Das Verhältnis zu den Verhältniswörtern ist nicht ungetrübt

Socken im Angesicht des Krieges

Das letzte Wort. Präpositionen für Denkfaule haben Konjunktur.
Das letzte Wort Von

Normung bewirkt zumeist Nützliches: Wie praktisch etwa, dass es bei Schraublampen nur zwei gebräuch­liche Typen von Fassungen gibt. Die Aufgabe der Lampenfassung allerdings ist auch schlicht: Entweder sie ermöglicht elektrischen Kontakt oder sie tut es nicht. Tertium non datur.

Was in der Sprache der Aufgabe der Fassung gleichkommt, erweist sich hingegen als deutlich komplizierter. Präpositionen stellen hier die Kontakte her, zwischen Objekten wie zwischen Subjekten: Es ist ein Riesenunterschied, ob ich etwas zu jemandem oder von jemandem bringe. Deshalb erfordert es der Gebrauch von Präpositionen, sich klar darüber zu werden, welche Verhältnisse sie ausdrücken sollen. Wohl deshalb bringen diese kleinen Wörter all jene in die Bredouille, die gerne raunen, also Dinge in Zusammenhang setzen wollen, ohne sich genauer über die Art des Zusammenhangs zu äußern.

Das mag die Konjunktur einer Universalpräposition des Unbestimmten erklären: gegenüber. Sie ist viel vager als Präpositionen, die klare Richtungen benennen, wie gegen, auf oder in; »gegenüber« wirkt statisch, trennt die beiden sprachlich verbundenen Glieder zugleich dem Sinn nach: Was ist das für eine Freundschaft, Liebe, Abscheu, ­Verachtung et cetera, die man eben nicht zu, für, gegen etwas oder jemand empfindet? »Gegenüber« ­ermöglicht es, ein starkes Wort folgenlos zu benutzen, denn dessen Bezugsobjekt steht ja eben nur »gegenüber«, bleibt unberührt.

Noch schlimmer nehmen sich bürokratische Synonyme für »gegenüber« aus: »Bezüglich« beispielsweise, ein fürchterliches Wort, das eine ­Beziehung behauptet, ohne sie selbst auszuweisen – es ist eben viel un­verbindlicher als kausale Präpositionen wie »wegen« oder »weil«, die verlangen, dass man tatsächlich begründet. Will man allerdings den Gipfel der Beliebigkeit erklimmen, so gebrauche man: angesichts. Klingt schön gewichtig, ist nie verkehrt und deshalb nie richtig. Denn angesichts des Kriegs kann man alles tun oder auch lassen, seine Kinder ausschimpfen, Socken stricken oder Gesetze beschließen. Ja, »angesichts« haucht sogar mathematischen ­Größen Eigenleben ein: Mittlerweile können Reallöhne angesichts der Inflation sinken, wie man liest.