Montag, 19.06.2017 / 11:32 Uhr

Humanisten auf dem Weg zum Humanismus

Von
Sebastian Bartoschek

Sie haben sich wirklich Mühe gegeben. Im positiven Sinne. Ehrlich. Aber am Ende bleibt nach dem Humanistentag in Nürnberg vom letzten Wochenende dann eben doch ein schales Gefühl zurück.

Es gibt ein gutes Dutzend humanistischer, konfessionsfreier, atheistischer Verbände, die versuchen eben solche Menschen zu erreichen und zu binden; diese Menschen sind die Mehrheit der Menschen in Deutschland. Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) ist einer der größten Player unter diesen Verbände. Der Humanistentag vom 15. bis 18. Juni in Nürnberg will für alle religionsbefreiten Menschen da sein, nicht nur für die Verbandsmitglieder. Deswegen betont Michael Bauer, Vorstand des HVD Bayern stets: »Das ist keine Veranstaltung des HVD«.

Er ist auch Geschäftsführer der »Deutscher Humanistentag 2017 gGmbH«, die eigens gegründet wurde – und deren Adresse deckungsgleich mit der des HVD Bayern ist. Auch sei das alles hier keine Gegenveranstaltung zum Kirchentag: »Das ist der erste Humanistentag als frei stehendes Event. Wir haben knapp 500 Festivalpässe im Vorfeld verkauft. Wir stehen hier nicht gegen etwas, sondern für uns allein.« Festivalpässe. Event. Allein die Begriffswahl zeigt, dass das hier etwas Lockeres und Lässiges sein soll, was hier in der Meistersingerhalle zu Nürnberg stattfindet.

Inhalte. Betrachten.

Es gibt sogar einen schicken Claim. Eines dieser Dinge, die man heute als lockere Großveranstaltung braucht. Beim Humanistentag heißt es »Menschen. Berühren.« – würde zwar auch bei der Gewerkschaft der Polizei passen, aber man sollte da nicht zu kleinlich sein. Stattdessen: Inhalte. Betrachten.

Das Programm kann sich sehen lassen. Wunderbar ist schon allein das Fehlen von Claudia Roth und Margot Käßmann. Dafür on stage: Julian Nida-Rümelin, Leo Igwe, Thomas von der Osten-Sacken, Joachim Kahl, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Ali Toprak, Naida Pintul, Merve Kayikci und ungefähr noch zweimal so viele andere Personen. Die Rosa-Luxemburg- steht neben der Friedrich-Naumann-Stiftung, der Freitag ist genauso Medienpartner, wie die Taz oder die SZ. Beeindruckend heterogen. Das Ganze aufgeteilt auf eine Hauptbühne, sechs Konferenzsäle und ein Außenprogramm. (Letzteres übrigens klar ein Highlight, bindet es doch junge und jüngste Menschen ein.) Thematisch finden wir einen bunten Reigen von Religionskritik, Islamanalyse, über Prostitution und Feminismus bis hin zu Verschwörungstheorien. Als Kulturprogramm gibt es einen Norwegischen Humanistischen Chor, einen Science Slam und viel guten Jazz.

Die Menschen hier sind betont, nun, freundlich? Zugewandt? Humanistisch? Auf jeden Fall lächeln sie viel. Sie helfen freundlich weiter. Sie singen morgens mit dem Chor die Menschenrechte. Sie schauen gnädig über das instabile Konferenz-WLAN ebenso hinweg wie über das peinliche Grußwort des SPD-Funktionärs – der OB konnte nicht kommen, der Entsandte schwafelt statt dessen irgendwas von »Industrie 4.0«. Sie sind oft über 40 und männlich, aber sie wissen, dass sie mehr Junge und mehr Frauen wollen. Sie diskutieren leidenschaftlich. Sie wollen Menschenfreunde und tolerant sein.

Aber wo endet Toleranz? Da fallen, unter Beifall des Publikums, in der Townhall-Debatte mit Blick auf Flüchtlinge, Begriffe wie »Gutmensch«, »völkerrechtswidrige Kriege des Westens«; vom »Kontrollverlust der Politik« ist die Rede und davon, dass die Linken – wer immer das auch sein soll – Schuld am Erstarken der Rechten sind. Da vergleicht eine Referentin sprachlich ungeschickt, und später revidiert, die weibliche Genitalverstümmelung mit der männlichen Beschneidung. Auf den Hinweis einer anderen Teilnehmerin, dies sei nicht vergleichbar, rufen Humanisten aus dem Publikum »Doch, das ist es« – Applaus brandet auf. Feinde der Gesellschaft sind hier immer wieder vor allem die Religiösen – vordergründig die Islamisten, die Evanglikalen, und ein wenig die Rechtsextremen. Da ist die ungeklärte, aber zentrale, Frage, was Humanismus eigentlich ist: eine Geisteshaltung, eine Weltanschauung, Religionsgegner oder ein Mischkonstrukt.  

So bleibt am Ende ein schaler Geschmack. Man hat viel gewollt, man hat viel gestaltet – aber so recht gezündet hat es dann doch noch nicht. Es gab gute Panels, es gab guten Austausch und inspirierende Vorträge – wie der von Ulrike von Chossy, Leiterin einer  Humanistischen Grundschule, die ein funktionierendes neues Bild von Schule auf humanistischer Basis entwirft.

Humanismus kann eine Basis sein, für ein friedlicheres, besseres Zusammenleben der Menschen. Wenn man einen Weg findet, mit denen umzugehen, die selbst im Humanismus versuchen, ihren Hass und ihre Vorurteile zu leben.