Small Talk mit Simon Bigdely über das Unabhängige Jugendzentrum Kornstraße in Hannover, das seit 50 Jahren besteht

»50 Jahre Spannung«

Das Unabhängige Jugendzentrum Kornstraße (UJZ Korn) in Hannover gilt als eine der ältesten noch bestehenden Einrichtungen dieser Art in Deutschland. Am 15. Juli feiert das Zentrum sein 50jähriges Bestehen. Simon Bigdely vom Organisationskreis der Feierlichkeiten berichtet über Geschichte und Gegenwart der »Korn«.
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Wie ist das UJZ Korn 1972 entstanden?

Im Dezember 1971 besetzte eine Gruppe junger Menschen nach einem Konzert der Band Ton Steine Scherben ein Gebäude, um dort ein unabhängiges Jugendzentrum einzurichten. Zwar wurden sie umgehend geräumt, doch schon ein halbes Jahr später gelang das Vorhaben in der Kornstraße in der Nordstadt. Die »Korn« stand in den Anfangsjahren unter anderem aus finanziellen Gründen wiederholt vor dem Aus. 1982 konnten Leute aus dem Zentrum das Gebäude kaufen. 1988 übernahm es ein Trägerverein, in dessen Besitz es bis heute ist. Schon früh begann auch die Geschichte von sowohl Förderung als auch Repression durch städtische Behörden. Heute gibt es wieder eine Sozialarbeiterstelle in der »Korn«, allerdings mit nur 21 Stunden pro Woche.

Wie sah die jüngere Vergangenheit aus?

2011 konnten wir das Nebengebäude kaufen und unsere Nutzfläche damit auf 600 Quadratmeter verdoppeln. Wir befinden uns in einer andauernden Spannung: Einerseits erhalten wir viel Zuspruch etwa für die »Volxküche«; zweimal wöchentlich werden hier circa 100 Gäste für wenig Geld bekocht. Andererseits erleben wir immer wieder Probleme mit der Polizei. Zuletzt gab es 2016 eine Razzia aufgrund der Zusammenarbeit mit der kurdischen Community. In Hannover wurde 1994 der Aktivist Halim Dener von einem Polizisten erschossen, das wirkt bis heute nach.

Ist der Fortbestand deshalb gefährdet? Oder wird es das UJZ Korn noch weitere 50 Jahre geben?

Wir besitzen nicht nur die Gebäude, die wir nutzen, sondern können auf eine breite Unterstützung zählen, etwa durch monatliche Spenden. So leicht bekommt man uns hier nicht weg. Die CDU und die AfD in Hannover ziehen zwar immer wieder gegen uns zu Felde und möchten den linken Freiraum zerstört wissen, aber wir haben auch viele Fürsprecher in der Politik. Nicht zuletzt ihnen verdanken wir es, dass wir seit 50 Jahren bestehen.

Wie seid ihr organisiert?

Es gibt im Prinzip drei Sparten, die in der »Korn« zusammenfinden: Soziales mit der »Volxküche« und weiteren Bereichen, wo Menschen einfach zusammenkommen; die »Partyline« mit Konzerten, Partys und anderen Veranstaltungen; und natürlich treffen sich hier auch viele politische Gruppen. Alle drei Sparten organisieren sich selbst. Das »Korn«-Plenum kümmert sich dazu um das Alltagsgeschäft: Behörden, Bauen, Finanzen – im Zweifel aber auch einfach Aufräumen.

Gerät dabei der eigene Anspruch auch an Grenzen?

Selbstverwaltung funktioniert im Kleinen. Im Großen brauchen wir aber Leute, die die Koordination stemmen. Wir haben im Jahr schätzungsweise 30 000 Besuche, das Zentrum wird auch überregional genutzt. Viele haben verschiedene Interessen, es ist immer wieder ein Prozess, das zusammenzubekommen. Es gibt Konflikte und wir müssen oft von vorn anfangen. Das Plenum versucht dabei, Menschen ins Gespräch zu bringen.

Wie wird das Jubiläum gefeiert?

Im Mai gab es eine Modenschau mit der besten Szenemode der vergangenen fünf Jahrzehnte. Ende Juni treten passenderweise Ton Steine Scherben bei uns auf. Im Juli und August gibt es eine große Jubiläumsparty mit einer Parade durch die Nordstadt und unser alljährliches Hoffest.