In der Demokratischen Republik Kongo steht die Impfkampagne gegen Covid-19 vor vielen Problemen

Eine von vielen Sorgen

Die Demokratische Republik Kongo belegt den vorletzten Platz der Covid-19-Impfweltrangliste. Es fehlt an Impfstoffen und medizinischer Infrastruktur, zudem ist das Misstrauen groß.
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Nur 0,28 Prozent der Bevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo sind vollständig oder teilweise gegen Covid-19 geimpft. Damit liegt der Kongo auf dem vorletzten Platz der Impfweltrangliste, einzig das Nachbarland Burundi steht noch schlechter da. Die extrem geringe Impfquote ist vor allem dem Mangel an Impfstoff geschuldet. Doch selbst an den wenigen Impfdosen, die in der Demokratischen Republik Kongo ankommen, besteht in der Bevölkerung nur mäßiges Interesse. Stattdessen sorgen sich die Menschen über Nebenwirkungen der Impfung und über die Verlässlichkeit der Unternehmen und Institutionen, die den Impfstoff herstellen und transportieren.

Der prominenteste Impfskeptiker war noch im Juli vorigen Jahres Präsident Félix Tshisekedi, der eine Impfung mit dem Mittel des Herstellers Astra-Zeneca ablehnte. Obgleich große Teile der Bevölkerung den Präsidenten ansonsten ablehnen – Tshisekedi war die Präsidentschaft vor drei Jahren unter skandalösen Umständen zugeschanzt worden –, traf er damit den Nerv vieler. Er sagte damals, wegen der internationalen Debatte über die Sicherheit des Präparats von Astra-Zeneca warte er lieber auf einen anderen Impfstoff.

»Viele nehmen die Krankheit nicht ernst«, sagt Michelle Dörlemann, die als internationale Expertin im Gesundheitswesen tätig ist. »Das sind gar nicht unbedingt Impfgegner.«

In der Folge gab der Kongo 1,3 Millionen Impfdosen an andere Länder ab. Inzwischen ist Tshisekedi mit dem Impfstoff von Moderna geimpft worden. Insgesamt stehen aber nach wie vor weniger als eine Million Impfdosen – vor allem von Moderna und Pfizer-Biontech – in dem Land mit schätzungsweise 105 Millionen Einwohnern zur Verfügung. Ob die Impfdosen allerdings vor dem Verfalldatum verimpft werden können, ist unklar.

Die Verwaltung der Provinz Ituri im Nordosten des Landes begann im Dezember eine Impfkampagne mit mageren 5 400 Dosen. Diese werden vor allem in den Krankenhäusern der Provinzhauptstadt Bunia angeboten. Bienvenu Ukec, Mitglied der Menschenrechtsorganisation Justice Plus, hat sich die dortige Situation angesehen. »Als ich im Allgemeinen Krankenhaus war und mit dem Impfpersonal gesprochen habe, kam immerhin ein Arzt vorbei und hat sich impfen lassen. Viel Betrieb war allerdings nicht, obwohl neben ­Pfizer auch Johnson & Johnson und der chinesische Sinovac-Impfstoff ange­boten werden.« Auch Ukec will erst mal abwarten. »Es gibt Zweifel«, sagt er im Gespräch mit der Jungle World, obgleich er die in der Gesellschaft über die Krankheit und die Impfung kursierenden Gerüchte als »Mythen« bezeichnet.

Unfruchtbarkeit und Impotenz gehören zu den befürchteten Nebenwirkungen, die in den sozialen Medien diskutiert werden. Als zur Jahresmitte 2021 viele Soldaten vermutlich an Covid-19 erkrankten und starben, deuteten Teile der Bevölkerung dies nicht als ein Zeichen für die Gefährlichkeit der Krankheit, sondern der Impfung. Ge­rade diese Truppen, vermeldete die Gerüchteküche, seien bereits geimpft worden und den Impffolgen zum Opfer gefallen.

