Ein gefährliches Geschäftsmodell
Der US-amerikanische Präsident Donald Trump neigte schon vor der Covid-19-Pandemie zu Verschwörungstheorien. Er behauptete beispielsweise, sein Amtsvorgänger Barack Obama sei in Kenia zur Welt gekommen und daher als Präsident illegitim gewesen, und der Vater des konkurrierenden Bewerbers um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, Senator Ted Cruz, könne etwas mit dem Attentat auf John F. Kennedy zu tun gehabt haben. Kein Wunder, dass sich Gleichgesinnte um ihn scharen: Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten bestätigt mit solchen Einlassungen die paranoiden Wahnvorstellungen einer rechtsextremen Randgruppe. Wer braucht schon Fakten, wenn es »alternative Fakten« gibt? Vor der Pandemie konnte man das alles vielleicht noch als eine Marotte abtun, inzwischen geht es um mehr. In rechtsextremen Internetforen kursiert derzeit das Gerücht, Sars-Cov-2 sei ein Schwindel der Demokratischen Partei. Auch Eric Trump, einer der Söhne des Präsidenten, hat dieses Gerücht verbreitet. Andere glauben, das Virus sei in einem Labor in China gezüchtet und vorsätzlich in die Welt gesetzt worden. Womöglich gehe es darum, Trumps Chancen im Wahlkampf zu sabotieren. Manche behaupten, die Opferzahlen seien fiktiv.
Verschwörungstheorien gehörten schon immer zur US-amerikanischen Politik.
Im April berichtete die New York Times, Trumps anfängliche Versuche, die Coronakrise zu leugnen, seien unter anderem darauf zurückzuführen, dass er jeder Form von Expertise zutiefst misstraue. Als Trump von seinen Nachrichtendiensten und medizinischen Experten im Januar alarmierende Meldungen über die Verbreitung des neuartigen Virus bekam, habe er diese als fake news angesehen, als eine Erfindung des von ihm so oft beschworenen deep state. Trumps Politik hat Leben gekostet: 97 669 Menschen waren nach Angaben der nationalen Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) bis vergangenen Montag an Covid-19 verstorben.
Das Schreckgespenst der Fremdherrschaft
Verschwörungstheorien gehörten schon immer zur US-amerikanischen Politik. Dem Historiker Joseph Ellis zufolge war Samuel Adams (1722–1803), einer der Gründungsväter der USA, ein radikaler Verschwörungstheoretiker und Propagandist. Ellis nannte ihn den »Lenin der amerikanischen Revolution«. In Pamphleten verbreitete Adams die Mär, der britische König Georg III. plane die systematische Versklavung amerikanischer Kolonisten. Andere Gründungsväter teilten diese Angst. Das Schreckgespenst der Fremdherrschaft und Unfreiheit war damals wie heute ein ganz wesentlicher Aspekt von Verschwörungstheorien, und damals wie heute war es vor allem die bürgerliche Oberschicht, die dieses Schreckgespenst fürchtete.
Nicht nur Viren, auch Verschwörungstheorien können eine Gesellschaft bedrohen. Die Feinbilder und Faibles einer kleinen Minderheit könnten großen politischen Einfluss haben, warnte der US-amerikanische Historiker Richard Hofstadter 1964 in seinem einflussreichen Essay »The Paranoid Style in American Politics«, der zunächst in Harper’s Magazine erschien und 1965 auch in einem Buch desselben Titels publiziert wurde. Hofstadter schrieb, die amerikanische Politik sei oft eine »Arena für außerordentlich zornige Gemüter«. Der Verfolgungswahn stehe dabei im Mittelpunkt und werde in Verschwörungstheorien systematisiert. Die Wut richte sich dabei gegen eine Nation oder eine Kultur, man selbst bleibe stets »selbstlos und patriotisch«.
Seit Hofstadter diese Worte geschrieben hat, hat sich daran nicht viel geändert. Die Verschwörungstheorien sind höchstens noch gefährlicher und vielgestaltiger geworden. Anfang Mai gab Facebook bekannt, im vorherigen Monat in den USA 19 Seiten, 15 Accounts und eine Gruppe entfernt zu haben. Diese hätten koordiniert »rechtsextreme Ideologien«, »Hetze gegen US-Amerikaner asiatischer Herkunft« sowie Annahmen über »Verschwörungen bei Covid-19« verbreitet.
