Neue Söldner braucht das Land
Ein rauerer Ton ist unter französischen Politikern eingekehrt, wenn es um Bündnispartner und Einflussspären geht. In den vergangenen Tagen waren die Medien des Landes voller erzürnter Reaktionen französischer Regierungsmitglieder sowie einiger Oppositionspolitiker darauf, dass Australien einen Vertrag über die Lieferung von U-Booten im Wert von 56 Milliarden Euro annulliert hatte – die australische Regierung zog, fünf Jahre nach Vertragsschluss, atombetriebene U-Boote aus US-amerikanischer und britischer Produktion vor. Außenminister Jean-Yves Le Drian sprach relativ undiplomatisch von »Lüge und Doppelzüngigkeit« der US-amerikanischen und australischen Politik.
»Reuters« zufolge ist geplant, bis zu 1 000 Wagner-Söldner in Mali einzusetzen, gegen eine monatliche Zahlung von mehr als neun Millionen Euro.
Auch andernorts ringen Frankreichs staatliche Repräsentanten um Einfluss. Am Montag hielt Verteidigungsministerin Florence Parly sich in der malischen Hauptstadt Bamako auf. Am Vortag hatte sie in Niamey, der Hauptstadt des Nachbarlands Niger, ihre diplomatische Mission in der westafrikanischen Sahelzone begonnen. Dort traf sie mit dem Anfang dieses Jahres gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum und ihrem nigrischen Amtskollegen Alkassoum Indatou zusammen. In ihrem Gespräch ging es um die künftige französische Armeepräsenz in der Region im Zusammenhang mit der angekündigten Reduzierung der Truppenstärke der französischen Sahel-Streitmacht »Barkhane« um rund die Hälfte.
Mehr Konfliktstoff gab es in Bamako. Dort versuchte Parly, ihre Gesprächspartner, unter ihnen den Verteidigungsminister der im August 2020 an die Macht gekommenen und im Mai dieses Jahres umgebildeten Militärregierung, Oberst Sadio Camara, zu einer Abkehr von bisher gehegten Vertragsplänen zu bewegen. Dabei geht es um das malische Vorhaben, die russische Söldnerfirma Wagner ins Land zu holen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters ist geplant, bis zu 1 000 Wagner-Söldner einzusetzen, gegen eine monatliche Zahlung von umgerechnet mehr als neun Millionen Euro; auch über einen russischen Zugang zu Erzvorkommen soll verhandelt werden. Ursprünglich für kommenden Februar angesetzte Wahlen, in deren Folge wieder eine zivile Regierung die Macht übernehmen soll, werden voraussichtlich verschoben.
»Mein Ziel ist es, die Position der malischen Behörden zu klären und bestimmte Botschaften zu bekräftigen«, sagte die französische Ministerin in der Nacht zum Montag der Website des Wochenmagazins Le Point zufolge. »Wir werden nicht mit Söldnern koexistieren können.«
Der Leiter der nach dem Sturz von Präsident Ibrahim Boubacar Keïta eingesetzten Militärregierung, Interimspremierminister Choguel Maïga, wurde hingegen in der Nacht zum Sonntag auf der Website von Radio France Internationale mit den Worten zitiert: »Wenn gewisse Partner auf dieselbe Weise, wie sie schon gewisse Gebiete verließen, entscheiden zu gehen, was machen wir dann?« Damit spielte er auf den Teilabzug der französischen Truppen aus weiten Teilen der Nordhälfte Malis an, wo diese gegen Jihadisten in der Sahelzone kämpfen. Maïga fügte hinzu: »Wir können nicht darauf verzichten, Leute zu einer Ausbildung in ein anderes Land zu senden, weil ein bestimmtes drittes Land das nicht will.«
Denn Wagner könnte neben der Entsendung von Söldnern und der Lieferung militärischen Materials auch die Ausbildung von Angehörigen der malischen Streitkräfte übernehmen. Werden diese an russischem Militärgerät ausgebildet, so ist das nicht unbedingt eine Umstellung: Es findet sich noch Kriegsgerät aus der Sowjetunion und später Russland in Mali. In der Amtszeit des antikolonial und sozialistisch orientierten Präsidenten Modibo Keïta (1960 bis 1968) versuchte das blockfreie Land, die Konkurrenz der Sowjetunion und der VR China für sich zu nutzen. Auch nachdem die Armeeführung im November 1968 geputscht, den General Moussa Traoré ins Präsidentenamt gebracht und frühere gesellschaftliche Verhältnisse großteils restauriert hatte, blieben die Verträge mit der UdSSR in Kraft.
