Hoffnung in Honduras auf den ­Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten Juan ­Orlando Hernández

Hoffnung durch einen Prozess

Am Dienstag hat in New York City der Prozess gegen Juan Orlando Hernández begonnen. Der hochkorrupte ehemalige Präsident von Honduras muss sich wegen Drogenschmuggels und Missbrauchs von staatlicher Infrastruktur verantworten. Das könnte der progressiven Regierung von Xiomara Castro Auftrieb geben.

Tegucigalpa. Joaquín Mejía ist optimistisch, dass der Prozess gegen Juan Orlando Her­nán­dez in New York einiges in Bewegung bringen wird; mehrfach war der Prozessauftakt verschoben worden, am Dienstag war es nun so weit. »Die Beweise sind so erdrückend, dass ich davon ausgehe, dass Ex-Präsident Hernández zu einer langen Haftstrafe verurteilt werden wird«, sagt Mejía. Das ist quasi Konsens unter Juristen wie Mejía, der für das jesuitische Forschungsinstitut ERIC-SJ arbeitet und zu den renommierten Menschenrechtsanwälten von Honduras gehört.

Doch auch für die kritische Zivilgesellschaft des von Auswanderung und Perspektivlosigkeit geprägten Landes ist der Prozess so etwas wie ein Hoffnungsschimmer: Das Verfahren könnte der progressiven Regierung von Xiomara Castro Auftrieb geben, denn die hat mit de facto viel Obstruktion zu kämpfen. »Die Nationale Partei, die lange unter der Kontrolle von Juan Orlando Hernández stand, agiert nicht kon­struktiv, sondern in den ersten beiden Jahren der Regierung Castro als blockierende Opposition«, kritisiert Camilo Bermúdez vom Copinh, der indigenen Organisation der Lenca aus La Esperanza.

Die kleine Kolonialstadt nahe der Grenze zu El Salvador ist indigen ­geprägt und liegt in einer der Widerstandsregionen gegen Bergbau- und Wasserprojekte im Land. Dort hatte man große Hoffnungen in Xiomara Castro, die erste Präsidentin der Landes, gesetzt, die sich nach ihrem Amtsantritt am 27. Januar 2022 gegen Bergbau und für mehr Partizipation der indigenen Bevölkerungsmehrheit ausgesprochen hatte.

Zwei Jahre ist Castro nun im Amt und die Stimmung ist gedämpft in La Esperanza wie in der Landeshauptstadt Tegu­cigalpa.

Zwei Jahre ist Castro nun im Amt und die Stimmung ist gedämpft in La Esperanza wie in der Landeshauptstadt Tegu­cigalpa. »Schauen Sie sich die Schlag­löcher in den Straßen der Hauptstadt an. Erst in diesem Jahr hat die Regierung Mittel für die dringenden Reparaturen bereitgestellt. Das hätte viel früher bewilligt werden müssen«, klagt der Taxifahrer José Peralta. Allzu viele Versprechen habe Castro bisher nicht eingelöst, so der stämmige Mann mit dem lichter werdenden Haupthaar. Er gehört zu denjenigen, die ihre Stimme der Frau gegeben haben, die nicht müde wird, die refundación (Neugründung) von Hon­duras zu beschwören.

Zuletzt marschierten am 27. Januar Abertausende von Castros Anhängern am zweiten Jahrestag ihrer Vereidigung durch Tegucigalpa und ließen die Präsidentin und ihre Partei Libre (Libertad y Refundación) hoch­leben. Doch Xiomara Castro hat sich in den ersten zwei Jahren ihrer Amtszeit als Präsidentin schwer getan. Nicht nur, weil sie keine Mehrheit im Parlament hat und die Nationale Partei eine strikte Blockadepolitik betreibt, sondern auch, weil es an Personal fehlt, die nötigen Programme der Regierung zu implementieren.

Aktuelles Beispiel sind die Engpässe bei Arbeitskräften in der Kaffeeernte des Landes. »Die Migration macht uns zu schaffen, es fehlen Menschen, die jetzt die Kaffeekirschen pflücken«, gibt der Geschäftsführer der Kaffeekooperative Comsa, Rodolfo Peñalba, zu. Die gehört mit rund 1.600 Mitgliedern zu den größten Genossenschaften des Landes und dort sorgt die hohe Zahl von Menschen, die auswandern, für erhebliche Sorgen. »Ohne ausreichend Arbeitskräfte wird die Kaffeeernte weiter zurückgehen«, prognostiziert Peñalba. Das ist in einigen Regionen bereits der Fall, und fehlende Erntehelfer:innen genauso wie der Klimawandel sind Gründe dafür.

