Zeit der Monster
Warum hat das Monster das Mädchen ermordet? Und warum wurde das Monster getötet? Nach einem Kinobesuch im dörflichen Gemeindesaal ist die Welt der kleinen Ana nicht mehr dieselbe. Die Begegnung mit dem aus Leichenteilen kreierten Wesen aus James Whales Horrorfilm »Frankenstein« hat dem fünfjährigen Kind Türen ins Unbekannte aufgestoßen. Die ältere Schwester verbreitet flüsternd widersprüchliche Nachrichten. Erstens: Im Kino sei alles nur gespielt, das Mädchen lebe noch, ebenso wie Frankenstein. Zweitens: Das Monster wohne in einem leerstehenden Gehöft, sei ein Geist und in der Lage, jede erdenkliche Gestalt anzunehmen. – Diese Szene stammt aus Victor Erices Spielfilm »Der Geist des Bienenstocks« (1973). Angesiedelt im kastilischen Hochland kurz nach dem Spanischen Bürgerkrieg, erzählt er von Kindheitsängsten, Wissensdurst und dem Verlust vermeintlicher Gewissheiten. Andeutungen, rätselhafte Zeichen und eine unheimlich aufgeladene Atmosphäre geben der kindlichen Empfindungswelt in den Grauzonen zwischen Wirklichkeit und Imagination Ausdruck.
Durch die offene Auslegung des Themas stellt die Retrospektive eher ungewollt auch ein Genre in Frage, das sich allzu oft vorgefertigter Dramaturgien bedient und die adoleszente Krise mit erzieherischen Botschaften bändigt.
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