Das menschliche Gehirn suche immer nach Mustern, sagte der niederländische Psychologe Jan-Willem van Prooijen, der Autor des Buchs »The Psychology of Conspiracy Theories«, dem WDR. »Sie helfen uns, die Welt zu erklären.« Der Wunsch, die komplexe Realität auf einen einfachen Nenner zu bringen, ist die psychische Motivation, Verschwörungen zu vermuten, erklärt aber nicht die dabei dominierenden politischen Grundannahmen. An Verschwörungen glauben auch viele Linke und Liberale. Vorherrschend ist derzeit jedoch der Glaube von mehrheitlich Rechten, es gebe eine verborgene Elite, die mit geheimen Machenschaften finstere Pläne verfolge. Da diese Elite selbstverständlich auch die Medien kontrolliere, müsse die Wahrheit immer jenseits der offiziellen Version und der medialen Berichterstattung gesucht werden. Dies erlaubt es den Gläubigen, sich als auserwählte Gegenelite zu stilisieren, die sich mutig gegen die angeblichen Lügen der Mächtigen und die Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft stellt. In den USA wird dies ergänzt durch die Vorstellung, in den Institutionen gebe es einen deep state, der Trump mit allen Mitteln zu schaden versuche.
Nur 23 Tage diente General Michael Flynn Anfang 2017 als Trumps nationaler Sicherheitsberater. Im November 2016 hatte Flynn auf Twitter Gerüchte verbreitet, die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, sei unter anderem in Sexverbrechen mit Kindern verwickelt. Flynns Sohn Michael streute das Gerücht, Clinton und ihr Wahlkampfleiter John Podesta betrieben aus einer Pizzeria in Washington, D.C., heraus einen Kinderpornoring. Dieser Irrglaube spornte im Dezember 2016 einen Familienvater namens Edgar Maddison Welch dazu an, sich schwer zu bewaffnen und knapp 580 Kilometer von seiner Heimat in North Carolina in die Bundeshauptstadt zu fahren. Dort betrat er eine Pizzeria namens Comet Ping Pong, um eine nicht existente Gruppe Kinder zu befreien, die angeblich im Auftrag Clintons im Keller festgehalten wurden. Welch feuerte mehrere Schüsse ab, es kam niemand zu Schaden. Er ergab sich der Polizei und wurde zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt.
Die sogenannte »Pizzagate«-Verschwörungstheorie war anfangs von professionellen Internet-Trollen wie Mike Cernovich und Alex Jones gestreut worden. Sie geistert noch immer durch einschlägige Medien und wird weitergesponnen, inzwischen heißt sie Qanon. Nach den Glaubenssätzen der Anhänger von Qanon ist Trump in Wirklichkeit ein gerissener Fuchs, der den Dussel spielt, um den deep state, die Medien und die Linke abzulenken. Tatsächlich kämpfe der Präsident für die Kinder. Das behauptet zumindest der angebliche whistleblower mit dem Decknamen »Q«, auf den sich die Anhänger der Verschwörungstheorie berufen. Doch Qanon ist mehr als nur eine ulkige Randerscheinung und auch mehr als nur eine Theorie, um Trumps irrationales Verhalten zu erklären; es handelt sich um eine in sich geschlossene Erzählung, die einen enormen Unterhaltungswert hat. Sie hilft, Trumps Anhänger zu einen. Qanon ist ein Kult. Es ist eine Geschichte mit Helden und Schurken, es gibt eine Struktur und ein Happy End, welches kurz nach einem finalen Twist kommen wird.
