Dividende abschaffen
Am 26. Februar begann die zweite Stufe der Unterschriftensammlung für das Berliner Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co. enteignen«. Die Initiative fordert, jene Immobilienkonzerne zu vergesellschaften, die Eigentümer von mehr als 3 000 Wohnungen in der Stadt sind. Das sind etwa ein Dutzend Unternehmen, neben Deutsche Wohnen (DW) auch Vonovia oder Grand City Properties. Insgesamt geht es um etwa 240 000 Wohnungen, rund 15 Prozent des Mietwohnungsbestandes in der Stadt. Anders als der Name der Kampagne nahelegt, sollen die Firmen nach herrschendem Rechtsverständnis nicht enteignet, sondern vergesellschaftet und der Wohnungsbestand und dessen Verwaltung in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden.
Angesichts dessen raunt Gunnar Schupelius in seiner berüchtigten B.Z.-Kolumne »Mein Ärger«, dass die Initiatoren das Privateigentum als solches beseitigen wollten und eine Planwirtschaft anstrebten. Tatsächlich aber würde ein Erfolg der Initiative vor allem den Verkauf der kommunalen Wohnungsbestände rückgängig machen, den die Linkspartei und die SPD in den nuller Jahren betrieben haben. Der DW gehören viele Wohnungen, die zuvor im Besitz städtischer Wohnungsbaugesellschaften waren.
Es werden in diesen Tagen also in Berlins Straßen keineswegs Unterschriften für die Revolution gesammelt, das Ziel ist vielmehr eine Reform und käme einem gar nicht so tollkühn vor, wenn man sich nicht schon dermaßen an die Privatisierung und anschließende profitorientierte Nutzung öffentlicher Güter gewöhnt hätte. Eigentlich soll die Vergesellschaftung nur dazu beitragen, den aufgeheizten Berliner Immobilienmarkt wieder etwas herunterzukühlen und perspektivisch die Mieten auch in den Innenstadtbezirken wieder bezahlbar zu machen.
Mit den jetzigen Instrumenten wie Mietendeckel, Millieuschutz und Vorkaufsrecht ist das offensichtlich nicht zu erreichen. Das Problem, dass es Aktiengesellschaften darum geht, hohe Gewinne zu erzielen, um hohe Dividenden ausschütten zu können, kann man so nicht wirksam angehen.
Für die Deutsche Wohnen hat der Berliner Mieterverein ausgerechnet, dass die über 350 Millionen Euro Dividende, die der Konzern 2019 ausgezahlt hat, bedeuten, dass von der monatlichen Miete für jede der 163 000 Wohnungen durchschnittlich 177 Euro an die Aktienbesitzenden gingen.
Der Gesamtumsatz von Berlins zweitgrößtem Immobilienkonzern Vonovia ist im vergangenen Jahr um 6,3 Prozent auf 4,37 Milliarden Euro gestiegen. Den Aktienbesitzenden wird daher dem aktuellem Geschäftsbericht zufolge eine Gesamtdividende in Höhe von über 956 Millionen Euro ausgezahlt.
Genau so geht Enteignung von oben, die aber natürlich nicht so genannt wird, weil sie im Kapitalismus ganz normal ist. Diese zu begrenzen, kommt dem Kapital stets ungelegen. Deswegen fährt Schupelius die ganz dicken Geschütze auf und behauptet, die Initiative verfolge »fundamentalistische Ziele« und nutze »die direkte Demokratie, um die bürgerlichen Freiheiten einzuschränken«.
Witzigerweise geht es stattdessen um mehr Freiheiten, beispielsweise darum, da wohnen bleiben zu können, wo man Freunde hat und das Kind zur Schule geht. So ist zu erwarten, dass die Initiative es schaffen wird, die erforderlichen 170 000 Unterschriften in vier Monaten zu sammeln und sich damit für eine Volksabstimmung parallel zu den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September zu qualifizieren. Der enorme Kraftakt, den dies bedeutet, ist allerdings angesichts einer rot-rot-grünen Stadtregierung eher ein Zeichen von Schwäche der sozialen Bewegungen der Stadt: Sie schaffen es nicht, auf eine weniger aufwendige Art und Weise Druck auf die sich selbst als sozial verstehenden Parteien der Stadtregierung auszuüben.
Mehr Druck als Unterschriften und abgegebene Stimmen wird es ohnehin brauchen, wenn die Initiative Erfolg hat: Die Höhe der zu zahlenden Entschädigungen würde ein zukünftiger Senat mit den jetzigen Besitzern aushandeln. Darüber, ob dabei der durch die Immobilienspekulation aufgeblasene Marktwert zugrunde gelegt wird oder ein niedrigerer Wert – was das Grundgesetz mit der Formulierung »unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten« nahelegt –, wird auch das Kräfteverhältnis entscheiden.