Cat Power spielte in London Lieder von Bob Dylan

Noch einmal mit Gefühl

Cat Power hat in London ein komplettes Konzert von Bob Dylan erneut auf die Bühne gebracht.

Als die Londoner Royal Albert Hall im März 1871 eröffnet wurde, regierte Königin Victoria und Großbritannien befand sich auf dem Höhepunkt seiner kolonialen Macht. Aufgrund des exzessiven Halls, der der repräsentativ-opulenten Architektur geschuldet war, soll der Dirigent geäußert haben, dass jedem Werk, das an diesem Ort gespielt würde, eine zweite Aufführung automatisch garantiert sei. Als hätte sie diese Prognose wörtlich verstanden, spielte Cat Power am 5. November im Rahmen ihrer Tour genau dort das berühmte »Royal Albert Hall 1966 Concert« von Bob Dylan Song für Song nach.

Dabei fand die jahrzehntelang fälschlich so betitelte Aufnahme bekanntermaßen gar nicht in London, sondern im Zentrum der working class, in Manchester, statt und markierte den einschneidenden Moment der Musikgeschichte, als Bob Dylan – damals Posterboy der »woken« Jugendkultur – mit den Er­wartungen seines Publikums brach. Statt politisch eindeutige Protestlieder auf der akustischen Gitarre gab es nun umständlich-kryptische musikalische Gedichte, die noch dazu nicht mehr als minimalistischer Folk, sondern mit Band und ­E-Gitarre, dem verpönten Symbol kommerzieller Mainstream-Kultur, vorgetragen wurden. Dylan erntete lautstarken Protest seitens des Publikums und galt auf einen Schlag als Verräter der proletarischen Sache.

Wie würde sich also die Sängerin Chan Marshall, die sich auf Instagram oft auch politisch zu Wort meldet, diesem aufge­ladenen Stück Musikgeschichte also nähern? Einer ihrer Ankündigungen für das Konzert hatte sie den Hashtag #bonfirenight hinzugefügt, eine Anspielung auf die am 5. November in England begangene »Guy Fawkes Night«, die an einen vereitelten Anschlag auf König und Parlament im 17. Jahrhundert erinnert – wobei der Versuch wie dessen Scheitern gefeiert wird.

Während an diesem Abend in der Royal Albert Hall, deren viele Gänge und Bars mit in Gold gerahmten Bildern von working-class heroes wie Oasis geschmückt sind und in der die Lichteffekte der Scheinwerfer oft an eine Militärparade denken lassen, sich Besucher:innen darüber unterhalten, wie sie das letzte Mal hier beim »Queen’s Birthday« waren, und irgendwo in einer Loge die Skandalnudel und Künstlerin Tracey Emin, Mitglied des Order of the British Empire, Platz genommen hat, bekommt man das Gefühl, jeden Moment könnte es Union Jacks von der Decke regnen.

Marshall entschied sich für Werktreue und wählte subtile Zeichen, um in dieser komplexen Situation zu bestehen. Mehrmals trank sie demonstrativ aus einer Teetasse, aus der sicht­­bar das weiße Etikett eines Teebeutels hing – also ein builder’s tea und für zivilisierte Briten eigentlich ein No-Go. Genauso ging sie an diesem Abend auch an die Interpretation der Lieder: Das einzig klassische waren hier die schwarzen Notenpulte für die Texte. Ansonsten schwangen die Blues-Einflüsse ihrer Südstaaten-Herkunft immer deutlich mit. Mehrfach steigerte sie die Intimität durch Abbruch einzelner Songs und begann nach wie privat wirkenden Gesprächen mit dem Gitarristen nochmal von Neuem, oft viel leiser.

Die wohl beste Ahnung davon, was für eine magische Situation man damals 1966 erlebt haben muss, bekam man durch das kurze Set des charismatischen Sängers und Models Arsun Sorrenti im Vorprogramm, der der Ausstrahlung des jungen Bob Dylan in nichts nachsteht.