Ein Konzern muss wegen eines Dammbruchs in Brasilien eine Entschädigung zahlen

Ein teurer Dammbruch

Der brasilianische Bergbaukonzern Vale zahlt 5,8 Milliarden Euro Entschädigung an den Bundesstaat Minas Gerais für die Folgen des Dammbruchs in Brumadinho im Januar 2019. Der Gouverneur frohlockt, doch die Hinterbliebenen der 270 Opfer fühlen sich übergangen.

Der Name des brasilianischen Bundesstaats Minas Gerais bedeutet so viel wie »allgemeine Minen«. Er passt noch immer so gut zu der Region wie zur Zeit der Namensgebung im 17. Jahrhundert: Bis heute machen Eisen und Gold über die Hälfte der Exporte des Bundesstaats aus, der nach São Paulo und Rio de Janeiro das drittgrößte BIP Bra­siliens aufweist.

Mit großem Geld kommt großer Schaden: In Minas Gerais haben sich innerhalb von nur fünf Jahren zwei der größten Umweltkatastrophen Brasiliens ­ereignet. 2015 brach in der Nähe von Bento Rodrigues ein Rückhaltebecken einer Eisenerzmine, woraufhin sich giftiger Schlamm durch das Tal des Rio Doce ergoss. Das Dorf Bento Rodrigues wurde begraben, 19 Menschen kamen ums Leben, ganze Ökosysteme wurden zerstört und der Schlamm erreichte den Atlantik. Am 25. Januar 2019 brach erneut ein Damm, diesmal in der Nähe von Brumadinho, und 13 Millionen ­Kubikmeter Schlamm begruben mindestens 270 Menschen unter sich. Auch hier wurden ganze Ökosysteme zerstört.

Beide Eisenerzminen gehören dem transnationalen Bergbaukonzern Vale S.A., einem der größten Eisenerzproduzenten der Welt. 2012 verliehen Schweizer NGOs der Firma einen Negativpreis als »schlimmste Firma«, also jene, die Menschenrechts- und Umweltfragen am bedenkenlosesten ignoriert – mit wenigen Stimmen Vorsprung vor der japanischen Firma Tepco, der Betrei­berin des Atomkraftwerks von Fukushima.

Allzu oft herrscht bei Umweltverbrechen in Brasilien Straflosigkeit. Doch der Dammbruch von Brumadinho hatte juristische Folgen für Vale, dank des nicht nachlassenden Drucks an Ort und Stelle und durch internationale Organisationen. Bereits 2019 wurde das Unternehmen dazu verurteilt, die Kosten für die Behebung der sozialen und ökologischen Schäden zu tragen. Die Richter nannten damals jedoch keine Summe. Außerdem hat Vale nach eigenen Angaben umgerechnet etwa 430 Millionen Euro Entschädigungszahlungen an von der Katastrophe betroffene Familien geleistet.

Am Donnerstag vergangener Woche haben sich das Unternehmen und die Regierung von Minas Gerais auf einen Vergleich geeinigt. Vale verpflichtet sich zur Zahlung von umgerechnet rund 5,8 Milliarden Euro an den Bundesstaat. Dessen Regierung frohlockte, weil es sich um die höchste je in Lateinamerika gezahlte Entschädigungssumme handele. Ein seltsamer Grund, stolz zu sein – zumal die Regierung ursprünglich umgerechnet 8,5 Milliarden Euro gefordert hatte. Das Geld soll in Sozialprogramme für Betroffene und Infrastrukturprojekte fließen. Bis zu 360 000 Arbeitsplätze glaubt die ­Regionalregierung damit schaffen zu können.
Betroffene und Hinterbliebene sind mit dem Resultat der Verhandlungen nicht zufrieden. Vor dem Gericht in Belo Horizonte, der Hauptstadt Minas Gerais’, versammelten sie sich zu Protesten. Sie beklagen in erster Linie, nicht angehört worden zu sein. Zwar gibt es in Brasilien die Institution der Defensoria Pública, einer öffentlichen Verteidigungsanwaltschaft, die die Interessen der Bevölkerung kostenlos vertreten soll. Gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft hat sie die Verhandlungen geführt. Der Opfervereinigung Avabrum zufolge habe sich jedoch keine der Behörden für die Anliegen der Betroffenen interessiert. Eine Begründung dafür, dass die Opfer nicht gehört wurden, habe es nie gegeben.

Außerdem kritisieren die Betroffenen die Verwendung des Geldes. Weniger als ein Drittel soll in Sozialprogramme in Brumadinho fließen. Insbesondere die Verwendung des Geldes für den Ausbau der Infrastruktur – Umgehungsstraßen, die Metro von Belo Horizonte, Krankenhäuser und Feuerwehr – ist den Betroffenen ein Dorn im Auge. »Solche Verbesserungen für die Bevölkerung sollten mit Steuergeldern finanziert werden. Und nicht mit dem Geld der Opfer«, sagte Vagner Diniz der Deutschen Welle (DW). Er hat bei dem Unglück zwei erwachsene Kinder sowie seine schwangere Schwiegertochter verloren.
Derweil bleibt den Opfern in anderen Verfahren zumindest die Hoffnung auf etwas Gerechtigkeit. Im Februar 2020 hatte das Gericht einen Prozess wegen vorsätzlicher

Tötung und schwerer Umweltverbrechen zugelassen. Angeklagt sind elf Mitarbeiter von Vale und fünf von TÜV Süd. Den Vale-Mitarbeitern wird vorgeworfen, von der Gefahr, die von dem maroden Damm ausging, gewusst zu haben. Die brasilianische Tochter des Münchner Unternehmens TÜV Süd hatte dem Damm im September 2018 bescheinigt, sicher zu sein – obwohl sie zahlreiche Wartungsempfehlungen aussprach. Auch die Staatsanwaltschaft in München ermittelt gegen das Unternehmen. In dem Verfahren in Brasilien drohen den Angeklagten bis zu 30 Jahre Haft. Dass der Prozess zügig vorangehen wird, bezweifeln die Betroffenen jedoch. »Da muss es schnell gehen, aber bei der Justiz sieht man davon nichts. Stattdessen haben wir den Eindruck, dass Reiche hier in diesem Land nicht bestraft werden«, so Vagner Diniz gegenüber der DW.