten, fällt oft bereits eine Vorentscheidung. Doch es kann auch noch bei der Nominierung auf der Democratic National Convention Mitte Juli eine Überraschung geben.

 

Der Mann der Mitte

JOE BIDEN

»Ich konnte die Leute murmeln hören: ›Da ist er … Gottverdammter Biden … Tötet den Hurensohn.‹ Und das waren meine Wähler.«

Joe Biden, Senator für Delaware von 1973 bis 2009, Vizepräsident von 2009 bis 2017, ist der Favorit. Ein erfahrener Politiker der Mitte, aber auch ein Mann des verhassten Washingtoner Establishments. Zudem kann Biden nicht einmal bei seinen Anhängern Begeisterung wecken. Sein eigenwilliger Stil, der »Bidenism«, gilt zuweilen als erfrischend (er sagt auch mal »fucking«), oft aber fällt Biden durch Patzer (»Wir ziehen die Wahrheit den Fakten vor«) und nicht selten durch eine paternalistische Haltung (Obama sei »der erste Afroamerikaner aus dem Mainstream, der wort­gewandt, klug und sauber ist und wie ein netter Kerl aussieht«) auf. In solchen Momenten wirkt er wie ein Konservativer, der sich eher widerwillig dem gesellschaftlichen Fortschritt öffnet. Aber er ist flexibel genug, einige linke Forderungen in sein Programm ­aufzunehmen und sich für einen »Green New Deal« auszusprechen.

Spendenaufkommen: 22,7 Millionen Dollar
Soziale Frage:   x x
Diversity-Faktor:  x
Größter Vorteil: Er ist der Mann des Establishments
Größtes Handicap: Er ist der Mann des Establishments

 

Der Held der Arbeiterklasse

BERNIE SANDERS

»Ich bin gar nicht so sozialistisch im Vergleich zu Eisenhower.«

Obwohl der Prä-Boomer Bernie Sanders seit fast drei Jahrzehnten im Kongress sitzt, gilt er als radikaler Außenseiter und vermag die linke Jugend zu begeistern. Er nennt sich einen »demokratischen Sozialisten« und setzt sich für einen Sozialstaat nach skandinavischem Vorbild ein, sein »Green New Deal« sieht öffentliche Investitionen in Höhe von 16,3 Billionen Dollar innerhalb von zehn Jahren vor. Zu Angelegenheiten der diversity legt Sanders pflichtschuldig die nötigen Bekenntnisse ab, doch wirkt er nicht sonderlich engagiert. Er könnte die Stimmen weißer Arbeiter gewinnen, die einige, aber nicht allzu viele reaktionäre Ressentiments hegen, und Nichtwähler aktivieren. Aber seine Rhetorik ist auf seine Fans zugeschnitten, wer ihn nicht mag, sieht in ihm keinen zornigen Kämpfer, sondern einen grantelnden Greis.

Spendenaufkommen: 34,5 Millionen Dollar
Soziale Frage:   x x x
Diversity-Faktor:  x
Größte Stärke: Er hat von allen Kandidaten die größte Basis eingeschworener Fans, die »ihren« Bernie lieben
Größtes Handicap: Sehr viele der anderen US-Amerikaner stimmen Hillary Clintons Urteil zu: »Niemand mag ihn.«

 

Der Unternehmer mit Herz und Hirn

ANDREW YANG

»Das Gegenteil von Donald Trump ist ein Asiate, der Mathe mag.«

Andrew Yang, Sohn taiwanesischer Einwanderer, lernte in seiner Tätigkeit als Unternehmensanwalt nach eigenem Bekunden, dass es Wichtigeres gibt, als immer noch mehr Geld zu verdienen. Zumindest wenn man schon genug davon hat. Yangs Lieblingspräsident ist Theodore, nicht Franklin D. Roosevelt. Barack Obama diente er als »Botschafter für globales Unternehmertum«. Yang befürwortet eine »Freiheitsdividende«, ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1 000 Dollar pro Monat; dies sei »gut für die Märkte« und angesichts der Automatisierung unerlässlich. Seine Version des »Green New Deal« bleibt in der Kernfrage der öffentlichen Investitionen schwammig. Zu seinen Unterstützern gehört Elon Musk, sein »humanitärer Kapitalismus« begeistert nicht nur Nerds und Silicon-Valley-Unternehmer mit Gewissen, doch fehlt ihm eine solide Basis in Partei und Gesellschaft.

Spendenaufkommen: 16,6 Millionen Dollar
Soziale Frage:   x x
Diversity-Faktor:  x x
Größte Stärke: Die meisten US-Amerikaner lieben smarte Unternehmer mit Herz
Größtes Handicap: Trauen die Wähler einem Asiaten, der Mathe mag? Ist seine Geburtsurkunde gefälscht?