Mit rund 200.000 Menschen, die allein 2023 auswanderten, macht sich die Emigration als negativer ökonomischer Faktor immer stärker bemerkbar. Die Regierung wollte die Auswanderung mit Sozialprogrammen dämpfen. Doch die Programme, die Perspek­tiven im eigenen Land schaffen sollen, ließen auf sich warten, monieren mehrere Geschäftsführer von Kooperativen aus dem Kaffeesektor, darunter Rodolfo Peñalba und sein Kollege Carlos ­Guevara von der kleineren Kooperative Asoprosan aus San Andrés. »Geld ist da, aber es mangelt an qualifiziertem Personal, um sie zu gestalten«, meint Guevara, ein Forstingenieur, der mit den Kollegen seiner Genossenschaft ein ­eigenes Programm initiiert hat, um die Jugend zu halten und ihr Perspektiven aufzuzeigen.

Das ist durchaus erfolgreich, und an derartigen Programmen gibt es in Honduras reichlich Bedarf – auch ein Grund, weshalb es Kritik an der Regierung gibt. Die reagiert empfindlich darauf, stuft Kritiker schnell als Gegner ein und stellt sie in die rechte Ecke. »Die Kommunikationsstrategie der Regierung ist kontraproduktiv, es gibt keine rote Linie und die Erfolge der Regierung, die durchaus vorhanden sind, werden medial kaum dargestellt«, meint Mejía.

Dazu gehören die weiter laufenden Verhandlungen mit den Vereinten Nationen über die Installation einer UN-Kommission gegen Straflosigkeit und Korruption (CICIH). »Warum dieser Prozess so lange dauert, kommt hier in Honduras kaum an, ebenso wie, dass er aber weiter läuft.« Für Mejía ein Widerspruch und ein Kommunikations­defizit der Regierung, die sich nicht nur im Wahlkampf, sondern auch danach immer wieder verbal für die Menschenrechte stark gemacht hat und sowohl indigenen als auch Kleinbauernorganisationen Unterstützung zugesagt hatte.

Doch da ist wenig passiert, wie der Copinh und die Kleinbauern- und Umweltorganisation Guapinol monieren. Besonders verheerend fällt die Bilanz der Regierung bei den Menschenrechten aus. Ende Januar haben 55 Menschenrechtsorganisationen in einem offenen Brief auf die steigende Zahl von Morden an Umwelt- und queeren Aktivist:innen, aber auch an Journalist:innen hingewiesen und darauf, dass das Ministerium für Menschenrechte und die dort koordinierten Schutzmaßnahmen wie sichere Wohnungen oder Fahrdienste schlicht nicht funktionieren.

»Zwischen 40 bis 45 Morde hat es im letzten Jahr an queeren Menschen in Honduras gegeben, das sind höhere Zahlen als unter Präsident Juan Orlando Hernández, und ein Grund dafür ist der Austausch des geschulten Fach­personals im Ministerium durch Parteigänger der Regierung«, so Donny Reyes, Koordinator der LGBT-Organi­sation Arcoíris. Er macht dafür die ­umstrittene Menschenrechtsministerin Natalie Roque verantwortlich und ist damit nicht allein, wie der offene Brief belegt.

Ein neuer, leidlich progressiver Generalstaatsanwalt ist seit November im Amt, der Prozess in New York City gegen Juan Orlando Hernández könnte ihm und der Justiz viel Folgearbeit bescheren.

Anstalten, am Personal im Ministerium etwas zu ändern, habe die Regierung jedoch trotz aller Kritik nicht gemacht und sich eher eingeigelt, bemängeln bekannte Kritiker der sozialen Verhältnisse im Land wie der Jesuit Padre Melo. Er leitete lange Jahre den kritischen Sender Radio Progreso in der gleichnamigen Stadt und hat die Hoffnung nicht ganz aufgegeben, dass die Regierung im dritten Jahr noch ein paar Initiativen ergreifen werde. »Positiv ist, dass die Partei der Präsidentin, Libre, dank einer Koalition mit der Liberalen Partei nun zumindest Projekte, die nur einer einfachen Mehrheit bedürfen, durchs Parlament bringen kann«, so der 64jährige.

Er hofft, dass das politische Establishment erschüttert wird, wenn im Prozess gegen Juan Orlando Hernández in den USA Namen von Personen genannt werden, die sich dann verantworten müssen. »Das könnte dazu führen, dass etablierte, korrupte Anführer der Nationalen Partei stürzen und jüngere Abgeordnete nachrücken, die nicht so korrupt, nicht so eingefahren sind und eine kon­struktive Opposition initiieren könnten«, so Padre Melo.

Das könnte dafür sorgen, dass die korrupten Strukturen, gegen die Präsidentin Castro in vielen Bereichen – im Bergbau, im Mediensystem oder auch beim Umweltschutz – nicht ankommt, auch dank der juristischen Hilfe der USA zurückgedrängt werden. Das hoffen viele für die Zukunft des mittelamerikanischen Landes, dessen Justizsystem unter Juan Orlando Hernández alles andere als unabhängig war und als Instrument der Mächtigen diente.

Das könnte sich in den nächsten Monaten langsam ändern: Ein neuer, leidlich progressiver Generalstaatsanwalt ist seit November im Amt, der Prozess in New York City gegen Juan Orlando Hernández könnte ihm und der Justiz viel Folgearbeit bescheren. All das macht eine echte Zäsur in Honduras möglich, aber die Widerstände sind immens.