Katar, die Golfstaaten und das internationale Fußballgeschäft

Heimspiel für den Emir

Katar ist ein bedeutender Finanzier des Weltfußballs, weshalb die Fifa der Golfmonarchie keinen Wunsch verwehrt.

Das Herrscherhaus Katars machte im europäischen Fußball erstmals mit dem Einstieg beim FC Barcelona auf sich aufmerksam. Bis zur Saison 2011/12 war »Barça« weltweit der letzte große Club, der ohne kommerzielle Werbung auf dem Trikot auflief. Am 10. Dezember 2010, dem internatio­nalen Tag der Menschenrechte, und nur einige Tage nachdem Katar den Zuschlag für die Fußballweltmeisterschaft 2022 erhalten hatte, gab der FC Barcelona bekannt, dass in der kommenden Saison erstmals ein zahlender Sponsor auf seinem Trikot werben wird: die Stiftung Qatar Foundation.

Kurz zuvor, am 13. Juni 2010, war ­Sandro Rosell Präsident des katalanischen Clubs geworden. Seine Firma ­Bonus Sports Marketing unterhielt seit Jahren geschäftliche Beziehungen im Emirat Katar. Auf den Barça-Trikots prangte bereits 2006 der Schriftzug von Unicef, dem Weltkinderhilfswerk der Vereinten Nationen – ein erster Bruch mit der Tradition, dass auf der Trikotbrust nichts anderes zu stehen habe als das Vereinswappen. Allerdings kas­sierte der FC Barcelona nicht für die Werbung, sondern verpflichtete sich für fünf Jahre zur Zahlung von jährlich 1,5 Millionen Euro an die Organisation.

Seit 2022 wohnt der Fifa-Präsident Gianni Infantino in Katars Hauptstadt Doha.

Der damalige Barça-Präsident Joan Laporta wollte die Katalanen der Finan­cial Times Deutschland zufolge als »Modell des Guten in der Fußballwelt« ­vermarkten. Der Unicef-Deal, so Laporta, sei gleich in zweifacher Hinsicht historisch: »Zum einen tragen wir zum ersten Mal Werbung auf unserem Trikot. Zum zweiten zeigt diese Vereinbarung, dass wir in Sachen Solidarität weltweit der führende Verein sind.« Kritiker warnten damals, dass diese Werbung als Einfallstor für kommerzielle Partner dienen könnte. Fünf Jahre ­später nahm dann die katarische Stiftung, die auch als Geldgeber der Hamas gilt, die Barça-Brust in Beschlag, nach 111 Jahren ohne kommerzielle ­Trikotwerbung. Der damals größte Trikotdeal in der Geschichte des Fußballs bracht dem FC 165 Millionen Euro ein.

Die Qatar Investment Authority (QIA) zählt zu den weltweit größten Staatsfonds und ist in Europa aktiv, insbesondere in Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Sie besitzt in Deutschland Anteile an Volkswagen, Siemens, Hapag-Lloyd, der Deutschen Bank und seit kurzem auch am Energiekonzern RWE. 2011 sicherte sich die Tochtergesellschaft Qatar Sports Investment (QSI) 70 Prozent der Anteile von Paris Saint-Germain (PSG), ein Jahr später übernahm sie den Fußballclub komplett. PSG war erst 1970 von einem Konsortium von Geschäftsleuten und Pariser Prominenten gegründet worden, um den nationalen Fußball Frankreichs um einen starken Hauptstadtclub zu bereichern. Der Aufstieg von PSG aus dem Nichts gilt als Musterbeispiel für den wachsenden Einfluss von Investoren und Sponsoring im Fußball. Die enge »Verstrickung zwischen französischem und katarischem Kapital« habe die Übernahme durch QSI begünstigt, schreibt der Autor Glenn Jäger in seinem Buch »In den Sand ­gesetzt«.

Präsident von QSI war zu dieser Zeit Tamim bin Hamad al-Thani, der Sohn des damaligen Emirs Hamad bin Khalifa al-Thani, der seit 2013 als dessen Nachfolger selbst Staatsoberhaupt von Katar ist. Den Kauf des Clubs hatte der französische Staatspräsident und PSG-Fan Nicolas Sarkozy eingefädelt. Ein gemeinsames Essen von Michel Platini, Sarkozy und al-Thani sowie die darauffolgende WM-Vergabe an Katar, für die sich Platini, damals Präsident des eu­ropäischen Fußballverband Uefa, einsetzte, wurden zum Gegenstand von Korruptionsermittlungen. Platini verlor seinen Posten, wurde aber vor ­Gericht freigesprochen.

