Kuba steht dem iranischen Regime zur Seite

Verführte Jugend

Kubanische Medien folgen der Darstellung des iranischen Regimes über den Aufstand. Hinter den Ereignissen stünden ausländische Kräfte wie George Soros, der Mossad und die CIA, die das iranische Regime destabilisieren wollen.

»Verkleidet als Feminismus« griffen derzeit ausländische Mächte, namentlich die USA und Israel beziehungs­weise, George Soros »Religion und Sitten« des Iran an und versuchten so, die Islamische Republik zu destabilisieren. Das schreibt Yadira Cruz Valera, Chefredakteurin des Ressorts Afrika und Mittlerer Osten der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina über den Aufstand im Iran. Die Proteste gingen demnach auf eine »inten­sive Kampagne der transnationalen Kommunikationsmedien« zurück, die Falschinformationen über die Todes­ursache Mahsa Aminis verbreiteten und so »Angriffe auf die Polizei, Vandalismus und andere gewalttätige Aktionen« provozierten. Cruz übernimmt die offizielle Version des iranischen Regimes zu Aminis Tod, der als Spätfolge einer Gehirntumoroperation einge­treten sei. Die 22jährige sei »für die inkorrekte Benutzung des Hijab« aufs Kommissariat mitgenommen worden, um dort »Unterricht in Kleidungs­vorschiften zu erhalten, bis sie ohne ersichtlichen Grund ohnmächtig wurde«, so die Redakteurin weiter. Statt einer Kritik an der misogynen Zwangsverschleierung belehrt Prensa Latina die Leserschaft darüber, dass »der Schleier für Frauen in dem Land obligatorisch ist«, es sich demnach also um ein rein juristisch zu beurteilendes, tatsächliches Fehlverhalten des späteren Todesopfers Amini handelte, das zu ihrer Verhaftung geführt habe. Ohnehin sei die Einordnung der Aufstände als feministische Revolution ein Euphemismus, so Cruz.

Auch Kuba hat im vorigen Jahr eine Welle systemkritischer Proteste erlebt, die maßgeblich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen getragen wurde.

Iroel Sánchez, Autor auch für den deutschen Nachrichtenkanal Amerika 21, bestreitet auf der Seite al-Mayadeen, die dem iranischen Regime und der Hizbollah nahesteht, ebenfalls ein Fremdeinwirken bei Aminis Tod und bezeichnet den Protest als aus den USA gesteuert. Das scheint die offizielle kubanische Version der Ereignisse zu sein, und auch die Zeitung Juventud Rebelde der kubanischen Jugendorganisation Unión de Jóvenes Comunistas (UJC) ist sich nicht zu schade, die Ereignisse so wiederzugeben. Über die Entführung der französischen Gewerkschafter Cécile Kohler und Jacques Paris durch das islamische Regime berichten die jungen Kommunisten darüber hinaus als Festnahme ausländischer Spione. Am 30. November informierte Prensa ­Latina ferner über die Verhängung der Todesstrafe für Hussein Ordujanzade, Shahin Imani Mahmudabad, Milad Ashrafi Arbatan und Manouchehr Shahbandi Boyandi »für die Zusammenarbeit mit dem zionistischen israelischen Regime und Entführung«. Die Angeklagten hätten nach Informationen einer Quelle »eine kriminelle Vorgeschichte« und würden »die Sicherheit des Iran im Tausch gegen Geld unterminieren«, rechtfertigt die Nachrichtenagentur das Urteil. Die Nachricht über ihre Hinrichtung brachte Iran International am 4. Dezember.

Die Todesstrafe ist auch in Kuba für bestimmte, unter anderem auch politisch motivierte Straftaten vorgesehen, auch wenn das letzte Todesurteil 2003 vollstreckt worden ist und seitdem alle Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt wurden. Auch Kuba hat 2019 und verstärkt 2021 eine Welle systemkritischer Proteste erlebt, die maßgeblich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen getragen wurde. Die Niederschlagung der Aufstände ging mit erheblicher staatlicher Gewalt einher, auch in Kuba wurden reihenweise junge Menschen und auch Minderjährige verhaftet und ohne rechtsstaatliche Grund­lage festgehalten und teils zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt. Die Regierung warf ihnen die Nutzung der sozialen Medien vor, die sie zu Agenten oder Werkzeugen ausländischer Mächte mache, so der Tenor. In diesem Sinne und mit all seinem Antiamerikanismus und Antisemitismus kann durchaus von einer ähnlich gelagerten Feindbestimmung des iranischen und des ­kubanischen Regimes gesprochen werden. Zwar klärt in Kuba fast jede zweite staatliche Plakatwand über häusliche Gewalt gegen Frauen auf, Frauen sind spätestens seit der Revolution selbstverständlich in allen Bereichen der Gesellschaft, der Politik, der Öffentlichkeit, der Arbeitswelt vertreten und können ihre Rechte ausüben; in Hinblick auf reproduktive Selbstbestimmung von Frauen ist Kuba vielen westlichen Ländern voraus. Doch das frauenverachtende Regime im Iran und explizit die Unterdrückung von Frauen in ­diesem Maße werden von kubanischen Staatsmedien gerechtfertigt.