Seit der Reform der Gebührenordnung bittet die Bundespolizei Bürger zur Kasse

Repression als Dienstleistung

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Auch psychiatrisierte Menschen oder Demenzkranke dürften noch stärker isoliert und ausgegrenzt werden. Da die Bundespolizei das »Aufgreifen oder Auffinden einer betreuten oder unter Aufsicht stehenden abgängigen Person nach Zeitaufwand« in Rechnung stellen darf, zwingt sie Heime und Angehörige zu rigoroser Überwachung und Einschränkung der Bewegungsfreiheit solcher Personen. Wäre es nach der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ­gegangen, hätte die Bundespolizei auch »vorgetäuschte« Suizide in Rechnung stellen sollen – vorerst zumindest bleiben die versuchte und die vollendete Selbsttötung kostenfrei.

Die Linkspartei reagierte angesichts dieser Entwicklung überrascht. Dabei stimmten ihre Abgeordneten am 1. Dezember 2016 im Bundestag und im ­federführenden Innenausschuss für einen Gesetzentwurf der Regierungs­koalition aus CDU, CSU und SPD »zur Einbeziehung der Bundespolizei in den Anwendungsbereich des Bundesgebührengesetzes«, der den Grundstein für die neue Verordnung legte. Bei den zahlreichen Verschärfungen der Länderpolizeigesetze und der Debatte über die Erstattung von Polizeikosten bei Risikofußballspielen in den vergangenen Jahren muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, die Tragweite des damaligen Gesetzentwurfs entweder unterschätzt oder billigend in Kauf genommen zu haben.

Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion »Die Linke«, Ulla Jelpke, sagte der ­Jungle World, dass für das damalige Stimmverhalten ihrer Fraktion »haushalterische Überlegungen« ausschlag­gebend gewesen seien. »Es ging bei den Beratungen in keiner Weise darum, dass die Bundespolizei für Platzverweise oder Gewahrsam künftig die Hand aufhalten soll«, so Jelpke. Im Innenausschuss habe ihre Fraktion »sogar eigens auf diesen Punkt hingewiesen«.

Wie die innenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Irene Mihalic, der Jungle World sagte, sei ihre Fraktion bereits damals »sehr skeptisch« gewesen. Sie habe sich sowohl im Innenausschuss als auch im Plenum der Stimme enthalten, um der Bundesregierung bei der Ausarbeitung »keinen Blankoscheck zu erteilen«. ­Gegen Gebühren der Bundespolizei habe ihre Fraktion aber grundsätz­lich nichts einzuwenden, sofern diese im rechtsstaatlichen Rahmen blieben und »maßvoll« seien.

Wie der Berliner Tagesspiegel vor drei Wochen berichtete, macht die Bundespolizei von den neuen Vollmachten offenbar regen Gebrauch. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion »Die Linke« gehe hervor, dass die Bundespolizei seit der Einführung bereits 7 464 Mal Gebühren verlangt habe. Allein in den 16 Tagen vom 18. Februar bis zum 5. März seien 1 145 Fälle dazugekommen.