Small Talk mit Sinah Klockemann über die Überflutung des feministischen Bildungshaus in Zülpich

»Die kritische Distanz löst sich auf«

Das feministische Bildungshaus in Zülpich war in der vergangenen Woche von den Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen betroffen. In der Kleinstadt zwischen Köln und Bonn macht das Kollektiv »lila_bunt« seit 2019 feministische Bildungspolitik. Die Jungle World sprach mit Sinah Klockemann vom Kollektiv über das Hochwasser und die Solidarität danach.
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Was ist das feministische Bildungshaus und was macht ihr als Kollektiv lila_bunt?

Wir sind ein feministisches Kollektiv aus zehn Menschen, die schon länger die Idee hatten, einen ­Bildungsort zu gründen. 2018 stand das Frauenbildungshaus in Zülpich zum Verkauf. Das Projekt war vor 40 Jahren in der Frauen-Lesben-Bewegung entstanden, die damaligen Betreiberinnen hatten jedoch keinen Anschluss mehr an die jüngere Generation gefunden. Es war ihnen aber wichtig, dass das Haus ein politischer Raum bleibt. Mit ihnen gemeinsam haben wir einen Übernahmeprozess begonnen, 2019 haben wir das Haus dann mit Hilfe des Mietshäuser-Syndikats gekauft. Von politischen Initiativen über Jugendzentren bis zu lesbischen Chören können sich verschiedene Gruppen bei uns einmieten und ihr eigenes Programm dort machen. Unser Kollektiv übernimmt die Versorgung. Darüber hinaus bieten wir auch ein eigenes Bildungsprogramm für Frauen, Lesben, nichtbinäre, inter-, trans- und ageschlecht­liche Personen an. Es gibt eine Werkstatt, eine feministische Bibliothek, 31 Betten und zwei Seminar­räume.

Wie funktioniert Feminismus in einer Kleinstadt in der Eifel?

Da es das Haus seit 40 Jahren gibt, war es für die Nachbarschaft bereits ein Ort, wo »verrückte Sachen« passieren. Sie hat sich irgendwann an die älteren Frauen gewöhnt, aber jetzt kommen nochmal jüngere Personen, die wieder ganz anders aussehen. Wir ­haben bereits versucht, die Nachbarn und Nachbarinnen einzuladen, das hat auch teilweise funktioniert. Allerdings gab es viel kritische Distanz, die sich aber in solchen Ausnahmesituationen wie jetzt auflöst. Nach den Überschwemmungen standen die in der Umgebung Wohnenden mit Schubkarren da und meinten, dass sie gerne helfen würden.

Vorige Woche gab es auch in Zülpich Überschwemmungen. Wie hat es euch getroffen?

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag haben wir einen Notruf bekommen, weil der Wasserpegel stieg und der Strom ausging. In dem Moment war eine Jugendgruppe im Haus, die haben sich in den ersten Stock in Sicherheit gebracht. Ein kleiner Bach neben dem Haus hatte sich in einen reißenden Fluss verwandelt. Der floss am Haus vorbei, bis das Eingangstor von einem Auto aus den Fugen gelöst wurde. Daraufhin ist das Wasser in den Hof geflossen und hat das ganze Erdgeschoss geflutet. Am nächsten Tag wurden die Schäden dann sichtbar: Das Büro stand unter Wasser, die Seminarräume und ein barrierefreies Zimmer sind hin. Alle Böden und Tapeten mussten erneuert werden.

Wie laufen die Aufräumarbeiten?

In dem Messenger Signal entstanden schnell solidarische Gruppen, in denen sich über 100 Leute sammelten, die bei den Arbeiten helfen wollen. Die generationenübergreifende praktische feministiche Solidarität, die wir gerade erfahren, rührt uns sehr. Und es geht voran: Das Wasser läuft bereits wieder, wir haben ein Übergangsbüro in der Bibliothek eingerichtet. Relativ schnell werden wir an den Punkt kommen, wo wir Fachleute für die Arbeiten brauchen, da suchen wir noch nach Unterstützung. Auch finan­zielle Hilfe ist weiterhin willkommen. Wir hoffen, dass wir in einem Monat einen Seminarraum wieder ­herrichten können. Bis alles wieder benutzbar ist, werden wir wohl bis Ende des Jahres brauchen.