Wie viele Infektionen, schwere Erkrankungen und Tote die Pandemie im Kongo bislang gefordert hat, ist vollkommen unklar. Die offiziellen Zahlen sind mit Sicherheit zu niedrig. Denn per Labor getestet wird nur eine winzige Minderheit im Land, nämlich diejenigen, die eine Flugreise antreten – was sich der allergrößte Teil der Bevölkerung nicht leisten kann. Schnelltests sind zudem bei der Ein- und Ausreise auf dem Landweg notwendig, was mehr Menschen betrifft. Allerdings sind die Kosten von fünf US-Dollar pro Test für viele exorbitant, so dass viele Reisen nun vermutlich vermieden werden oder über die grünen Grenzen stattfinden. Wie verbreitet die Krankheit ist, messen die Menschen im Land eher an den Nachrichten über Beerdigungen in ihrem Umfeld. Mitte des vergangenen Jahres hätten diese stark zugenommen, berichteten verschiedene Quellen der Jungle World. ­Inzwischen habe sich die Situation wieder beruhigt.

»Viele nehmen die Krankheit nicht ernst«, sagt auch Michelle Dörlemann, die von Bukavu am südwestlichen Ufer des Kivusees aus als internationale ­Expertin im Gesundheitswesen tätig ist. »Das sind gar nicht unbedingt Impfgegner.« Gute Aufklärung könne allerdings helfen. Dörlemann spricht von »Kettenreaktionen«: Wenn sich ein Familienmitglied impfen lässt, folgen oft weitere Angehörige. Der Einfluss der Familie wirkt aber auch in die Gegenrichtung. Eine Mitarbeiterin einer internationalen Entwicklungsorganisation in der Hauptstadt Kinshasa berichtet der Jungle World, dass sie einen kongolesischen Mitarbeiter bereits von der Impfung überzeugt hatte.

»Der Familienrat entschied dann aber dagegen und unser Fahrer hielt sich daran.« All diese Eindrücke kommen aber vor allem aus den großen Städten. Wie sich die Situation in den ländlichen Gebieten mit geringster Infrastruktur darstellt, ist vollkommen unbekannt.
Die Menschen haben auch einfach andere Sorgen als Covid-19. Plötzlicher und unerwarteter Tod gehört in dem Land seit langem zum Alltag, weswegen eine gewisse Schicksalsergebenheit verbreitet ist. Zuletzt an Weihnachten führte ein Selbstmordattentat, vermutlich durch die ugandisch-kongolesische Rebellenorganisation Allied ­Democratic Forces, in der Großstadt Beni zu mindestens sechs Toten und mehr als 20 Verletzten. Der Anschlag darf als eine Reaktion auf eine Militäroffensive der ugandischen Armee gelten, die in einer Koalition mit der kongolesischen Armee die ADF zerstören soll. In derselben Region hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den jüngsten Ebola-Ausbruch kurz zuvor für beendet erklärt. Es war der insgesamt 13. Ausbruch der Viruserkrankung, der im Laufe der Jahre mehrere Tausend Kongo­lesen zum Opfer gefallen sind. Erst seit 2018 steht eine wirksame Impfung zur Verfügung.

Anderswo längst besiegte Krankheiten sind im Kongo verbreitet und werden allesamt nur durch ad hoc orga­nisierte Kampagnen statt durch eine verlässliche Gesundheitsversorgung und sanitäre Infrastruktur bekämpft. Ende vorigen Jahres begann die WHO eine Impfkampagne gegen eine Choleraepidemie in drei östlichen Provinzen, die zwei Millionen Menschen erreichen soll. Die Cholera ist eine von Bakterien verursachte klassische Armutskrankheit und tritt vor allem dort auf, wo es an sauberem Trinkwasser fehlt. Betroffen sind auch viele der 5,5 Millionen Binnenvertriebenen, die vor Bürgerkriegsgewalt und Naturkatastrophen geflüchtet sind. Die UN-Hilfsorganisation Ocha schätzt, dass in diesem Jahr ein Viertel der Bevölkerung humanitäre Hilfe zum Überleben benötigen wird.

Covid-19-Impfstoffe werden weiterhin Mangelware bleiben. Mitte 2022 soll zwar im Nachbarland Ruanda eine neue Impfstofffabrik von Biontech die Produktion beginnen, was im zen­tralen Afrika etwas Abhilfe schaffen könnte. Allerdings könnte das große Misstrauen gegen Ruanda, das auf der Besetzung kongolesischer Gebiete durch ruandische Truppen in den neunziger Jahren gründet, auf den in diesem Land produzierten Impfstoff übertragen werden.