Imprint: Auszug aus dem Roman »Mit Elfriede durch die Hölle«

Mit Elfriede durch die Hölle

Die zeitgenössische Hölle liegt am Flughafen Schwechat in der Nähe Wiens, wo Himmel und Erde einander berühren. Hier begegnet Katharina Tiwald niemand Geringerem als Elfriede Jelinek. Wie einst Dante auf seiner Reise durch die Unterwelt vom Dichter Vergil geführt wurde, wird die junge Autorin von der Literaturnobelpreisträgerin auf einer Tour durch die Schrecknisse der Gegenwart begleitet. Eine fiktive Begegnung.
Imprint Von

Niemand war mit mir am Flughafen Schwechat. Und »weder das eine noch das andre habe ich erlebt, hab ich ein Glück!« Elfriede Jelinek, »Wut«

Alles ist einmal – Vorgeschichte
Am 14. September 1321 schloss, wie man so schön sagt, Dante Alighieri »die Augen für immer«, er schaut sich also seit 700 Jahren die patate von unten an, er hat den cucchiaio abgegeben, sie haben ihm den Mantel aus Holz angezogen. Riposa in eterno. Dante kennt man, wenn man die Hölle kennt. Oder das Fegefeuer. Vom Paradies ganz zu schweigen. Ich bin mir aber nicht sicher, wer denn eine Ahnung von Hölle, Fegefeuer, Paradies hat; ich habe den Eindruck, man starrt heutzutage auf die eigenen Schuhspitzen, während die Uhr tickt.

Als er Mitte dreißig war, schickte Dante sich selbst auf eine Reise durchs Jenseits, wobei er sich von seinem Idol, dem römischen Dichter Vergil, begleiten ließ, einer Person, der man nur im Jenseits begegnen konnte (die Begegnung in der Dichtung ausgenommen), und nannte das Ganze »Göttliche Komödie«. In Vergils Begleitung besichtigt Dante darin steinerne Abgründe, niedergebrochene Mauern, Sünder, die durch Scheißemeere schwimmen; er begegnet Schemen und Monstern, lässt sich unterwegs von einem Drachen fliegen und macht sich unwissentlich zur Fundgrube und zum Steinbruch der Filmindustrie des 20. Jahrhunderts. Er wandert einen sich windenden Turm hoch bis ins gleißende Licht, am Schluss begegnet er seiner toten ­Geliebten, Beatrice, die ihn bis zu den allerhöchsten Gestaden mitnimmt.

Dorthin, wo Gott wohnt.

Mindestens zwei Erkenntnisse können praktische Gemüter aus der »Göttlichen Komödie« ziehen: erstens, dass es Mumpitz ist, wenn behauptet wird, »die Menschen« hätten im Mittelalter »geglaubt«, dass die Erde »eine Scheibe« sei, und zweitens, dass es schon im ausgehenden 13. Jahrhundert emanzipierte ­Beatrices gab. Zumindest, wenn sie tot waren.

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