Das Embargo gegen den Iran läuft aus, das Regime kann dann wieder konventionelle Waffen auf dem Weltmarkt kaufen

Waffen statt Masken

Die USA sind mit dem Versuch gescheitert, das bald auslaufende Embargo für konventionelle Waffen gegen den Iran im UN-Sicherheitsrat verlängern zu lassen.

Ende August erlitten die USA ihre schwerste Niederlage im UN-Sicherheitsrat, seit es die Vereinten Nationen gibt. Ihre Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Kelly Craft, wurde von den UN-Botschaftern Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens vorgeführt. Die Europäer hielten zu den Ayatollahs, klagte US-Außenminister Mike Pompeo, Craft sagte bitter, unter anderem Deutschland, England und Frankreich »befinden sich in der Gesellschaft von Terroristen«.

Das Gremium verhandelte auf Antrag der USA über eine Sanktion gegen den Iran, die es dem Teheraner Regime verbietet, konventionelle Waffen zu kaufen oder zu exportieren. Das bereits 2007 beschlossene Embargo war 2015 vom Wiener Atomabkommen, dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), auf die Dauer von fünf weiteren Jahren begrenzt worden. Diese Frist läuft am 18. Oktober aus. Die Aussicht, der Iran könne demnächst Panzer, Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe oder Raketensysteme auf dem internationalen Markt erwerben, löst nicht nur im Nahen Osten alles andere als Begeisterung aus.

Der Iran wird nicht zögern, weiter aufzurüsten, wenn das Embargo für konventionelle Waffen in gut sieben Wochen ausläuft.

Am 13. August hatten die USA eine Resolution zur Verlängerung des Embargos im Sicherheitsrat eingebracht. Russland und China stimmten wie üblich dagegen. Frankreich, Großbritannien und Deutschland enthielten sich, genauso wie acht weitere Staaten. Nur die Dominikanische Republik unterstützte die USA. Deren Vertreter waren überrascht und düpiert. Eine Woche später übergab Pompeo am Sitz der UN in New York einen formellen Antrag der USA, den sogenannten snapback-Mechanismus des JCPOA auszulösen, um mit einem Schlag alle zuvor aufgehobenen UN-Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft zu setzen. Dieses Recht billigt der JCPOA jedem seiner Teilnehmerstaaten zu, wenn dieser gravierende Verstöße gegen das Abkommen feststellt und seine Bedenken in einem mehrstufigen Schlichtungsverfahren nicht entkräftet werden können. Allerdings hat US-Präsident Donald Trump vor zwei Jahren dafür gesorgt, dass die USA aus dem JCPOA ausstiegen.

Aus Sicht der US-Regierung ändert das nichts an ihren Rechten. Die UN-Resolution 2 231, mit der der JCPOA für völkerrechtlich verbindlich erklärt wurde, nenne die USA als Teilnehmerstaat; auf Basis dieses Dokuments würden sie nun handeln. Die anderen Partner, die am JCPOA festhalten, sehen das anders. Wer aus dem Zug ausgestiegen sei, komme an die Notbremse nicht mehr her­an, argumentierte man hier. Indonesien, das zu diesem Zeitpunkt den Vorsitz im Sicherheitsrat hatte, weigerte sich, den von den USA beantragten snapback auf die Tagesordnung zu setzen.

Man versteht nun besser, was die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron meinten, als sie nach ihrem Treffen am 20. August sagten, sie hätten sich vornehmlich über Fragen der europäischen Souveränität unterhalten. Die EU hat der verbündeten Großmacht jenseits des Atlantiks nicht nur die Gefolgschaft verweigert, sondern sie obendrein in eine Ecke gedrängt, in der die USA sich mit juristischen Haarspaltereien zu behelfen versuchen müssen.

Bei dem selbstbewussten Auftritt der Europäer im Sicherheitsrat gibt es freilich ein Problem: Es heißt Iran. Wenn das Embargo für konventionelle Waffen in gut sieben Wochen ausläuft, wird die Islamische Republik trotz Covid-19-­Pandemie, Wirtschaftskrise, Währungsverfall und innenpolitischen Spannungen nicht zögern, weiter aufzurüsten. Die EU möchte nicht den Eindruck erwecken, als sei ihr dies gleichgültig. Sie finde nur die Vorgehensweise der US-Regierung ungeeignet, wie der deutsche Außenminister Heiko Maas seinem ­israelischen Amtskollegen Gabi Ashkenazi kürzlich in Berlin zu erklären versuchte. Die Europäer möchten unter allen Umständen am JCPOA festhalten. Mit dem snapback zu drohen, kommt für sie nicht in Frage.

Die EU hofft, dass Trump die US-amerikanische Präsidentenwahl im November verliert. Als Kompromiss mit einem anderen US-Präsidenten schwebt ihr vor, das Embargo für Offensivwaffen zu verlängern und nur für Defensivwaffen zu beenden. Die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens sind minimal, und selbst wenn es zustande käme, würde sich am eigentlichen Problem nichts ändern. Von den Vertragsinhalten des JCPOA funktioniert nur noch die Inspektion des iranischen Atomprogramms durch die Internationale Atomenergiebehörde. An die Obergrenzen für Produktion und Vorratshaltung von angereichertem Uran fühlt sich die iranische Regierung nicht mehr gebunden, wie sie Anfang dieses Jahres offiziell verkündete (Diplomatisch anreichern - Jungle World 5/2020). Das sind die Ausgangsbedingungen für die nun beginnende Phase des JCPOA, in der die befristeten Beschränkungen, die für das iranische Atomprogramm ausgehandelt wurden, Zug um Zug aufgehoben werden sollen. »Der Atomdeal, einst als Fessel iranischer Ambiti­onen gedacht, wird heute zur Fessel all jener, die sich des Expansionismus des theokratischen Regimes zu erwehren suchen«, schreibt der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel auf dem Online-Portal Audiatur Online.

Das Auswärtige Amt und seine Berater beschwören immer noch die Errungenschaften des JCPOA, die multilaterale Diplomatie und den Friedenswillen der Europäer. Dabei war das JCPOA-Abkommen bereits wenige Wochen nach seiner Unterzeichnung gescheitert, als der damalige Kommandierende der iranischen Revolutionsgarden, Qasem Soleimani, nach Moskau reiste, um mit dem russischen Oberkommando die Intervention in Syrien zu verabreden. Derzeit gilt es nur noch, mit den Relikten des Abkommens so umzugehen, dass es nicht noch mehr Schaden anrichtet.