 

Das Streberküken

PETE BUTTIGIEG



»Die Politik liegt mir im Blut. Ich bin damit aufgewachsen, dass meine ­Eltern den Fernseher anbrüllten.«

Er habe bereits als Schüler über die Präsidentschaft nachgedacht, sagt Pete Buttigieg von sich selbst. Der Liebling aller Schwiegermütter ist jung, smart und ehrgeizig. Er hat in Harvard studiert, ein Oxford-Stipendum der Rhodes-Stiftung bekommen, war mit der U.S. Army in Afghanistan und hat bei McKinsey gearbeitet. Er spielt Klavier und Gitarre und spricht laut CNN acht verschiedene Sprachen. Als Bürgermeister der Stadt South Bend in Indiana hat er Tempolimits eingeführt und alten Damen über die Straße geholfen. Anders als Warren und Sanders will er nicht »Medicare for all«, sondern »Medicare for all who want it«. Das klingt so farblos und langweilig wie das Motto, mit dem er wirbt: »Es ist Zeit für eine neue Führungsgeneration.« In vieler Hinsicht ist Buttigieg tatsächlich neu und »das genaue Gegenteil von Trump«, wie das das Time Magazine schrieb: belesen, besonnen und schwul.

Spendenaufkommen: 24,7 Millionen Dollar
Soziale Frage:  x
Diversity-Faktor:  x x
Größter Vorteil: Er ist smart, jung und gay
Größtes Handicap: Niemand spricht seinen Nach­namen fehlerfrei aus

 

Die Professorin

ELIZABETH WARREN

»Wenn Sie keinen Platz am Tisch ­haben, stehen Sie wahrscheinlich
auf der Speisekarte.«

Die Senatorin aus Massachusetts gilt als Nerd unter den Kandidaten. Die ehemalige Juraprofessorin liefert konkrete Lösungsvorschläge für fast alle wichtigen Themen des Wahlkampfes. Kürzlich stellte Warren ihren »Green Manufacturing Plan for America« vor, ein Programm, das Klimaschutz mit neuen Arbeitsplätzen verbinden soll. Außerdem fordert sie eine Vermögensteuer für Superreiche. ­Revolutionär ist das nicht. Programmatisch unterscheiden sich Warren und Bernie Sanders kaum voneinander. Beide gehören zum linken Flügel der Demokraten, obwohl Warren in den neunziger Jahren noch registrierte Republikanerin war. Die New York Times sprach sich dennoch für sie als Präsidentschaftskandidatin aus. Sie sei eine gute »Geschichtenerzählerin«, hieß es in der Begründung. Ob damit auch Warrens Erzählung gemeint war, sie stamme von amerikanischen Ureinwohnern ab, ließ die New York Times offen.

Spendenaufkommen: 21,2 Millionen Dollar
Soziale Frage:   x x x
Diversity-Faktor:  x x
Größter Vorteil: Sie ist die kompetente Macherin
Größtes Handicap: Ihre Zielgruppe ist weiß und ­gebildet

 

Der Multimilliardär

MICHAEL BLOOMBERG

»Dickköpfig ist kein Wort, mit dem ich mich selbst beschreiben würde; starrsinnig ist angemessener.«

Michael Bloomberg war von 2002 bis 2013 Bürgermeister von New York City. Seine Unterstützer tragen lustige T-Shirts mit der Aufschrift: »I like Mike«, eine Abwandlung des berühmten auf Dwight D. Eisenhower gemünzten Slogans »I like Ike« aus den Fünfzigern. Und genauso kumpelhaft kommt der steinreiche Medienunternehmer in seiner Präsidentschaftskampagne auch daher. Auf der Liste der reichsten Menschen der Welt des Magazins Forbes belegt er Platz neun. »Mike« verspricht, das Gesundheitssystem zu reparieren und die Mittelschicht zu retten. Er hat angekündigt, auszugeben, »was immer nötig ist«, um Donald Trump aus dem Weißen Haus zu bekommen. Wie auch Trump hat er beim Sender Fox News für 60 Sekunden Werbezeit beim diesjährigen ­Finale des Superbowl gekauft. Laut New York Times könnte Bloomberg bis zum Super Tuesday im März auf diese Weise 300 bis 400 Millionen Dollar ausgeben.

Spendenaufkommen: verzichtet auf Spenden
Soziale Frage:  x
Diversity-Faktor: x
Größter Vorteil: Er ist viel reicher als Donald Trump
Größtes Handicap: Milliardäre sind den Wählern
unsympatisch