Der Twist ist hierbei übrigens besonders wichtig. In jeder guten Verschwörungstheorie gibt es einen Aha-Moment, jenen vermeintlichen Augenblick der Erkenntnis, in dem sich die einzelnen Teile zu einem bündigen Ganzen zusammenfügen. Das macht eine chaotische Welt begreifbarer. Die US-amerikanische Literaturwissenschaftlerin Vera Tobin beschreibt in ihrem Buch »Elements of Surprise« einige der komplexen psychologischen Gegebenheiten, die dazu beitragen, dass viele Menschen Überraschungen, zumindest im Film und in der Literatur, als so angenehm empfinden. Viele mögen es, wenn bekannte Fakten in eine falsche, aber überraschende Richtung deutbar werden. Im 19. Jahrhundert sprach man in Frankreich von einem pièce bien faite, einem gut gemachten Theaterstück. Die heutigen Verschwörungstheorien bieten genau dieses Überraschungsmoment. Den zahllosen kleinen und scheinbar unwichtigen Details des gewöhnlichen Lebens kommt dabei eine neue Bedeutung zu, man nimmt das Alltägliche aus einer anderen Perspektive wahr und man ist verblüfft von dem, was sich vor den eigenen Augen auftut.
Verschwörungstheorien sind Kopfkino
»Trump trug heute auf der Coronavirus-Pressekonferenz eine leuchtend gelbe Krawatte«, schrieb der Facebook-Nutzer »Truth Is Out«. »Er sagt uns damit, dass es die Bedrohung durch das Virus gar nicht gibt. Denn seine Krawatte hatte dieselbe Farbe wie die Flagge, die man früher hisste, wenn es an Bord eines Schiffes keine infizierten Personen gab. Diejenigen Bundesstaaten, die die meisten Todesfälle melden, sind sanctuary states (wörtlich: »Zufluchtsstaat«; gemeint sind Bundesstaaten, die die aggressive Deportationspolitik Trumps ablehnen und deshalb in Migrationsfragen nur noch eingeschränkt mit Bundesbehörden zusammenarbeiten, Anm. d. Red.). Sie werden von Demokraten regiert und Trump hat ihnen Gelder vorenthalten. Jetzt hoffen sie, durch das Virus neue Finanzmittel zu erhalten. Do you see it now??« Hier vermischt sich eine rechte Weltanschauung mit einem Plot-Twist wie aus einem Agatha-Christie-Roman. Die gelbe Krawatte ist ein besonders hübsches Detail, das die Erzählung auf einmal in einen visuellen Bereich hebt – man kann sich Trump und seine Krawatte bildlich vorstellen. Das ist mehr als nur graue Theorie. Das ist Kopfkino.
In diesen Tagen gewinnen absurde Thesen wie diese eine größere Relevanz. Nicht nur der Präsident, auch große Teile des Wahlvolks wünschen sich die Seuche einfach weg oder versuchen zumindest, sie wegzuerklären, und seien die Vorstellungen noch so absurd. Der Internet-Propagandist Mikki Willis aus dem idyllischen südkalifornischen Städtchen Ojai lud am 4. Mai ein Video mit dem Titel »Plandemic« hoch. Mindestens acht Millionen Menschen sahen den 26minütigen Propagandafilm, dann wurde er entfernt. In »Plandemic« behauptet die ehemalige Molekularbiologin Judy Mikovits, eine Kabale von Wissenschaftlern und Unternehmen sei für die derzeitige Krise verantwortlich; angeblich wollen sie ihre Profite und ihren Einfluss steigern. Der Los Angeles Times sagte der Regisseur, er wolle die Welt mit seinen Filmen zu einem besseren Ort machen. Verschwörungstheoretiker wollen also auch nur die Welt verbessern. Das ist zumindest konsequent. Feindliche Mächte könnten theoretisch eines Tages bezwungen werden. Als bedrohlich wahrgenommen werden schemenhafte Gruppen oder gar Technologien – allein in Großbritannien wurden bereits mehr als 60 Anschläge auf 5G-Mobilfunkmasten verübt. Meistens sind es die üblichen Verdächtigen, die bemüht werden: schattenhafte, global agierende Eliten.
