Der albanische Oppositionspolitiker Sali Berisha wurde ins Gesicht geschlagen

Blaues Auge

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Der albanische Ministerpräsident Edi Rama hat einen Dauerwidersacher: den 78jährigen Oppositionsführer Sali Berisha, der seit dem Sturz des stalinistischen ­Regimes aus dem politischen Geschehen des Landes nicht wegzudenken ist. Am Rande des Westbalkan-Gipfels der EU, der vergangene Woche in der albanischen Hauptstadt Tirana stattfand, hat Berisha sich ein blaues Auge zugezogen. Um gegen die Korruption der Regierung Ramas zu protestieren, rief die Opposi­tion zu einer Demonstration auf, an der auch Berisha teilnahm. Dort drang ein 31jähriger in die Menge und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Sichtlich lädiert hielt Berisha im Anschluss seine Rede. »Nieder mit den Kriminellen! Wir werden siegen«, rief er. Der Hintergrund der Attacke ist umstritten. Während ­Berisha behauptete, dass es sich bei dem Angreifer um einen von Rama beauftragten kriminellen Polizeibeamten handele, schlossen dies die Polizei sowie die Mutter des Angreifers aus und deuteten psychische Probleme als Ursache an.

Berishas politische Karriere begann 1990, als Studenten in Tirana für eine Öffnung des völlig abgeschotteten Landes demonstrierten. Berisha war damals als Professor tätig und schloss sich den studentischen Forderungen an. Dank seines Vaters, der als Bergbauer zum Parteifunktionär aufstieg, wurden Berisha einige Privilegien zuteil: Nach einem Medizinstudium in Tirana spezialisierte er sich in Paris zum Kardiologen, später behandelte er Mitglieder des Politbüros und gehörte zum Ärzteteam des Diktators Enver Hoxha. Das Vertrauen, das ihm die Führung schenkte, machte er sich zunutze. Er schlug sich zwar auf die Seite der Studenten, bekundete jedoch dem damaligen Staatspräsidenten Ramiz Alia seine Loyalität. Als die Unruhen zum Fall des Regimes führten, war Berisha 1990 an der Gründung der Demokratischen Partei Albaniens beteiligt. 1992 wurde er zum Staatspräsidenten gewählt. Seine Amtszeit endete 1997 im Zuge des sogenannten Lotterieaufstands: Wegen Finanzbetrügereien verloren viele Albaner ihr Vermögen, das Land versank in bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

Auch als Berisha von 2005 bis 2013 Ministerpräsident war, gab es immer wieder Proteste wegen Wahlfälschung und Korruption. 2021 erklärten ihn die USA zur persona non grata. Seitdem dürfen er und seine Familie nicht mehr einreisen. Das US-Außenministerium schrieb, er habe seine Position dazu genutzt, sich persönlich sowie seine politischen Gefährten zu bereichern.