Richard David Precht gibt den Realpolitiker mit populistischem Touch

Inbrunst und Werte

Der »Fernsehphilosoph« wurde mit einer Tirade gegen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auffällig.
Was kümmert mich der Dax Von

Man stellt sich Philosophen oft als stille, menschenscheue Denker vor, doch im antiken Griechenland ­lagen Philosophie und Marktschreierei nahe beieinander. Bereits damals kam es auf gute Werbung an, denn es galt, ein zahlungskräftiges Publikum anzuziehen. Entscheidend dafür waren in der Regel nicht die Lehren, für die einige Philosophen später berühmt wurden, vielmehr erwartete der Nachwuchs der Oberschicht von ihnen eine solide Ausbildung in Rhetorik für den politischen Machtkampf.

Man sollte Richard David Precht daher nicht vorwerfen, dass er ein »Fernsehphilosoph« sei. Denken könnte er ja trotzdem. Da das ZDF ihn aus Gebühreneinnahmen bezahlt und man beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen so schnell nicht gefeuert wird, ­könnte er sogar auch mal etwas Kluges oder Unbequemes sagen. Darauf verzichtet er konsequent, vielmehr gibt er den Realpolitiker mit populistischem Touch – und fühlt sich offenbar, obwohl er einen Traumjob ergattert hat, unterbewertet.

Man sollte Richard David Precht nicht vorwerfen, dass er ein »Fernsehphilosoph« sei. Denken könnte er ja trotzdem.

Anders ist seine Tirade über »diese gerade mal über 40jährige junge Frau, die in ihrem Leben noch nichts geleistet hat« – gemeint ist Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) – kaum zu erklären. Sein Podcast mit Markus Lanz vom 21. April zeigt, dass man bei aller gebotenen Kritik an Baerbock froh sein sollte, dass sie in der Außenpolitik mehr zu sagen hat als Precht. Lanz und er tauschen ein paar Anekdoten über Indien aus, dann versteigt Precht sich zu der Aussage, Indien und China seien »zwei buddhistisch geprägte Länder, in Indien kommt ja noch der Hinduismus hinzu, der ja eigentlich aus Persien kommt«. Mag man über eine historische Prägung noch streiten, so ist doch eindeutig der Budd­his­mus aus dem Hinduismus hervorge­gangen, und der kam nicht aus Persien.

Aber darauf kommt es gar nicht an. ­Wichtig ist, dass diese Leute irgendwie ganz anders sind und ­deshalb mit »westlichen Werten« nicht behelligt werden sollten, da es, so Precht, »ganz viele Länder gibt, die diese Werte gar nicht haben wollen«, nicht zuletzt China. Deshalb findet er es unerträglich, »dass jemand mit dieser moralischen Inbrunst einer Klassensprecherin einer Weltmacht, einer Kulturnation versucht zu erklären, was westliche Werte sind«. Ein wenig Nachholbedarf hat Precht allerdings auch, denn es war ja nicht »ein Unfall, dass diese Frau ­Außenministerin geworden ist«, wie er sagte, sondern die Folge einer demokratischen Mehrheits­entscheidung.

»Solange wir in Deutschland wirtschaftlich erfolgreich sind, nehmen uns die Chinesen mit allem Drum und Dran ernst«, meint Precht, Nun könnte man so ehrlich sein, die Nation als Beutegemeinschaft zu konstituieren, und sagen: Wir wollen Geschäfte machen, alles andere ist uns egal. Da gemeine Deutsche sich aber auch als Angehörige einer Kulturnation erachten, wünschen sie für Geschäfte mit Diktaturen eine pseudointellektuelle Rechtfer­tigung zu hören. Die zu liefern, ist das, was Precht im Leben leistet.