»Succession« und das Ende der Erfolgsgeschichte

Endkampf im Haifischbecken

In der vierten und letzten Staffel der Serie eskaliert der Medienmogul und Familienpatriarch Roy Logan den Streit um seine Nachfolge.

In Hollywood und der Streaming-Welt gibt es nicht allzu viele Kreative, die selbständig über das Ende einer Produktion entscheiden dürfen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass das Management bei ausbleibendem Erfolg die Reißleine zieht und eine Show frühzeitig beendet. Der Serienmacher Jesse Armstrong ist einer der wenigen in der Entertainment-Branche, die über das Schicksal einer ihrer Kreationen selbst verfügen.

Er ist der kreative Kopf hinter »Succession«, einer der meistbesprochenen und beim Publikum beliebtesten Serien der Gegenwart. Sie handelt von der Familie des fiesen Medienunternehmers Logan Roy, verkörpert vom Schauspieler Brian Cox, der im Vereinigten Königreich durch seine vielen Shakespeare-Rollen am Theater bekannt wurde. Als Armstrong, der für die Produktion und manche der Drehbücher verantwortlich zeichnet, im vergangenen Jahr verkündete, dass nach der vierten Staffel endgültig Schluss sei, war der Aufruhr unter Fans groß, ebenso die Verwunderung in der Filmbranche. Wie konnte jemand so verrückt sein, diese Erfolgsgeschichte freiwillig zu beenden?

Dabei ist der Schritt, »Succession« mit der vierten Season einzustellen, nur konsequent und auch ein bisschen überfällig. Dringt doch die eigentliche Prämisse der Show längst auf Erfüllung: endlich einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für den Fürsten des Medienimperiums Way­star Royco – so der Name des fiktiven Konzerns in der Serie – zu finden.

Im launischen, brüllenden und immerfort intrigierenden Firmenboss Logan Roy vollendet und persifliert sich die kapitalistische Verherrlichung des allseits bewunderten Selfmade-Milliardärs.

Die allererste Episode von »Succession« handelte vom 80. Geburtstag des Firmenchefs und notorischen Widerlings Logan Roy und dessen Suche nach einem Nachfolger. Als die Serie 2018 noch mitten in der Präsidentschaft Donald Trumps ihre Premiere feierte, schien sie wie schon so manche Produktion des Pay-TV-Senders HBO den Zeitgeist perfekt zu treffen.

Der perfide Manipulator Roy, vor dem die Angestellten ebenso zittern wie seine Familienangehörigen, erschien vielen als eine Art Seelenverwandter des herrischen Anführers im Weißen Haus. Unter dessen sadistischen Kapriolen litt vor allem jener Teil des Landes, der den Republikaner nicht gewählt hatte. Bei der Serie »Succession«, die dem Wahnsinn in gesteigerter Form eine Bühne gab, schaute nun Woche für Woche jenes liberale US-Milieu zu, von dem man eigentlich annehmen durfte, dass es sich eskapistischeren Sehgewohnheiten hingeben würde.

Doch Jesse Armstrongs satirische Fernseherzählung schien einen ausgeprägten Realitätshunger im Land und auf der ganzen Welt zu bedienen. Wem tagsüber die Shitshow der Trump-Präsidentschaft nicht genug war, konnte sich hier nach Feierabend mit der Fortsetzung die Kante geben – so zumindest eine Betrachtungsweise. Eine andere wäre, dass die gekonnt zwischen Comedy und Drama-Elementen oszillierende Serie die Wahrheit über die gesellschaft­lichen Verhältnisse darstellte, wie es Leitartikel und Kommentare in Zeitungen und Nachrichtensendungen nicht vermochten.

Im launischen, brüllenden und immerfort intrigierenden Firmenboss Logan Roy vollendet und persifliert sich die kapitalistische Verherrlichung des allseits bewunderten Selfmade-Milliardärs. Die anderen können sich anstrengen, wie sie wollen – am Ende gewinnt nur einer und vermehrt seinen Reichtum – Logan Roy.

So gründlich ausgeträumt war der Amerikanische Traum nur selten. Es gibt in »Succession« keine sentimentalen Schutzräume der Liebe und zwischenmenschlichen Zuneigung, die Hollywood sonst allzu gerne inszeniert. Sämtliche Verhältnisse sind hier von kaltem wirtschaftlichem Kalkül durchdrungen.

Bei den Roy-Sprösslingen Shiv (Sarah Snook), Kendall (Jeremy Strong), Roman (Kieran Culkin) und Connor (Alan Ruck), die brutal um die Nachfolge ihres Über-Daddys kämpfen, werden die daraus resultierenden seelischen Deformationen offenbar. Anstatt ihre grausame  Kon­ditionierung zu durchbrechen, sind sie dazu verdammt, ihre psychologischen Bewältigungsstrategien immer wieder aufs Neue zu reproduzieren.

Es sind die hartnäckigen Muster von traumatisierten Kindern, wie sie hochmanipulative Eltern hervorbringen, die den Roy-Sprösslingen psychisches Elend, aber ökonomischen Erfolg bescheren. Die Folgen der verqueren Logik, der Liebe zu den Kindern Ausdruck zu verleihen, indem man sie brutal auf die Härten des (­Erwerbs-)Lebens vorbereitet, werden an den vier Nachkommen dargestellt.