Die Online-Hetze richtet sich seit Januar gezielt gegen Bill Gates. Es wird kolportiert, der Microsoft-Gründer und Philanthrokapitalist habe das Virus heimlich in einem Labor gezüchtet, um die Weltbevölkerung zu dezimieren und mit seinem eigenen Impfstoff Profit zu machen. Dem Online-Magazin Politico zufolge wird in einschlägigen Foren immer wieder die Frage gestellt, ob Gates eigentlich jüdisch sei, das liege ja nahe. Es sind jahrhundertealte Zerrbilder, die hier aktualisiert werden: Aus den »Brunnenvergiftern« von damals wird eine internationale »Lobby« von Globalisten, Milliardären und Pharmakonzernen. Und wieder einmal wird auch George Soros angefeindet, der in Ungarn geborene Milliardär, der schon seit Jahren von rechten und antisemitischen Gruppen beschimpft wird. Auch Ressentiments gegen den ökonomischen und politischen Rivalen China – ein relativ neues Feindbild – werden bewusst bestärkt, und das mit Erfolg. Einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Morning Consult zufolge ist der Anteil derer, die China als einen »Feind« betrachten, seit Januar von 20 auf 31 Prozent gestiegen.
Die Stunde der Anti-Vaxxer
In einigen US-Bundesstaaten kam es in den vergangenen Monaten zu Demonstrationen für die Aufhebung der Maßnahmen gegen die Pandemie, so zum Beispiel in Kalifornien, New York, Colorado, Texas und Michigan. In Lansing, der Hauptstadt von Michigan, versammelten sich im April Hunderte von Wutbürgern bei strömendem Regen vor dem Regierungsgebäude, einige von ihnen drangen mit Sturmgewehren ins Innere ein. Der US-amerikanische Nachrichtensender NBC News berichtete, die vier konservativen und wohlhabenden Brüder Chris, Ben, Aaron und Matthew Dorr hätten fünf Facebook-Gruppen mit insgesamt 200 000 Mitgliedern aufgebaut, welche die Proteste in einigen Bundesstaaten mitorganisiert hätten. Die Brüder Dorr sind schon seit Jahren dafür bekannt, sich für extrem rechte Themen stark zu machen und die Ängste der Menschen zu schüren.
Geht es den Anhängern von Verschwörungstheorien um ein Gefühl von Teilhabe an der Macht, um Sendungsbewusstsein und Zugehörigkeit, so geht es den Machern vor allem ums Geschäftliche.
Auch Impfgegner marschierten auf diesen Demonstrationen mit. Denn in der Pandemie schlägt auch die Stunde der sogenannten Anti-Vaxxer. Christina Mecklenburg, eine einschlägig bekannte Influencerin aus dem kalifornischen Bezirk Orange County, sprach sich in einem Interview schon einmal prophylaktisch »absolut gegen« den noch nicht existenten Sars-CoV-2-Impfstoff aus. Der Impfgegner Del Bigtree aus Malibu stellte ein einstündiges Video zu dem Thema ins Internet: Die Pharmaindustrie wolle sich mit dem Impfstoff, wenn es ihn dann einmal gebe, ohnehin nur bereichern; ein staatlicher Impfzwang sei unethisch. Bereits 2016 hatte Bigtree den Propagandafilm »Vaxxed« produziert. Der Film behauptet, die Gesundheitsbehörde CDC habe einen Zusammenhang zwischen Impfungen mit dem MMR-Kombinationsimpfstoff und Autismus vertuscht. Der Impfstoff schützt vor Mumps, Masern und Röteln. Regisseur war der fachlich längst diskreditierte britische Arzt Andrew Wakefield. Er hatte 1998 zusammen mit Kollegen in der Fachzeitschrift The Lancet eine Studie veröffentlicht, die den fraglichen Zusammenhang aufzeigen sollte. Bis 2004 gaben zehn von zwölf Koautoren der Studie bekannt, die erhobenen Daten könnten den Zusammenhang zwischen MMR-Impfungen und Autismus nicht belegen. Zu dem Ergebnis, dass dieser sich nicht verifizieren lasse, kamen auch zahlreiche nach der Veröffentlichung durchgeführte klinische Studien. Recherchen der Sunday Times ergaben unter anderem, dass fünf der Autoren, darunter Wakefield, Zahlungen von einer Anwaltskanzlei erhalten hatten, die die Eltern von angeblich durch eine MMR-Impfung geschädigten Kindern vertrat. 2010 erteilte die britische Ärztekammer Wakefield Berufsverbot. Doch noch immer reist er durch die Welt und verkündet Impfgegnern das, was sie hören wollen.
