Der Handtaschenskandal um die südkoreanische First Lady

Der große Dior-Skandal

Die südkoreanische First Lady Kim Keon-hee hat eine Luxus­hand­tasche als Geschenk angenommen. Das führt zu Zerwürfnissen in der Regierung und erinnert an Korruptionsprobleme im Land.

Seoul. Wieder einmal gerät eine südkoreanische Regierung ins Wanken, wieder einmal wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit. Dieses Mal löste die First Lady Kim Keon-hee den Skandal aus, als sie eine Tasche der Edelmarke Dior im Wert von über 2.000 Euro als Geschenk annahm. Der Vorfall, von einigen Medien als »Dior-Taschenskandal« bezeichnet, droht nicht nur das Ansehen von Präsident Yoon Suk-yeol zu beschädigen, sondern könnte auch die Chancen seiner konservativen People Power Party (PPP) bei den bevorstehenden Parlamentswahlen im April verringern.

Die Wirren begannen, als im November der linksgerichtete Youtube-Kanal Voice of Seoul News ein mittels einer in eine Armbanduhr eingebauten Kamera heimlich aufgenommenes Video veröffentlichte. Es zeigt, wie Kim Keon-hee vom koreanisch-US-amerikanischen Pastor Abraham Choi die Handtasche überreicht bekommt. Zuvor ist Choi, der die Armbanduhr mit der Kamera trägt, zu sehen, wie er zu einem Christian-Dior-Geschäft geht, um eine Handtasche zu kaufen, und anschließend den Kassenbon als Beweis für den hohen Preis der Luxusware zeigt. Mit der Tasche betritt Choi das Büro einer Firma in Seoul, die der First Lady gehört. Diese äußert zwar auf Koreanisch: »Mach das nicht weiter«, und: »Kaufe nie etwas so Teures«, macht aber keine großen Anstalten, das Geschenk abzulehnen, das anschließend neben ihr auf einem Tisch zu sehen ist.

Pastor Choi, der den Skandal auslöste, ist bekannt für seine Reisen nach Nordkorea und tritt für eine Appeasement-Politik gegenüber Kim Jong-uns Diktatur ein.

Pastor Choi ist bekannt für seine Reisen nach Nordkorea und tritt für eine Appeasement-Politik gegenüber Kim Jong-uns Diktatur ein mit dem Ziel einer Wiedervereinigung der beiden Koreas. Der konservative Präsident Yoon hingegen vertritt eine härtere Abschreckungspolitik und sucht die strategische Nähe zur Schutzmacht USA, weswegen Choi ursprünglich zu diesem Thema eine Audienz bei der Präsidentengattin erhalten wollte. Nach einem ersten Treffen sei er jedoch seiner eigenen Darstellung nach zu dem Urteil gekommen, dass sie ihre Macht missbrauche, indem sie »alle Systeme im Präsidialamt privatisiere und monopolisiere«, und wollte mit dem heimlich gefilmten Video darauf aufmerksam machen. Teure Geschenke seien, so Choi, »Eintrittskarten« für Treffen mit der First Lady gewesen.

Dies wirft Fragen auf, da Choi durch seine Bekanntschaft mit dem Vater der Präsidentengattin ohnehin Kontakt zu dieser hätte finden können. Außerdem verfügt Kim über ein Vermögen von etwa fünf Millionen Euro; in dem Land mit den weltweit höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Luxusgüter dürfte ihr eine Dior-Tasche nicht besonders wichtig sein. Entsprechend versuchten Abgeordnete der Regierungspartei zunächst zu beschwichtigen und sagten, die Videoaufnahme sei eine bewusst gestellte Falle, die wenig über die Bestechlichkeit des Präsidenten und seiner Frau aussage.

Die öffentliche Aufmerksamkeit in Südkorea scheint sich allerdings immer mehr auf Kims Verhalten und nicht auf die verdeckte Kameraaufnahme zu richten. Einer Umfrage eines koreanischen Fernsehsenders zufolge denken 53 Prozent der Befragten, die First Lady habe unangemessen gehandelt, indem sie die Tasche annahm. 69 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass der Präsident sich zu dem Vorfall äußern müsse.