In den vergangenen Jahren hat sich in Mali die Idee verbreitet, ein stärkerer Einfluss Russlands könnte dem Land helfen, da Frankreich mit den Jihadisten im Norden des Landes nicht fertig werden könne oder wolle. Auch Maïga gilt als einer, der so denkt. Russland besitzt eine Art politisch-ideologischen Einfluss; auf Demonstrationen in Bamako, zum Beispiel beim Sturz von Präsident Keïta vor gut einem Jahr, wurden wiederholt russische Fahnen geschwenkt.
Die private Söldnerfirma Wagner entstand 2014 im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine. Offiziell sind Söldnerfirmen in Russland verboten, faktisch folgt die Wagner-Gruppe den Vorgaben russischer Außenpolitik. In den vergangenen Jahren expandierte Wagner bereits in mehrere afrikanische Länder.
In der seit 2013 wiederholt durch Bürgerkriege erschütterten Zentralafrikanischen Republik (ZAR) übernahm das russische Unternehmen in den vergangenen drei bis vier Jahren wesentliche staatliche Aufgaben wie den Personenschutz für das politische Führungspersonal, was schnell zu kritischen Berichten in der französischen Presse führte. Die frühere Kolonialmacht in der Region, Frankreich, hatte von 2013 bis 2016 militärisch in der ZAR interveniert. Drei russische Journalisten, die über die Wagner-Gruppe in der ZAR recherchieren wollten, wurden im Juli 2018 getötet.
In Libyen kämpfen Wagner-Söldner auf Seiten des Warlords Khalifa Haftar, der Ostlibyen kontrolliert. Auch in Syrien ist Wagner tätig, auf Seiten des Regimes von Bashar al-Assad.
Ein neuer Markt tut sich derzeit für Wagner im ostafrikanischen Mosambik auf. Dort macht sich im Norden des Landes seit 2018 ein Ableger des »Islamischen Staats« breit und zieht mit Massakern an der Zivilbevölkerung, aber auch mit Angriffen auf die Infrastruktur der Erdgasförderung – die den französischen Konzern Total zum vorläufigen Rückzug seiner Mitarbeiter zwangen – internationale Aufmerksamkeit auf sich. Der Website Mondafrique zufolge soll Wagner in Mosambik derzeit zwischen 160 und 300 Kombattanten unterhalten. In Mosambik wird derweil über eine enge Militärkooperation mit Russland nachgedacht.
Frankreich sorgt sich um die Demokratie, aber vor allem auch um seine Einflusszone im westlichen Afrika, wo seine Glaubwürdigkeit als Schutzmacht in jüngerer Zeit gelitten hat – abgesehen von historisch begründeter Opposition gegen seine ökonomische Vormachtstellung.
In einem Kommuniqué vom Sonntag reagierte die malische Übergangsregierung unwirsch auf Kritik aus Frankreich, nachdem Außenminister Le Drian am Dienstag voriger Woche mit der Möglichkeit eines völligen Abzugs gedroht hatte, falls Wagner komme, da dessen Ankunft mit der französischen Präsenz »nicht kompatibel« sei. Man erlaube es, so hieß es in dem Kommuniqué, »keinem Staat, eine Wahl an unserer Stelle zu treffen, und weniger noch, an unserer Stelle zu entscheiden, welche Partner unser Land anfragen kann oder nicht«.
Die Position der EU dazu machte ihr EU-Außenbeauftragter Josep Borrell am Montag am Rande UN-Vollversammlung in New York City deutlich: »Es hat den Anschein, dass die Übergangsregierung über die Möglichkeit diskutiert – sofern mir bekannt, wurde die Entscheidung noch nicht getroffen –, die Wagner-Gruppe dazu einzuladen, in ihrem Land zu operieren. Wir wissen gut, wie diese Gruppe sich in verschiedenen Teilen der Welt aufführt. Das würde die Beziehung zwischen der EU und Mali nachhaltig beeinträchtigen.«
In der Bevölkerung dürften russische Unterstützung und eine symbolische oder reale Verdrängung der militärischen Präsenz Frankreichs unter Umständen nicht unpopulär sein – jedenfalls solange es keine Zwischenfälle mit russischen Söldnern in der Region gibt.