Warum Israel sechs palästinensische NGOs als terroristisch eingestuft hat

Terroristen für Menschenrechte

Israel hat sechs palästinensische NGOs wegen Unterstützung der terroristischen PFLP zu Terrororganisationen erklärt. Die Bundesregierung, die EU und die Uno kritisieren diesen Schritt scharf, doch die israelische Regierung kann gute Gründe für ihn geltend machen.

Als der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz am 22. Oktober bekanntgab, dass der jüdische Staat sechs palästinensische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wegen ihrer Verbindungen zur terroristischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) nun ebenfalls als terroristische Vereinigungen betrachtet, gab es harsche Reak­tionen. Die deutsche Bundesregierung zeigte sich »sehr besorgt« über diesen Beschluss, denn die betroffenen NGOs hätten sich für den Schutz von Menschenrechten eingesetzt und unter anderem die Interessen von Frauen, Kindern und prekär Beschäftigten vertreten, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte. Projekte von einigen dieser Vereinigungen seien auch von deutschen »Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt worden«, wie eine Sprecherin des deutschen Außenministeriums sagte.

Nach Recherchen von NGO Monitor gibt es noch weitaus mehr palästi­nensische Vereinigungen, die mit der Terrororganisation PFLP verflochten sind oder Mitglieder haben, die ihr zuarbeiten.

Die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet sprach von einer »willkürlichen Entscheidung« und einem Angriff auf Verteidiger von Menschenrechten. Die Europäische Union kündigte an, die betroffenen NGOs weiter zu unterstützen; Israel habe seinen Vorwurf, die Organisationen missbrauchten finanzielle Zuwendungen der EU unter anderem zur Unterstützung der PFLP, nie belegt. Die Palästinensische Autonomiebehörde nannte den Beschluss eine »Verleumdung« und einen »strategischen Angriff auf die palästinensische Zivilgesellschaft«, Amnesty International und Human Rights Watch fanden ihn in einer gemeinsamen Erklärung »empörend und ungerecht«.

Diesen Äußerungen zufolge hat die israelische Regierung also palästinensische Vereinigungen, die nur den Menschenrechten verpflichtet sind, grundlos zu Terrororganisationen erklärt. Das stellt sich für Gantz und sein Ministerium anders dar: »Diese Vereinigungen sind unter dem Deckmantel zivilgesellschaftlicher Organisationen tätig, gehören aber in Wirklichkeit zur Führung der PFLP, deren Haupttätigkeit die Zerstörung Israels ist, und bilden einen ihrer Arme«, hieß es in einer Erklärung. Gemeint sind damit die Union der palästinensischen Frauenkomitees (UPWC), Addameer, al-Haq, die Union der Komitees für landwirtschaftliche Arbeit (UAWC), das Bisan-Zentrum für Forschung und Entwicklung sowie die palästinensische Sektion von Defence for Children International (DCI-P).

Am Montag vergangener Woche präzisierte das israelische Außenministerium die Gründe für den Regierungsbeschluss. »Die PFLP, die von den USA und der EU als terroristische Vereinigung eingestuft wird, unterhält einen organisatorischen und militärischen Apparat, einschließlich eines Netzes ziviler Institutionen, deren Ziel es ist, Spenden aus dem Ausland zu akquirieren und grundlegende Erfordernisse der Gruppe zu finanzieren«, hieß es. Die PFLP-nahen Vereinigungen arbeiteten »unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe« und würden »hauptsächlich aus Europa finanziert«.

Mehrere Millionen Euro an Hilfsgeldern seien über ein Netzwerk von Einrichtungen, hauptsächlich über sogenannte Health Work Committees, an die PFLP geflossen und würden »für Terrorakte der Organisation auch gegen israelische Zivilisten verwendet«. Bei zwei Vertretern dieser Vereinigungen handle es sich um PFLP-Mitglieder, die für einen Bombenanschlag im Jahr 2019 verantwortlich gewesen seien, bei dem die 17jährige Israelin Rina Schnerb getötet wurde. Die mit der PFLP verbundenen Organisationen seien miteinander verflochten und stellten »die wirtschaftliche und organisatorische Lebensader der Partei im Hinblick auf die Geldwäsche und die Finanzierung der PFLP dar«.

Die sechs NGOs bieten dem israelischen Außenministerium zufolge überdies Arbeitsplätze für PFLP-Kader, und ihre Büros würden für Aktivitäten der PFLP genutzt. Darüber hinaus hätten die palästinensischen NGOs Berichte über fiktive Projekte, falsche Dokumente und gefälschte Bankgenehmigungen erstellt, um die Sache der PFLP zu unterstützen.

Weitere Details und personelle Verflechtungen zwischen den NGOs und der PFLP gab die israelische Regierung bislang nicht bekannt. Doch die israe­lische Organisation NGO Monitor veröffentlicht seit Jahren immer wieder ­Berichte über diese Verbindungen auf Grundlage öffentlich zugänglicher ­Informationen. Demnach war beispielsweise das PFLP-Mitglied Samer Mina Salim Arbid, der im Oktober 2019 festgenommene mutmaßliche Hauptverantwortliche für den Mord an Schnerb, früher als Buchhalter für Addameer ­tätig. Die NGO setzt sich für palästinensische Häftlinge ein. Auch mehrere ihrer führenden Köpfe gehören der PFLP an. Dazu zählen der Vorsitzende und Mitgründer von Addameer, Abdullatif Ghaith, sowie die ehemalige stellvertretende Vorsitzende Khalida Jarrar, die den »bewaffneten Kampf« gegen Israel explizit verteidigt.

Das nun ebenfalls als terroristische Vereinigung eingestufte Bisan-Zentrum für Forschung und Entwicklung leitet Ubai Aboudi, den ein israelisches Gericht im Jahr 2020 wegen seiner Mitgliedschaft in der PFLP von 2016 bis 2019 zu zwölf Monaten Haft verurteilt hatte und der für die Rekrutierung von Mitgliedern für die Partei und die Stärkung ihrer Infrastruktur verantwortlich sein soll. Itiraf Hajaj, der frühere Leiter des Bisan-Zentrums, wurde 2019 als Verantwortlicher für geheime PFLP-Operationen festgenommen und später zu 42 Monaten Haft verurteilt. Auch Shawan Jabarin, der Direktor von al-Haq und in der Vergangenheit wegen seiner PFLP-Aktivitäten mehrmals zu Gefängnisstrafen verurteilt, hat nach Einschätzung israelischer Stellen weiterhin Verbindungen zur PFLP.

Nach Recherchen von NGO Monitor gibt es noch weitaus mehr palästi­nensische Vereinigungen, die mit dieser ­Terrororganisation verflochten sind oder Mitglieder haben, die ihr zu­ar­beiten. Viele von ihnen werden von europäischen Regierungen und der EU ­direkt und indirekt finanziell unterstützt. Das ist der israelischen Regierung seit langem ein Dorn im Auge. Dass man bei der Bundesregierung, der Europäischen Union und der Uno diese Tatsachen jedoch offenbar nicht wahrhaben will und die betreffenden NGOs weiterhin für reine Menschenrechtsorganisationen hält, spricht ­Bände.