03.06.2021
Der Prozess gegen den Soldaten Franco A. hat begonnen

Rechter Terror als Staatsschutz?

In Frankfurt steht Franco A. vor Gericht. Der Soldat soll als Flüchtling getarnt Terroranschläge geplant haben. Den Betrug gibt er zu, ansonsten stellt er sich als treuen Staatsdiener dar, der Deutschland vor Jihadisten beschützen wollte.

Seit dem 20. Mai muss sich der ehemalige Oberleutnant der Bundeswehr Franco A. vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main verantworten, weil er sich als Flüchtling ausgegeben und terroristische Anschläge geplant haben soll. A. war 2017 in Wien verhaftet worden. Die Vorwürfe, die die Generalbundesanwaltschaft erhebt und die am ersten Prozesstag verlesen wurden, lauten: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach Paragraph 89a des Strafgesetzbuchs, Verstöße gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Sprengstoffgesetz sowie Diebstahl und Betrug. Die Anschlagspläne sollen sich gegen Personen aus Politik und Zivil­gesellschaft gerichtet haben, die sich gegen Rechtsextremismus oder für ­Geflüchtete engagieren. Zudem hat sich Franco A. ein Jahr lang parallel zu seinem Soldatenberuf als syrischer Geflüchteter ausgegeben, als solcher Leistungen bezogen und in Unterkünften gewohnt. Der Anklage zufolge wollte er unter dieser Scheinidentität Anschläge begehen, um so Geflüchtete zu diskreditieren, sogenannte false flag-Aktionen.

Stets betont Franco A., nicht rechtsextrem und kein Rassist zu sein. Dass er sich auch mit antisemitischen Verschwörungs­theoretikern wie David Icke trifft, erwähnt er nur am Rande.

In den ersten drei Verhandlungstagen wurde die Verteidigungsstrategie von Franco A. deutlich. Den Waffen- und Munitionsbesitz sowie das Erschleichen staatlicher Leistungen gab er zu. Er habe durchaus Recht gebrochen und dies tue ihm »aufrichtig leid«. Auch dass sich Menschen von ihm bedroht gefühlt hätten, bedaure er. Doch den Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat wies A. von sich. Er stellte sich vielmehr als treuen Staatsdiener dar, der nur auf einen vermeintlichen Rechtsbruch durch die Bundesregierung 2015 reagiert habe, nachdem diese sich zur Aufnahme syrischer Geflüchteter bereit erklärt und die Grenze nicht geschlossen hatte. Seinen Verteidigern Moritz Schmitt-Fricke und Johannes Hock zufolge sei Franco A. »zivilcouragiert«, während »wesentliche Teile der Bundesregierung« sich dagegen »in einer mehr oder minder offenen Partnerschaft zu Schleusern« befunden hätten.

Diese Taktik, zuzugeben, was nicht zu leugnen ist, und hierbei Reue zu ­zeigen, um die schwersten Vorwürfe glaubhafter von sich zu weisen zu ­können, hat A. schon vor Beginn des Prozesses angewendet. Er stellte sich am 18. Mai dem von Russland finanzierten Propagandasender RT Deutsch für ein langes Interview zur Verfügung. Darin betonte er, sein Ziel sei es, »den Staat zu verteidigen«. Er habe Eskalationen und Krieg befürchtet und sich aus Sorge vor Jihadisten unter den Geflüchteten Waffen und Munition an­geeignet. Nur in diesem Kontext seien seine Taten zu verstehen. Dem Hessischen Rundfunk sagte er: »2015 ist mein Misstrauen in politische Entscheidungen und Behördenhandeln so groß geworden, dass es zu einer Konfliktsitua­tion geführt hat mit dem Eid, den ich geschworen habe. Und das hat mich dazu veranlasst, das Asylverfahren zu durchlaufen, um mir ein eigenes Bild zu machen.«

