Small Talk mit Caro Keller von NSU-Watch über den zweiten NSU-Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags

»Es wird öffentlichen Druck brauchen«

Am 11. Mai soll in Bayern der zweite parlamentarische Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex in Bayern seine Arbeit aufnehmen. Die »Jungle World« sprach mit Caro Keller von der antifaschistischen Initiative NSU-Watch über Aufgaben, Chancen und Möglichkeiten des Gremiums.
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Wie ist Ihre Sicht auf den anstehenden NSU-Untersuchungsausschuss?

Es gibt bereits viel Wissen über den NSU-Komplex, aus dem Konsequenzen gezogen werden müssen. Auf der anderen Seite ist sehr viel nicht aufgeklärt worden. Aufklärung hat verschiedene Aspekte: Erzählungen der Betroffenen, antirassistische Analysen, ­antifaschistische und investigative Recherchen sowie die Bemühungen der Nebenklage vor Gericht. Parlamentarische Aufklärung kann auch eine wichtige Säule sein.

Der Untersuchungsausschuss wird auf Antrag der Grünen und der SPD eingerichtet. CSU, Freie Wähler und FDP wollen den Ausschuss unterstützen, haben aber zum Teil Zweifel geäußert, ob das Gremium tatsächlich zur weiteren Aufklärung beitragen kann. Was kann man vom NSU-Untersuchungsausschuss erwarten?

Für uns sind Ausschüsse sinnvoll, wenn sie gut ­vorbereitet sind. Das bedeutet, dass engagierte Abgeordnete und Mitarbeiterinnen ernst nehmen, was Betroffene seit Jahren sagen. Und sie müssen als Grundlage nehmen, was an anderer Stelle schon erarbeitet wurde. Wir erwarten, dass die Ausschussmitglieder ihren Aufklärungsauftrag auch gegen etwaige Widerstände durchsetzen und so neue Puzzlestücke zutage fördern.

NSU-Watch hat den Mammutprozess am Münchner Oberlandesgericht und ähnliche Ausschüsse wie den nun geplanten auf Landes- und Bundesebene begleitet. Welche offenen Fragen gibt es noch?

Die Abgeordneten müssen nun auf den bayerischen Teil des NSU-Netzwerks und auf das bisher unbearbeitete NSU-Rohrbombenattentat in Nürnberg 1999 schauen. Warum begannen die Anschlagsserie und die Mordserie nach dem Abtauchen der NSU in Bayern? Wer zählte in Bayern zum NSU-Netzwerk, wer hat Tatorte recherchiert und das NSU-Kerntrio unterstützt? Welche Informationen lagen dem bayerischen Verfassungsschutz aus Quellen des eigenen Landesamts oder des Bundesamts vor, zum Beispiel von ihren V-Leuten Ralf Marschner oder Stephan Lange, einem Mitglied von »Blood and Honour – Division Deutschland«? In Bayern muss es für einen Untersuchungsausschuss vor Beginn einen Fragenkatalog geben. Zu den offenen Fragen haben Antifaschistinnen und Zivilgesellschaft viel beigesteuert.

Ist damit zu rechnen, dass diese Fragen beantwortet werden?

Hängt davon ab. Geben Verfassungsschutz und ­Innenministerium dem Ausschuss rasch die angefragten Akten? Setzen sich die beteiligten Abgeord­neten und ihre Mitarbeiterinnen engagiert ein und reichen ihre Kapazitäten dafür aus? Ein Beispiel: Der Ausschuss soll sich mit bayerischen Neonazi-Netzwerken wie »Blood and Honour Bayern & Franken« sowie »Combat 18« auseinandersetzen. Das ­bedeutet viele Aktenanforderungen, geheime Akten müssen herabgestuft werden, und schließlich muss das alles auch noch jemand lesen, um Sitzungen vorzubereiten.

Und in einem Jahr muss schon mit dem Abschlussbericht begonnen werden …

Es wird öffentlichen Druck von Antifaschistinnen und Medien brauchen, damit die Abgeordneten jetzt wirklich loslegen und die Behörden sich nicht ­querstellen.