Beschäftigte von Tesla haben sich zur IG Metall bekannt

IG Metall geht rein

Der Elektroautokonzern Tesla versucht einiges, um gewerkschaftliche Organisation zu verhindern. In der Tesla-Fabrik in Brandenburg haben sich über 1.000 Beschäftigte jetzt zur IG Metall bekannt.

Auf den ersten Blick wirkt die Aktion nicht besonders radikal: Am 9. Oktober brachten mehr als 1.000 der mittlerweile über 10.000 Beschäftigten der Tesla-Fabrik im brandenburgischen Grünheide während der Arbeitszeit einen Aufkleber auf ihrer Arbeitskleidung an. »Gemeinsam für sichere und gerechte Arbeit bei Tesla« war darauf zu lesen. Ergänzt war der Schriftzug durch das Logo der IG Metall. Dieses Bekenntnis der Beschäftigten zur Gewerkschaft war ein wichtiger Schritt in einer sich verschärfenden Auseinandersetzung zwischen dem Unternehmen und der IG Metall.

Teslas Konzernleiter Elon Musk ist bekannt für seine gewerkschaftsfeindliche Haltung. So wurden zum Beispiel in einem Tesla-Werk in Buffalo im US-Bundesstaat New York Anfang des Jahres Beschäftigte, die versuchten, dort eine Gewerkschaft aufzubauen, umstandslos entlassen. Mitarbeiter:innen berichteten außerdem, dass der Leistungsdruck stark erhöht worden sei und sogar die Zahl der Tastenanschläge auf den Computern überwacht werde. Einige Beschäftigte trauten sich nicht mal mehr, eine Toilettenpause zu machen.

Solche Methoden wendet der Konzern auch in dem im März 2022 eröffneten Werk in Grünheide an. Nicht nur, dass dort der Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie nicht gilt. Die Unternehmensleitung übt nach Medienberichten Druck auf Beschäftigte aus, sich nicht gewerkschaftlich zu organisieren. Nachdem im Juli Aufkleber der IG Metall auf dem Betriebsgelände aufgetaucht waren, drohte Tesla in einem Schreiben an die ganze Belegschaft mit disziplinarischen Maßnahmen, »die bis zum Aussprechen einer außerordentlichen Kündigung reichen können«.

Wer verdächtig sei, gewerkschaftlich aktiv zu sein, berichten Gewerkschafter, riskiere, unter einem Vorwand gekündigt zu werden. »Deswegen haben sich die Beschäftigten für diese besondere Aktionsform (die Aufkleber; Anm. d. Red.) entschieden, um vom Schutz der vielen zu profitieren«, erklärte Markus Sievers, Pressesprecher des IG-Metall-Bezirkes Berlin-Brandenburg-Sachsen der Jungle World.

»Die Produktionsziele dominieren absolut, wenn Personalmangel herrscht, werden diese nicht angepasst, das führt zu enormen Druck auf die Beschäftigten.« Markus Sievers, Pressesprecher IG Metall

Dass im Zentrum der gewerkschaftlichen Forderungen das Thema Arbeitssicherheit steht, hat gewichtige Gründe. Ende September berichtete das Magazin Stern, dass sich in dem Werk Arbeitsunfälle häuften, fast täglich komme es zu Zwischenfällen. Im Verhältnis zur Beschäftigtenzahl habe es im Jahr nach Eröffnung des Werkes dreimal so viele Notfälle wie im Audi-Werk im bayerischen Ingolstadt gegeben.

Sievers erklärt die Häufung an Unfällen aus dem Bemühen des Unternehmens, um jeden Preis in hoher Stückzahl Fahrzeuge zu fertigen: »Die Produktionsziele dominieren absolut, wenn Personalmangel herrscht, werden diese nicht angepasst, das führt zu enormen Druck auf die Beschäftigten.« Tatsächlich gebe es Krankenstände von 30 Prozent und mehr, berichtete die »Tagesschau«. Tesla bezog zu diesen Vorwürfen auf Anfrage der Jungle World keine Stellung.

Aus der Recherche des Stern geht zudem hervor, dass Tesla Angestellte, die häufig krankgeschrieben sind, unter Druck setze. Demnach droht das Unternehmen den Mitarbeiter:innen, kein Gehalt mehr zu zahlen, wenn diese ihre ärztlichen Diagnosen nicht offenlegen.

Die Protestaktion Anfang Oktober war dementsprechend kein spontanes Aufbegehren. Für die IG Metall ist der Versuch, die Beschäftigten des Werkes zu organisieren, von strategischer Wichtigkeit. Immerhin handele es sich hier um die deutsche Autoindustrie. »Das ist unser Kerngeschäft, da für gute Arbeitsverhältnisse zu sorgen«, kommentiert Sievers. Tatsächlich entsteht mit der Tesla-Fabrik und eventuell sich in Zukunft in der Nähe ansiedelnden Zulieferern ein völlig neues Industriezentrum, das den traditionellen Zentren der ­Automobilindustrie Konkurrenz machen soll.

Gelänge es Tesla, den Umstieg auf den Elektroantrieb in der Automobilproduktion mit einem Zurückdrängen gewerkschaftlichen Einflusses zu verbinden, wäre das eine existentielle Bedrohung für die IG Metall. Aus diesem Grund bemüht sie sich sehr intensiv um die Beschäftigten. Das ist nicht leicht, ist die Belegschaft des Werkes doch bunt zusammengewürfelt und kann auf keine Geschichte gemeinsamer Kämpfe zurückgreifen. Ostdeutsche treffen hier auf Pol:innen, Nachfahren Westberliner Gastarbei­ter:innen auf vor kurzem nach Deutschland ­migrierte Menschen. Mit einer mehrsprachigen Website, vor allem aber mit einer Beratungsstelle am Bahnhof Fangschleuse, über den viele der Beschäftigten zur Arbeit anreisen, versucht die Gewerkschaft, Kontakt zu den Arbeiter:innen aufzunehmen.

Gemeinsame niedrigschwellige ­Aktionen sind wichtig, um dadurch neugewonnene Mitglieder an gewerkschaftliche Kampfformen heranzuführen und ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl zu wecken. Ein nächstes Etappenziel sind die Betriebsratswahlen im nächsten Jahr, für Sievers ein »ganz wichtiges strategisches Datum«. Die erste Betriebsratswahl fand 2022 vor der eigentlichen Produktionsaufnahme statt, als weniger als 3.000 Menschen in dem Werk ­arbeiteten, unter denen leitende Mitar­beiter:innen, mittleres Management und Ingenieur:innen dominierten.

Der damals gewählte Betriebsrat gilt als der Firmenleitung nahestehend. Da der Betriebsrat ein Mitspracherecht bei Kündigungen hat, würde die Wahl eines konfliktfreudigeren Betriebsrats die Organisierungsmöglichkeiten der Gewerkschaft bei Tesla deutlich verbessern. Diesen Bemühungen begegnet Tesla jedoch nicht nur mit Druck. Am 11. Oktober verkündete das Unternehmen eine Lohnerhöhung für die Beschäftigten in Grünheide, wohl um die Unzufriedenheit zu mindern.