Das Präsidialamt ließ bislang allerdings weder eine Stellungnahme zu dem Vorfall noch eine Entschuldigung verlauten, sondern verkündete nur, die Tasche sei im Namen des Staats angenommen worden und werde nun in einem öffentlichen Lagerraum verwahrt. Dieses beharrliche Schweigen des Präsidenten sorgt jedoch in der Regierungspartei für Unmut, in der viele Abgeordnete um ihr Abschneiden bei der anstehenden Parlamentswahl am 10. April fürchten. Man könne den Skandal nicht einfach ignorieren, sagte beispielsweise der Abgeordnete Ahn Cheol-soo und wies auf negative Auswirkungen auf die Wählergunst hin. Unter denen, die eine Entschuldigung des Präsidenten beziehungsweise seiner Frau fordern, stach Kim Kyung-yul, ein Mitglied der derzeit interimistisch amtierenden Parteiführung, hervor, der die Präsidentengattin mit Marie Antoinette verglich.

Einen Höhepunkt erreichte der parteiinterne Zwist schließlich, als der derzeitige Vorsitzende und frühere Justizminister Han Dong-hoon eine vorsichtige Kritik am Präsidenten anbrachte, indem er den »Dior-Taschenskandal« als eine Angelegenheit »von öffentlichem Interesse« bezeichnete. Er gilt als Hoffnungsträger im anstehenden Wahlkampf des konservativen Lagers, da er als in der Bevölkerung beliebt gilt – ganz im Gegensatz zu Präsident Yoon, dessen Zustimmungsrate mittlerweile auf 32 Prozent gefallen ist. Dieser hatte seinem einstigen Protegé Han nach dessen Äußerung den Rücktritt nahegelegt, was Han ablehnte.

Park Geun-hyes Vater, der diktatorisch regierende Präsident Park Chung-hee, hatte in den sechziger Jahren ein System der Korruption geschaffen.

Auch wenn die Wogen zwischen den beiden sich nun wieder zu glätten scheinen, ist der Schaden für die Partei des Präsidenten groß. So hat der Skandal um die Luxustasche das Interesse am gegen die First Lady gerichteten Verdacht der Steuerhinterziehung sowie der Manipulation von Aktienkursen vor etwa zwölf Jahren wieder geweckt. Das von der oppositionellen Demokratischen Partei kontrollierte Parlament stimmte vorigen Monat dafür, einen Sonderermittler für das Thema zu ernennen, was Yoon jedoch mit seinem Veto verhinderte, wobei er den Parlamentsbeschluss für politisch motiviert erklärte.

Korruption ist in der südkoreanischen Politik ein heikles Thema. Nach der Einschätzung von Transparency International belegte das Land im vorigen Jahr lediglich Platz 32 von 180 im weltweiten Ranking, Korruption im öffentlichen Sektor ist also keine Seltenheit. Oppositionsführer Lee Jae-myung, der unlängst einen Messerangriff am Rande eines öffentlichen Auftritts überlebte, steht selbst unter dem Verdacht, als Bürgermeister Seongnams in einen Korruptionsfall verwickelt gewesen zu sein. Besonders prominent ist der Fall der ehemaligen Präsidentin Park Geun-hye geworden, die 2016 wegen Korruption ihres Amtes enthoben und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Ihr Amtsnachfolger Moon begnadigte sie jedoch bald darauf. Der Kampf gegen Korruption wird von den südkoreanischen Behörden zwar immer rigider geführt, aber nicht immer konsequent abgeschlossen.

Dies mag auch mit der Geschichte des Lands zu tun haben: Park Geun-hyes Vater, der diktatorisch regierende Präsident Park Chung-hee, hatte in den sechziger Jahren ein System der Korruption geschaffen, in dem südkoreanische Kapitalisten, die bestimmte Exportziele erreichten, mit billigen Staatsbankkrediten und Monopolprivilegien im Inland belohnt wurden. Als Gegenleistung erhielt das Park-Regime Zuwendungen für Wahlkämpfe oder persönliche Zwecke. Während dieses Modell das Wirtschaftswachstum in der Zeit nach dem Korea-Krieg (1950–1953) beschleunigte, entstanden so auch die sogenannten Chaebols, riesige Unternehmenskonglomerate in Familieneigentum. Diesen wird nachgesagt, bis heute bestimmenden Einfluss auf die Politik Südkoreas zu haben.