Hitze und Dürre im Nordirak

Das Zweistromland trocknet aus

Der Irak leidet seit Jahren unter immer häufigeren Hitzewellen, Staubstürmen und Dürre. Verschlimmert wird die Misere im Nordirak durch Wohlstandswachstum und chaotische Bautätigkeiten.

Suleymaniah. Irgendwie gleichen sie sich doch, solche Gärten, ob sie nun im kurdischen Nordirak oder in Deutschland liegen. Da gibt es eine Hollywoodschaukel und auf der Veranda wird gegrillt. Hübsch dekoriert hängen unter dem Vordach die Andenken an frühere Zeiten, ein Pflug, eine schartige Sichel, eine rissige Schafshaut, in der man früher Wasser transportierte. Ein Unterschied in der Deko ist dann doch die Panzermine, die am Blumengitter hängt, und die 120mm-Mörsergranate, in der eine getrocknete Blume steckt. Was die Umgebung eben so an Erinnerungsstücken hergibt. Wie Karwan Raouf, der stolze Gärtner, erklärt, ist die rechte Hälfte des Bergs im Hintergrund des Gartens besser zu meiden, da sei früher einmal ein Militärlager der Soldaten Saddam Husseins gewesen, den Minen dort oben sei noch vor ein paar Jahren ein Schäfer aus dem Dorf zum Opfer gefallen.

Das Dorf, aus dem Karwans Familie stammt und wo er nun seinen Wochenendgarten liebevoll pflegt, liegt nahe der kurdischen Metropole Suleymaniah, die seit der Jahrtausendwende unglaublich gewachsen ist. Hochhaussiedlungen wechseln sich an den Ausfallstraßen ab mit gated communities voller immer gleichartiger Villen, dazwischen locken Shopping Malls. Vor knapp über 30 Jahren, als sich Saddams Husseins Truppen aus den kurdischen Gebieten zurückziehen mussten, war die Landschaft rund um Suleymaniah, wo es damals nur ein einziges Hochhaus gab, eine leergeräumte Todeszone, in der der Aufenthalt bei Todessstrafe verboten und die Dörfer systematisch zerstört worden waren. Auch in Karwans Dorf ist kein Haus älter als 30 Jahre.

War es erst Saddam Hussein, der die Menschen vertrieben hat, ist es nun die Hitze. Es wird seit Jahren immer heißer und trockener, auch im Winter gab es nun schon Staubstürme statt Schnee und das Wasser wird knapp. In Gegenden wie dem schon immer sehr heißen Germian, südwestlich von Suleymaniah, wo die Berge Hügeln weichen und das Tiefland mit den Flüssen Euphrat und Tigris schon nahe ist, gehen immer mehr Menschen aus den Dörfern weg.

Die UN zählt den Irak an fünfter Stelle in der Reihe der Länder, die am meisten von schwindenden Wasservorräten, Rückgang der Landwirtschaft und extremen Temperaturen bedroht sind.

Auch Karwan, der Gärtner, kennt die Probleme: Sein kleiner Brunnen liefert nicht genügend Wasser für den ganzen Garten. Die Trockenheit des rissigen Bodens ist nun im Frühsommer bereits offensichtlich. Die Granatapfelbäume haben nur wenige ihrer roten Blüten, er wird es nun in einem Teil des Gartens mit Pistazienbäumen versuchen, die brauchen weniger Wasser. Tomaten anzubauen ist wegen ihres Gießbedarfs schon unmöglich, nur zwei Pflanzen in einem Kübel im Halbschatten gönnt er sich doch. Früher, sagt Karwan, hatten sie hier beim Dorf einen dichten Wald voller Schlangen, durch den man kaum durchgekommen sei. Es gab noch einen kräftig rauschenden Bach.

Die UN zählen den Irak an fünfter Stelle in der Reihe der Länder, die am meisten von schwindenden Wasservorräten, Rückgang der Landwirtschaft und extremen Temperaturen bedroht sind. Die Zumutungen der hohen Temperaturen sind dabei kaum vorstellbar. Selbst in den kühleren kurdischen Bergen in Suleymaniah steigt das Thermometer im Juni nun regelmäßig auf 40 Grad Celsius und es ist noch gar nicht Hochsommer. In den Tiefebenen und vor allem im Südirak ist es nun die 50-Grad-Marke, die die immer längeren extremen Hitzeperioden markiert. In Basra ganz im Süden wurden mittlerweile als Spitzenwert 54 Grad gemessen. Euphrat und Tigris, die mit ihren Zuflüssen 98 Prozent des irakischen Oberflächenwassers liefern, haben in den vergangenen 40 Jahren 30 bis 40 Prozent ihres Wasservolumens verloren.

Der Irak ist jedoch auch ein prägnantes Beispiel dafür, wie die Diskussion über Folgen des Klimawandels mit ihrer Fixierung auf Messdaten und Grenzwerte viel zu einseitig geführt wird. Mit dem Klima verhält es sich nicht wie mit einer Heizung, die man einfach nur herunterdrehen müsste, die Folgen eines sich verändernden Klimas treffen immer auf gesellschaftliche und politische Faktoren: Bevölkerungszahl, Umgang mit Ressourcen, Energieverbrauch, politische Rivalitäten. Die Nachbarländer Iran und Türkei stauen Euphrat und Tigris und deren Zuflüsse und zweigen selbst immer mehr Wasser ab.

Überhaupt leben in der ökologisch schon immer sehr sensiblen Region nun auch viel mehr Menschen als früher, die insbesondere im Nordirak seit der Jahrtausendwende auch einen starken Anstieg des Wohlstands- und Konsumniveaus erlebt haben. Die staatlichen Instanzen aber haben ihre Verwaltungsleistung nicht wirklich verbessert. Alle die schönen neuen Hochhäuser ließen sich ohne richtige Kanalisation und Kläranlagen viel günstiger bauen, und die riesigen Anlagen voller sich wie Ein dem anderen gleichender weißer Villen mit Säulenvorbau lassen sich praktischerweise mit dezentralen Dieselkraftwerken versorgen, die wie riesige Motoren im ganzen Land herumstehen. Irgendjemand hatte vor ein paar Jahren auch die Eingebung, Bushaltestellen in kurdischen Städten aufzustellen – nur dass es in den Städten gar keinen öffentlichen Nahverkehr gibt. Für Herrn Karwans Garten sieht es nicht gut aus.