Rabea Kaup von »End Fossil: Occupy!« über die Besetzung eines Hörsaals der Georg-August-Universität Göttingen

»Soziale Transformationen sind notwendig«

Vom 24. Oktober bis zum 28. November besetzten Klimaaktivist:innen den größten Hörsaal der Georg-August-Universität Göttingen. Die Jungle World sprach mit Rabea Kaup von der Göttinger Ortsgruppe von »End Fossil: Occupy!«, die zur Besetzung aufgerufen hatte. Die dezentrale Organisation plant international bis Dezember noch weitere Besetzungen – vor allem in Europa, aber auch in Afrika sowie Nord- und Südamerika.
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Wie bewerten Sie Ihre Hörsaalbesetzung?

Gerade haben wir den besetzten Hörsaal geräumt und reflektieren, was verbessert werden kann, um in die nächste Phase zu gehen. Mit unserer Erfahrung wollen wir die nächsten Besetzungen unterstützen, beispielsweise die geplanten Schulbesetzungen in Göttingen. Wir haben es geschafft, die Diskussion über Verantwortung für das Klima an unserer Universität wiederzubeleben. Unsere Forderungen werden im Universitätssenat diskutiert und zur Abstimmung gestellt. Das Feedback an der Hochschule ist gemischt, aber hauptsächlich positiv. Dozierende und auch einige Studierende, deren Vorlesungen verlegt wurden, zeigten Unmut. Gerade nachts hatten wir Probleme mit rechten Studierenden, die drohten, den Saal zu stürmen, und zudem übergriffiges Verhalten an den Tag legten. Das steht aber in keinem Verhältnis zu dem Zuspruch, den wir von Dozierenden, Studierenden sowie Angestellten der Universität und sogar von Göttinger Schüler:innen erhielten.

Welche Wirkung erhoffen Sie sich von den Besetzungen in Deutschland?

Unsere größte Hoffnung ist, die Handlungsfähigkeit von uns Studierenden zu stärken, statt die Einzelnen mit den derzeitigen ­Krisen und der Klimaangst allein zu lassen. Auch gesamtgesellschaftlich darf es nicht nur um die Abkehr von fossilen Brennstoffen gehen. Soziale Transformationen sind notwendig und müssen eingefordert werden. Wir erhoffen uns auch einen Schulterschluss mit beispielsweise den Gewerkschaften.

Wie hängt Klimagerechtigkeit mit sozialer Gerechtigkeit zusammen?

Wir stecken in der derzeitigen Krise aufgrund kolonialer Strukturen, im Globalen Süden wird ausgebadet, was der Globale Norden ­verursacht. Klimaneutralität der Industriestaaten hilft da nicht. Klimagerechtigkeit kann sinnvoll nur intersektional gedacht werden. Es braucht den Zusammenschluss mit antikolonialen, antikapitalistischen, feministischen und anderen sozialen Kämpfen. Unsere Forderungen wurden in einem großen Bündnis aus Sozialprotesten und verschiedenen lokalen und internationalen Initiativen entwickelt, deren Kämpfe nur gemeinsam erfolgreich sein können.
Mit der Besetzung von Universitäten und Schulen folgen wir einer langen Tradition. Wir müssen uns alle dort positionieren, wo wir uns gerade befinden, und das sind für uns als Studierende und Schüler:innen die Universitäten und Schulen. Deswegen arbeiten wir eng zusammen mit Gruppen wie Fridays for Future und Debt for Climate, unterstützen aber auch lokale Arbeitskämpfe, die etwa Reinigungskräfte unserer Universität derzeit für bessere Arbeits­bedingungen führen. An vielen Fakultäten wird gespart und es werden Gehälter gekürzt. Auch ohne Energiekrise und steigende Lebenshaltungskosten lebt bereits ein Drittel aller Studierenden in Armut. Darauf wollen wir gemeinsam Antworten finden und unsere Handlungsfähigkeit als Studierende zurückgewinnen, nachdem während der Digitalsemester aufgrund der Covid-19-Pandemie viele studentische Strukturen und Organisationsformen weggebrochen sind.