Das republikanische Establishment scheut den Bruch mit Donald Trump

Unerwünscht, aber unverzichtbar

Das republikanische Establishment würde Donald Trump gerne loswerden, scheut jedoch den Bruch mit der extremen Rechten.
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Es war knapp. Nur noch etwa 30 Meter lagen zwischen dem Mob, der am 6. Januar das Kapitol gestürmt hatte, und US-Vizepräsident Mike Pence – sowie dessen sogenanntem Atomkoffer oder nuclear football, den ein Adjutant in seiner unmittelbaren Nähe trug. Um einen Atomkrieg zu beginnen, genügt es zwar nicht, diesen Koffer zu erbeuten, da zusätzliche Autorisierungen erforderlich sind. Der Vorfall ist jedoch ein weiterer Beleg dafür, dass der Sturm auf das Kapitol keine etwas aus dem Ruder gelaufene Performance irregeleiteter Patrioten in seltsamen Kostümen war, die nur mal etwas Rabatz machen wollten.

Man kann darüber streiten, ob es sich um einen Putschversuch handelte, da der Misserfolg feststand und dies selbst Donald Trump klar gewesen sein dürfte. Vermutlich ging es darum, einen Mythos zu schaffen, der vom Kampf des »Volkes« gegen die »korrupte Elite« handelt, um die extreme Rechte auf Jahre zusammenzuschweißen und an Trump zu binden. Das ist offenbar gelungen.

Dass der damalige US-Präsident den Mob angestiftet und aufgehetzt hat, ist hinreichend dokumentiert. Aufgrund der Absicht, die parlamentarische Bestätigung des Ergebnisses der Präsidentschaftswahl mit Gewalt zu verhindern, wäre es nicht übertrieben, von »Verrat« zu sprechen. Wenigstens aber handelte es sich um »schwerwiegendes Fehlverhalten«, das gemäß der Verfassung ebenfalls eine Amtsenthebung rechtfertigt. Die meisten Republikaner zogen es daher vor, formal zu argumentieren – für ein impeachment sei es zu spät, da Trump nicht mehr amtiere. Sieben republikanische Senatoren stimmten am 13. Februar für die Amtsenthebung, doch 43 hielten Trump die Treue und ermöglichten es ihm, seine politische Karriere fortsetzen zu können – nach einer Amtsenthebung hätte er nicht mehr für politische Ämter kandidieren dürfen.

Zweifellos würden die meisten ranghohen republikanischen Politiker Trump gerne loswerden. Der Emporkömmling will die Partei allein beherrschen und bedingungslose Loyalität zu seiner Person erzwingen. Überdies verlieren die Republikaner gemäßigte Konser­vative sowie Wechselwähler und damit möglicherweise die Chance, im Kongress und bei Präsidentschaftswahlen eine Mehrheit zu ­gewinnen. Noch aber kann Trumps loyale Basis jeden republikanischen Kritiker in die Schranken weisen. In Mitch McConnell, dem ehemaligen republikanischen Mehrheitsführer im Senat, hat er zwar einen machtpolitisch versierten Herausforderer, doch die Partei – wie die Demokraten eher ein Bündnis von Interessengruppen als eine politisch-programmatisch festgelegte und von einer Bürokratie kontrollierte Organisation – ist schwer zu lenken.

Durch die Annäherung an die extreme Rechte während der Präsidentschaft Barack Obamas hat das republikanische Establishment Trump den Weg geebnet. Das Ergebnis hat man sich anders vorgestellt, man wollte dieses Milieu benutzen, nicht aber ihm ausge­liefert sein. Die politischen Konsequenzen, die eine Ausgrenzung der nun erheblich stärker gewordenen extremen Rechten mit sich bringen würde, scheut das republikanische Establishment aber weiterhin. Ohne die Anhänger Trumps wäre es unmöglich, im Kongress und bei Präsidentschaftswahlen eine Mehrheit zu gewinnen, und wer das Kapitol stürmt oder dies gutheißt – verschiedenen Umfrageergebnissen zufolge zwischen knapp 20 und 45 Prozent der republikanischen Wähler –, wird sich schwerlich für eine von gemäßigten Konservativen geführte Republikanische Partei gewinnen lassen.

Dieses Dilemma der Republikaner macht die politische Krise so brisant. Eine »Spaltung der Gesellschaft« gab es auch früher schon, die politischen Differenzen waren zur Zeit von Franklin D. Roosevelts »New Deal« oder der Bürgerrechtsbewegung nicht geringer. Das parlamentarische System an sich stand jedoch damals selbst für rechte Republikaner nicht zur Debatte. Nun aber besteht die Gefahr, dass die Partei zur Beute der extremen Rechten wird.