Präsident von PSG wurde der Geschäftsmann Nasser al-Khelaifi, ehemaliger Tennisprofi und Mitglied des Uefa-Exekutivkomitees sowie Vorsitzender der Fußballlobby European Club Association (ECA). Hamad al-Thani ernannte ihn, seinen alten Tennispartner, zum Minister ohne Amt. Zur Saison 2017/18 wurde der brasilianische Superstar Neymar da Silva Santos Júnior für 222 Millionen Euro bei Barça losgeeist, auch Frankreichs Topstürmer Kylian Mbappé wechselte für 180 Millionen Ablöse zu PSG. Der Club hatte damit die beiden bislang teuersten Spieler aller Zeiten unter Vertrag.

Der internationale Spitzenfußball hängt am Tropf von Ländern, deren Reichtum auf der Förderung von fossilen Brennstoffen basiert: Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, bis zum Ukraine-Krieg auch Russland mit seinem halbstaatlichen Energieun­ternehmen Gazprom und seit der Übernahme des Premier-League-Clubs Newcastle United auch Saudi-Arabien. Die Fans in Newcastle feierten im ­Oktober vorigen Jahres die Übernahme ihres Vereins durch den saudischen Staatsfonds Public Investment Fund – ein halbes Jahr später ließ das Regime an einem einzigen Tag 81 Menschen hinrichten.

In der Saison 2019/20 wurden in der Champions League vier der acht Viertelfinalisten von Golfstaaten gesponsert, neben PSG auch Manchester City, Olym­pique Lyon und der FC Bayern (FCB). Bei Manchester City hält die private Beteiligungsgesellschaft Abu Dhabi United Group Investment & Development Limited 86,2 Prozent der Anteile, die Trikotwerbung wird von Etihad Airways aus den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) bezahlt.

Anfang Mai 2017 griff Qatar Airways der von Affären zermürbten und diskreditierten Fifa unter die Arme. Als andere Sponsoren kündigten, wurde sie die offizielle Partner-Airline. Der Weltfußballverband und WM-Organisator Fifa hatte 2010 in einem von Korrup­tion geprägten Verfahren die WM an Katar vergeben. Seit 2022 wohnt der ­Fifa-Präsident Gianni Infantino in Katars Hauptstadt Doha. Vor dem Finalspiel der europäischen Champions League 2020, PSG gegen FCB, schrieb die Nachrichtenagentur Sport-Infor­mations-Dienst: »Irgendwo am Persischen Golf knallen vermutlich noch immer die Rosenwasser-Korken. Bayern München gegen Paris Saint-Germain, zwei vom Emirat alimentierte Vereine im Finale des wichtigsten Club-Wettbewerbs der Erde – kann es etwas Schöneres geben?«

Qatar Airways prophezeite auf Twitter: »Die Welt wird stillstehen«, versehen mit dem Hashtag #Qlassico, in Anlehnung an den Clásico, das Traditionsspiel zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid. In den sozialen Me­dien sahen viele die Paarung kritischer. FCB gegen PSG sei ein Spiel der »offenen Meisterschaften von Katar«. Der Fan habe die Wahl zwischen »ein bisschen Katar«, Bayern, und »viel Katar«, Paris, lautete der Tenor.

Katar ist wirtschaftspolitisch ein global player und ein bedeutender Investor in Europa. Die Investitionen Katars und anderer Golfstaaten »dienen nicht nur der Konsolidierung der Macht der Herrschaftseliten in diesen Ländern, sondern der kontinuierlichen Steigerung ihres Einflusses auf politische Entscheidungen in Deutschland und Europa«, schreiben Jan Busse und René Wildangel in ihrem dieses Jahr erschienenen Buch »Das rebellische Spiel – Die Macht des Fußballs im Nahen Osten und die WM in Katar«. Zuletzt enthüllte das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) eine gigantische Geheimdienstoperation des Emirats Namens »Projekt Gnadenlos«. Die Spionagefirma Global Risk Advisors spähte im Auftrag Katars Kritiker des Turniers aus, mit dem Ziel, diese zu denunzieren.