In Ecuador ist der Unternehmer Daniel Noboa zum Präsidenten gewählt worden

Weitere Abkehr vom Correísmo

In Ecuador hat der Unternehmer Daniel Noboa die Präsidentschafts­wahl gewonnen. Das Land hat große Probleme mit Armut, Korruption und organisierter Kriminalität.

Daniel Noboa gab sich, als sein Wahlsieg feststand, in einem ersten Kommentar bereits staatsmännisch: »Morgen werden wir anfangen zu arbeiten für ein Land, das von Korruption, Gewalt und Hass erschüttert ist«, sagte der 35jährige am Sonntagabend an seinem Wohnort Santa Elena. Zu dem Zeitpunkt lag Noboa als Kandidat des Parteibündnisses Acción Democrática Nacional (Nationale Demokratische Aktion, ADN) nach Auszählung von rund 96 Prozent der Stimmen der Stichwahl bereits uneinholbar vor seiner Konkurrentin Luisa González von der sozialdemokratischen Partei Revolución Ciudadana (Bürgerrevolution, RC). Sie hatte lange in den Umfragen geführt, bekam letztlich aber nur 47,9 Prozent der Stimmen und gratulierte Noboa zu seinem Wahlsieg mit 52,1 Prozent.

Noboa wird als bisher jüngster Präsident in die Geschichte Ecuadors eingehen. Sein Mandat wird allerdings bereits im Mai 2025 enden, da er lediglich die verbleibende Amtsperiode des scheidenden Präsidenten Guillermo Lasso abschließen wird. Der hatte den Kongress im Mai dieses Jahres während ­eines Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn aufgelöst und vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ausgerufen. Die erste Wahlrunde fand im August während eines von Lasso ausgerufenen Ausnahmezustands statt.

Noboa ist der älteste Sohn des Milliardärs und Magnaten der Bananenindus­trie, Álvaro Noboa, der sich selbst fünfmal um das Präsidentenamt beworben hatte. Knapp 18 Monate hat der an Elite­universitäten in den USA ausgebildete Manager und Unternehmer nun, um Reformen zu initiieren – zu wenig Zeit, um die gravierenden Probleme Ecuadors wie sich ausbreitende Armut, ökonomische Krise und die wachsende Macht der Drogenkartelle grundlegend anzugehen. Daher habe er längst die Präsidentschaftswahl 2025 im Blick, vermutet Alberto Acosta, ehemaliger Vorsitzender der Verfassunggebenden Versammlung: »Allerdings befürchte ich, dass Daniel Noboa den notwendigen ökonomischen Wandel, weg von der Ressourcenausbeutung und hin zu mehr Nachhaltigkeit, für den die Mehrheit der Ecuadoriane­r:in­nen am 20. August stimmte, nicht einleiten wird«, sagte Acosta der Jungle World.

Er bezieht sich auf ein Referendum, bei dem die Mehrheit der rund 13,4 Millionen Wahlberechtigten für ein Ende der Erdölförderung im Yasuní-Nationalpark im Amazonasgebiet gestimmt hatte, eine der artenreichsten Regionen der Erde. In einem zweiten Referendum stimmten die Bürger im Großraum Quito gegen den Abbau von Gold und Kupfer im Chocó Andino, einem sensiblen Hochlandbiosphärenreservat im Nordwesten der Hauptstadt. »Daniel Noboa hat sich im Wahlkampf jedoch für den industriellen Bergbau ausgesprochen«, bemerkt Acosta.

Auch Luisa González wollte daran festhalten. Die Politik ihrer Partei »Bürgerrevolution« wird weiterhin vom ehemaligen Präsidenten Rafael Correa (2007–2017) geprägt, der wegen Korruption verurteilt wurde und mittlerweile im belgischen Exil lebt. González hatte Correa immer wieder als ihren wichtigsten Berater bezeichnet. Sie ist zwar in den vergangenen Wochen auf etwas mehr Distanz zu ihm gegangen, doch könnte die enge Verbindung zu Correa der Anwältin und alleinerziehenden Mutter den Wahlsieg gekostet haben.

Eine große Rolle könnte auch die Aussage eines Zeugen gespielt haben, die wenige Tage vor dem Wahltermin für Schlagzeilen sorgte. Demnach sei der Mord am investigativen Journalisten und Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio nach einer Wahlkampfveranstaltung in Quito am 9. August aus dem Umfeld Correas oder gar direkt von diesem selbst in Auftrag gegeben worden (Jungle World 33/2023). Villavicencio hatte im hochkorrupten Bereich der Erdölförderung Ecuadors recherchiert und einen Tag vor seinem Tod Anzeigen wegen Korruption gegen Correa und mehrere ehemalige Minister gestellt sowie zahlreiche Beweise vorgelegt.

Von dem korrupten System Correas haben viele Ecuadorianer:innen die Nase voll, während andere den von ihm geformten Sozialstaat loben. Den haben allerdings seine Nachfolger längst geschleift, was zur Verarmung eines großen Teils der Bevölkerung, zu Auswanderung und zur Ausbreitung der organisierten Kriminalität beigetragen hat. So ist Ecuador zu einem der unsichersten Länder Lateinamerikas geworden: Mit mehr als 7 000 Morden allein in diesem Jahr rechnet die Beobachtungsstelle Organisierte Kriminalität. Dem will der designierte Präsident Noboa mit mehr Mitteln für die Polizei und die Armee begegnen.

Ob das reicht, bezweifeln Experten wie der Sozialwissenschaftler Fernando Carrión von der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften in Quito. Er verweist auf den hohen Grad an Korruption in der Polizei und im Justizvollzugssystem. Strukturelle Reformen seien nötig. Konzepte ist Noboa, der im Parlament keine Mehrheit hat – sein Parteienbündnis ADN erhielt nur 14,52 Prozent der Stimmen –, im Wahlkampf schuldig geblieben. Gleichwohl tritt der sich als »moderaten Sozialdemokraten« bezeichnende Wirtschaftsliberale für mehr Sozialausgaben, Umweltschutz und Frauenrechte ein. Zudem verspricht er »mehr Arbeitsplätze, Sicherheit, öffentliche Gesundheit und öffentliche Bildung«. Wie er das finanzieren will, ist unklar, denn Ecuador ist hochverschuldet und auf Unterstützung durch den Internationalen Währungsfonds angewiesen. Die Herausforderungen für Noboa könnten kaum größer sein.