Eine Kritik an Annalena Baerbocks Vorstellung von »feministischer Außenpolitik«

Dialog mit den Patriarchen

Außenministerin Annalena Baerbock hat bei ihrem Amtsantritt eine »feministische Außenpolitik« angekündigt. Die Beispiele Iran und Afghanistan zeigen, dass das ein leeres Versprechen ist.

Ein guter Slogan ist in der Politik manchmal schon die halbe Miete. Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat kurz nach ihrem Amtsantritt Ende vergangenen Jahres angekündigt, eine feministische Außenpolitik zu entwickeln. Diese soll den Schwerpunkt auf die Rechte von Frauen und Mädchen legen. Wenn die Hälfte der Bevölkerung nicht gleichberechtigt beteiligt, repräsentiert oder bezahlt werde, sei eine Demokratie nicht vollendet, mahnte Baerbock im Bundestag.

Das klingt selbstverständlich nicht schlecht. Die Frage ist jedoch, was genau sich hinter diesem Konzept verbirgt und bei welchen Staaten dieses auch tatsächlich angewendet wird. Das Auswärtige Amt hat angekündigt, das in den kommenden Monaten mit der Hilfe von Expertinnen und Vertretern aus der Zivilgesellschaft zu klären. Auf der Website des Auswärtigen Amts gibt es bisher nur eine grobe Orientierung. Es gehe um Grundprinzipien, die in der Formel »3R+D« zusammengefasst werden: die drei R (Repräsentanz, Rechte und Ressourcen) wurden vom Vorbild Schweden übernommen, in Deutschland kam das »D« für Diversität hinzu.

Das Beispiel Afghanistan zeigt, dass eine feministische Außen­politik nicht eine grundsätzlich demilitarisierte Politik sein kann, wie es oft gefordert wird.

Es stellt sich insbesondere die Frage, was eine feministische Außenpolitik bei Gesellschaften erreichen kann, in denen die Ungleichheit der Geschlechter offizielle Regierungspolitik ist. Dies ist zum Beispiel in der Islamischen Republik Iran der Fall. Dort ist die Unterdrückung von Frauen festgeschrieben. Die Verfassung legt sie auf die Mutterrolle fest und stellt ihre Rechte unter den Vorbehalt »islamischer Kriterien«, das Rechtssystem benachteiligt sie systematisch. Im Erbrecht, bei Entschädigungszahlungen oder Zeugenaussagen vor Gericht zählen Frauen nur halb so viel wie Männer. Die Zwangsverschleierung ist das zentrale Symbol dieser ungleichen Ordnung der Geschlechter.

Die Bundesregierung hat für eine menschenrechtsorientierte Außenpolitik gegenüber dem Iran eigentlich die Unterstützung einer breiten Mehrheit im Bundestag. Ein Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen trug im Juni vorigen Jahres den Titel: »Menschenrechte ins Zentrum der Iranpolitik stellen«. Darin hieß es, die »menschenrechtliche Situation« müsse »bei der Ausgestaltung unserer Beziehungen zu Iran immer mitgedacht« werden. Doch von einer Anpassung der Außenpolitik ist bislang nichts zu merken. Noch immer dominiert der Versuch, im Dialog mit dem Mullah-Regime das Atomabkommen JCPOA zu reaktivieren. Offenbar ist dabei laute Kritik an der Verletzung der Frauenrechte unerwünscht. Dass die feministische Solidarität Vorrang hätte vor dem Dialog mit den Schlächtern in Teheran, ist nicht zu erkennen.

Schweden bekannte sich 2014 als erstes Land zu einer feministischen Außenpolitik. Dort kann man schon länger sehen, wie groß die Diskrepanz zwischen dem Anspruch einer feministischen Außenpolitik und der Regierungspraxis ist. Im Februar 2017 reiste eine Delegation unter Leitung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven in die Islamische Repu­blik Iran und unterschrieb dort eine Reihe von Handelsvereinbarungen. Elf Mitglieder der 15köpfigen Delegation waren Frauen, sie alle trugen bei den offiziellen Terminen Kopftuch, darunter die ebenfalls sozialdemokratische Handelsministerin Ann Linde. Die prominente iranische Aktivistin Masih Alinejad empörte sich damals über Bilder der verschleierten schwedischen Politikerinnen. Seit 2014 dokumentiert Alinejad den Kampf der iranischen Frauen gegen den Schleierzwang in sozialen Medien. Den schwedischen Politikerinnen warf sie vor, mit der Unterwerfung unter die frauenfeindlichen Regeln dem Kampf der iranischen Frauen in den Rücken zu fallen.

Hierzulande hat noch kein Außenminister das iranische System der Gender-Apartheid offen kritisiert. Dabei sind es diese grundlegenden Rechtsfragen, die darüber entscheiden, ob sich die Situation der Frauen im Iran ändern kann. Am Beispiel der Islamischen Republik Iran zeigt sich, dass die drei R – Repräsentanz, Rechte, Ressourcen – keineswegs gleichgewichtig sind: Die rechtliche Gleichstellung ist ausschlaggebend. Fehlt diese, kann auch in den anderen Feldern nichts erreicht werden. Im Iran gibt es verhältnismäßig viele Akademikerinnen, mehr als 60 Prozent der Studierenden sind weiblich. Die gute Ausbildung spiegelt sich aber nicht in entsprechenden ökonomischen Chancen. Insgesamt belegte Iran im jüngsten Global Gender Gap Report des World Economic Forum Platz 150 von 156.

Den letzten Platz belegt Afghanistan. Seit die Taliban im vergangenen August die Macht übernommen haben, drängen sie Frauen mit brutaler Ge­walt aus dem öffentlichen, sozialen und politischen Leben heraus. Sie bedrohen, verhaften, misshandeln und töten Frauen, die sich zuvor für Frauen- und Menschenrechte engagiert hatten.

Das Beispiel Afghanistan zeigt, dass eine feministische Außenpolitik nicht eine grundsätzlich demilitarisierte Politik sein kann, wie es oft gefordert wird. Es war der Abzug der Nato-Truppen, der die afghanischen Frauen der Gewaltherrschaft der Taliban vollkommen schutzlos ausgeliefert hat. Afghanische Frauenrechtlerinnen verlangen, dass die Taliban nicht legitimiert werden, und fordern Druck aus dem Ausland, um die Bildung einer inklusiven Regierung zu ermöglichen, an der auch andere gesellschaftliche Kräfte beteiligt wären.

Noch gibt es in westlichen Staaten einen Konsens, die Taliban-Regierung nicht anzuerkennen, aber dieser beginnt bereits zu bröckeln. Die deutsche Bundesregierung wie auch andere Staaten pflegen seit der Machtübernahme der Taliban informelle Arbeitskontakte. Die Hoffnung der afghanischen Frauen, dass sich die westlichen Staaten – zumal die, die sich zu einer feministischen Außenpolitik verpflichtet haben – ernsthaft dafür einsetzen, eine inklusive Regierung zu bilden, dürfte wohl ein Wunschtraum bleiben.

Das gilt leider ebenso für die Rettung vieler Frauenrechtlerinnen, die in Afghanistan in Verstecken ausharren und um ihr Leben fürchten. Noch hoffen viele, das Land verlassen zu können. Auf eine Chance, nach Deutschland zu kommen, können aber die wenigsten zählen. Bisher plant die Bundesregierung, nur 20 000 Menschen aus Afghanistan aufzunehmen, vor allem sogenannte Ortskräfte. Der Koalitionsvertrag sieht zwar ein humanitäres Aufnahmeprogramm für Afghanistan vor, doch ein solches liegt immer noch nicht vor.