Am dritten Verhandlungstag bekam A. die Gelegenheit, zu seinen Beweggründen und seiner Biographie ausführlich Stellung zu nehmen. Sein »Flüchtlingsprojekt«, wie er den mutmaßlichen Betrug nennt, habe er unternommen, um den vermeintlichen Missständen des deutschen Asylsystems auf den Grund zu gehen. Anhand kurzer Videos, die er in Geflüchteten­unterkünften mit dem Mobiltelefon gedreht hatte und die während der Verhandlung am 28. Mai gezeigt wurden, wird sehr deutlich, dass es A. nicht um die Dokumentation der schlechten Versorgung seiner »Brüder und Schwestern« – wie er Geflüchtete zu seiner Entlastung nannte – ging: A. erläuterte während der Sitzung, er habe zeigen wollen, »dass es keine abgemagerten Flüchtlinge« aus Kriegs­gebieten gewesen seien, sie hätten »ihre Koffer mitgebracht« und »Handel mit Zigaretten und SIM-Cards« betrieben. Was er mit seinen so gesammelten »Erkenntnissen« machen wollte, erwähnte A. im Verfahren bisher nicht, kündigte aber eine elfseitige Erklärung zu seinem »Flüchtlingsprojekt« an.

Bei seinen Ausführungen zum eigenen Werdegang wurde nochmals deutlich, dass Franco A. ein langjährig ausgebildeter und hochqualifizierter Offizier der Bundeswehr ist, mit Stationen an Offiziersakademien in Deutschland, Frankreich und Großbritannien, Aufenthalten in Cambridge und dem IEP Paris, Lehrgängen als Einzelkämpfer und Führer von Einheiten, inklusive Übungen, in denen unter anderem das Legen von Hinterhalten trainiert ­wurde. Oft war er Jahrgangsbester oder -zweitbester. Darauf ist er merklich stolz.

Die Bundeswehr hat anscheinend während seiner achtjährigen intensiven Ausbildung nichts von rechtsextremen Einstellungen und Verhaltensweisen mitbekommen – abgesehen von der Affäre um seine Masterarbeit 2013/2014. Diese hatte er an der renommierten französischen Militärakademie Saint-Cyr verfasst. Thema war der angebliche Untergang von Zivilisationen aufgrund von Zuwanderung. Die französischen Ausbilder meldeten die Arbeit den deutschen Kollegen und ein Historiker kam in einem Gutachten zum Schluss, es handle sich dabei um einen »radikalnationalistischen, rassistischen Appell, den der Verfasser mit einigem Aufwand auf eine pseudo­wissenschaftliche Art zu unterfüttern sucht«. A. bekam die Möglichkeit, eine zweite Arbeit zu schreiben – und machte problemlos Karriere.

Immer wieder betont A., dass er nicht rechtsextrem und kein Rassist sei. Er wolle lediglich »Dingen auf den Grund gehen«, »alternative Sichtweisen ent­wickeln« und »unvoreingenommen« an Sachverhalte herangehen. Dass er sich dafür auch mit antisemitischen, rechtsesoterischen Verschwörungstheoretikern wie dem Briten David Icke zum Austausch traf, diesen mehrfach auf der Isle of Wight aufsuchte, erwähnte er nur am Rande.

Um diese rechtsextremen Bezüge Franco A.s aufzuzeigen, können neue Recherchen des Bayerischen Rundfunks helfen, die zeigen, dass der Angeklagte sechs Wochen vor seiner Verhaftung 2017 als Redner bei einem »Preußen-Abend« in München auftrat. Dort versammelten sich rechtskonservative Akademiker, Vertriebenenfunktionäre, Militärangehörige, AfD-Politiker und Neonazis. A. referierte über »Das neue Verständnis der deutschen Konservativen« und die »Be­drohung des deutschen Volkes«. Dem BR zufolge bekannte er sich dazu, ­Antisemit und Rassist zu sein, und rief dazu auf, »den Kampf aufzunehmen«.