Orbán präsentiert Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro als Verbündeten

Brudertreffen in Budapest

Viktor Orbán und der brasilianische Präsident Jair Bolso­naro beschwören ihre enge Zusammenarbeit. Doch wirtschaftlich und politisch hat die Allianz der Nationalisten wenig Substanz.
Kommentar Von

Als »diplomatiegeschichtliches Ereignis« und »besondere Ehre« bezeichnete Viktor Orbán den Besuch des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro in Budapest mitten im Wahlkampf. Bolsonaros Abstecher zu seinem »kleinen, großen Bruder« Ungarn am 17. Februar folgte auf einen Besuch in Moskau am Tag zuvor. Orbán und ­Bolsonaro sehen sich als Brüder im Geiste und Verbündete im Kampf für ein christliches Familienmodell und gegen Migration sowie Frauenrechte. Das Treffen wurde als Auftakt einer zukünftig intensiveren Zusammenarbeit der beiden Staaten präsentiert. Es soll auch um Kooperation auf wirtschaftlicher, militärischer und akademischer Ebene gehen.

Ungarn und Brasilien unterzeichneten 2020 die Geneva Consensus Declaration. Der Pakt spricht sich gegen ein Recht auf Abtreibung aus und möchte diesbezüglichen internationalen Übereinkünften entgegenwirken. Orbán zählt Brasilien und Ungarn außerdem zu einer »Koalition der Nüchternen, die nicht möchten, dass sich die Welt als Ergebnis der Migration verändert«. Daher beschlossen die Staatsoberhäupter bei ihrem Treffen, ihr Vorgehen gegen internationale Migrationsabkommen zu koordinieren und ein »Frühwarnsystem« einzurichten. Ungarn und Brasilien lehnen den UN-Migrationspakt von 2019 ab.

Beide Staatsführer werden zu einem globalen rechten Netzwerk gezählt, das als Projekt des vormaligen US-Präsidentenberaters Steve Bannon und als Bestandteil von Donald Trumps Außenpolitik zu betrachten ist. Seit dessen Ausscheiden aus dem Präsidentenamt gilt Brasilien als Schlüsselnation der sogenannten »nationalistischen Internationale«. Dies verdeutlicht auch die Austragung der US-amerikanischen Conservative Political Action Conference, einer wichtigen Konferenz rechter US-Republikaner, in Brasilien 2021. Im Mai 2022 soll sie in Ungarn stattfinden. Der Präsidentensohn Eduardo Bolsonaro soll dort als einer der Hauptredner auftreten.

Doch handelt es sich bei Ankündigungen solcher Auftritten vor allem um gegenseitige Wahlkampfunterstützung, auch die Verkündung einer engeren Zusammenarbeit zwischen Ungarn und Brasi­lien ist Symbolpolitik sich viril gebender Anführer. Bereits im März 2019 war Eduardo Bolsonaro in seiner Eigenschaft als Ausschussvorsitzender der brasilianischen Abgeordnetenkammer für internationalen Beziehungen zu Besuch bei Orbán. Dort zeigte er sich vom »Umgang mit der Presse ohne politische Korrektheit« positiv beeindruckt. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde großspurig eine Kooperation der beiden Staaten angekündigt, doch handelt es sich mehr um ideologische Gemeinsamkeiten und kleinere Projekte, wie etwa ein akademisches Austauschprogramm, dessen Umfang sich auf exakt 504 brasilianische Studierende an ungarischen Universitäten belaufen soll. Ebenfalls soll der Kauf von zwei Militärtransportflugzeugen »mit Düsenantrieb« aus Brasilien als Beispiel für die militärische Zusammenarbeit herhalten. Das nimmt sich mehr als nur bescheiden aus im Vergleich zu den zwei Milliarden Euro, die Ungarn 2020 für die Bestellung von 218 Panzern bei dem deutschen Unternehmen Rheinmetall vereinbart hat.

Sowohl Orbán als auch Bolsonaro kokettieren mit zur Schau gestellter Nähe zu Wladimir Putin. Um im Februar Bolsonaro zu empfangen, ließ Orbán einen EU-Sondergipfel zur Ukraine-Krise aus­fallen. Bolsonaro seinerseits hatte die Aufforderung der US-Regierung ignoriert, wegen der russischen Aggression gegen die Ukraine die Reise nach Moskau abzusagen. Bolsonaro begründete dies mit für Brasilien wichtigen wirtschaftlichen Verbindungen zu Russland, die er nicht dem politischen Diktat der USA unterordnen wolle. Faktisch gehört Russland jedoch nicht zu den relevanten Handelspartnern Brasiliens. Die Inszenierung nationalistischer Gegenmacht ist vor allem der Versuch zu kaschieren, wie sehr man auf die eigenen westlichen Bündnis- und Handelspartner angewiesen ist.