Für den Kampf gegen Covid-19 könnte das ein Problem sein. Die Washington Post berichtete von einer Facebook-Gruppe mit knapp 100 000 Mitgliedern, die die Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen im Bundesstaat Pennsylvania fordert. Die Frage eines Nutzers, ob die anderen Gruppenmitglieder sich gegen Sars-CoV-2 impfen lassen würden, sobald es einen Impfstoff gibt, wurde vielfach negativ beantwortet. Einer Studie des CDC zufolge wurden im Bundesstaat Michigan im Mai nur noch 50 Prozent aller Säuglinge im Alter von unter fünf Monaten geimpft; zwischen 2016 und 2019 wurden durchschnittlich rund zwei Drittel der Kinder dieser Altersgruppe geimpft. Die Autoren schreiben, das Sinken der Impfquote könne auf die Infektionsschutzbestimmungen in dem Bundesstaat zurückzuführen sein, auch wenn Impfungen dort weiterhin vorgenommen werden dürften. Peter Hotez vom Baylor College of Medicine im texanischen Houston sagte der Washington Post, »eine beträchtliche Anzahl von US-Amerikanern« müsse gegen das Virus geimpft werden, um die Übertragungsketten zu unterbrechen. Er mache sich Sorgen, die Bewegung der Impfgegner könne so stark werden, dass sich die nötige Quote nicht mehr erreichen lasse.
Verschwörungstheoretiker berufen sich stets auf die Meinungsfreiheit. Natürlich muss eine Gesellschaft auch unbequeme Meinungen, ja sogar Lügen, tolerieren. Oft verbreiten sich diese Lügen im Internet aber wie ein Lauffeuer. Die Informatikerin und Politikwissenschaftlerin Renee DiResta von der kalifornischen Stanford University beschrieb in einem Radiointerview mit dem Sender National Public Radio, wie schnell sich Fehlinformationen online verbreiten können. »Die Influencer wollen ihre Bücher und Videos verkaufen«, so DiResta. Es würden daher ständig verschiedene Methoden getestet, um das Publikum wirkungsvoll anzusprechen. »Wenn man den richtigen Influencer erreicht, dann kann man ein Massenpublikum erreichen.« DiResta zufolge kann es bis zu sechs Stunden dauern, bis Journalisten oder Wissenschaftler in der Lage sind, mit Dementis zu reagieren. Bis dahin können sich Falschmeldungen schon weit verbreitet haben.
Geht es den Anhängern von Verschwörungstheorien um ein Gefühl von Teilhabe an der Macht, um Sendungsbewusstsein und Zugehörigkeit, so geht es den Machern vor allem ums Geschäftliche. Mit Verschwörungstheorien kann man durchaus Geld verdienen. So hat der amerikanische »Ufo-Forscher« David Wilcock seine Covid-19-Verschwörungsvideos zu einem lukrativen Geschäft ausbauen können. Besonders gut produziert sind seine Videos allerdings nicht; Wilcock steht lediglich vor der Kamera und redet, manchmal mehr als fünf Stunden lang. Um zu einem echten Verschwörungstheoretiker zu werden, braucht man offenbar viel Zeit. Die scheinen seine Fans zu haben. Wilcocks Youtube-Kanal hat über 400 000 Abonnenten, manche der Videos wurden mehr als eine Million Mal aufgerufen. In ihnen behauptet er etwa, Sars-CoV-2 sei in einem Labor entstanden und der ehemalige US-amerikanische Vizepräsident Al Gore sei die Wiedergeburt von Heinrich VIII. Medienanalysen zufolge könnte Wilcock mit seinen wirren Thesen bis zu 900 000 US-Dollar pro Monat verdienen.
Bei alldem sollte jedoch nicht vergessen werden, dass es Verschwörungen wirklich gibt. Ein Beispiel ist die Watergate-Affäre. Als der damalige US-Präsident Richard Nixon im August 1974 zurücktreten musste, wurde die US-amerikanische Öffentlichkeit einer großangelegten Verschwörung gewahr, der wohl bislang größten bekannt gewordenen in der US-amerikanischen Geschichte. Letztlich sind Verschwörungstheorien jedoch vor allem eines – ein Produkt, das es zu vermarkten gilt.