Zum seltsamen Reiz der Serie »Succession« trägt unter anderem auch bei, dass sie sich gar nicht erst um irgendein Bullshit-Narrativ bemüht, das die gesellschaftlichen Verhältnisse verklärt und zu einer Versöhnung mit ihnen anhalten könnte. Für den Kitsch des hard-working American, den so manche Fernsehproduktion zelebriert, hat »Succession« nur das sardonisch-unfrohe Lachen seiner Haifischbeckenbewohner übrig. »Die meisten Dinge existieren nicht. Die Ford Motor Company existiert kaum. Es ist nur ein zeitsparender Ausdruck für eine Sammlung von finanziellen Interessen«, heißt es an einer Stelle aus dem Mund von Logan Roy.

Das Geschäftsfeld der Roys ist aber nicht irgendeine verarbeitende Industrie oder das Finanzwesen, zumindest nicht direkt, sondern die Medienbranche. Waystar Royco ist ein milliardenschweres Imperium rund um die Uhr ausgestrahlter Prinzipienlosigkeit, getreu dem Motto, das seit einiger Zeit dem Eigentümer von Fox News, Rupert Murdoch, zugeschrieben wird: »It is not red or blue, it is green.«

Gemeint sind hier Rot und Blau als Parteifarben von Republikanern respektive Demokraten sowie das Grün der Dollarnoten. So wie Fox ist auch Waystar bereit, noch den abseitigsten Debatten und schrillsten Positionen Sendezeit zu geben, solange nur die Quote stimmt.

Die Bilder der Superjachten, Privatjets und gläsernen Apartments in den oberen Etagen von Manhattans Wolkenkratzern, in denen die Roys ihr Luxusdasein fristen, lassen eigentlich nur einen Schluss zu: Es läuft alles bestens für das florierende Medienimperium. Wären da nicht zwei Kleinigkeiten. Erstens: das Diktat der Marktanteile. Es reicht heut­zutage längst nicht mehr, einfach ein erfolgreiches Unternehmen zu führen, der Markt verlangt totale Dominanz.

Hier droht den Roys die Konkurrenz der IT-Branche mit all den verheißungsvollen digitalen Ablenkungen für alltagsmüde Nutzer. Und zweitens: Die Roys mögen zwar Bewunderung bei ihren Business-Buddys und Populisten genießen, aber die Snobs der New Yorker Intellektuellenszene, vor allem die linken Medienleute mit ihren progressiven Marotten, haben für den Roy-Clan nichts als Verachtung übrig.

Es gibt in »Succession« keine sentimentalen Schutzräume der Liebe und zwischenmenschlichen Zuneigung, die Hollywood sonst allzu gerne inszeniert. Sämtliche Verhältnisse sind hier von kaltem wirtschaftlichem Kalkül durchdrungen.

Um deren Anerkennung zu erlangen, tun sich in der vierten Staffel »Succession« sogar die notorisch zerstrittenen Geschwister Kendall, Shiv und Roman zusammen, die nach einem Zerwürfnis mit ihrem Vater den Ruf der Familie aufpolieren möchten. Ihr Ziel ist, einen profilierten Medien- und IT-Riesen mit Niveau zu gründen. »The Economist meets Masterclass meets The New Yorker meets Substack«, umreißt Roman hochtrabend das Projekt.

Beim Bieterwettkampf um die fiktive liberale Medienmarke Pierce kommt es zwischen den Erben und ihrem Vater zu einem frühen Showdown ganz in der Tradition der Serie und ihrer ­typischen Stilmittel: dramatisierte Verhandlungssequenzen, brillant pointierte Dialoge und versammelte Gemeinheiten, die in ihrer Niedertracht nur den abgefuckten Roy-Hirnen entspringen können.

Den großen Auftritt aber hat natürlich von der ersten Episode an Logan. Er spricht mittlerweile von seinen Kindern nur noch als »den Ratten«. Von seiner eigenen Geburtstagsfeier schleicht er sich davon, um allein im Restaurant zu sitzen. Zumindest fast allein: Im Schlepptau hat er seinen Bodyguard Colin Stiles (Scott Nicholson). Der Alte kommt dabei ins Räsonieren über Gott und die Welt, die Menschen und den Markt. Herrlich, mit welch ungerührter Miene der in sich ruhende Security-Mann die Großspurigkeit des Alten quittiert. Und auch der Darsteller Brian Cox trumpft auf, wenn er zu einem ­Monolog ansetzt, der ihn erneut in Shakespeare’sche Gefilde trägt.

Es geht um das Leben, das sich dem Ende zuneigt, den Tod und ob ein Leben nach diesem möglich ist. Colin ist sich nicht sicher. Logan auch nicht, setzt dann jedoch nach: »But I’ve got my fucking suspicions.« In der vierten und finalen Staffel »Succes­sion« scheinen viele große Fragen ungeklärt. Eines aber steht fest, in der Welt des Big Business ist auf Dauer niemand unersetzlich, nicht einmal ein Logan Roy.

»Succession«, Staffel vier, kann auf Sky Media gestreamt werden.