Donnerstag, 20.04.2017 / 11:37 Uhr

Offener Brief zur Gastprofessur Dr. Michael Lüders' in Trier

Von
Gastbeitrag von Maximilian Gerlach und Andreas Stahl

Der Freundeskreis Trierer Universität e.V. hat den Politik- und Islamwissenschaftler Dr. Michael Lüders im Sommersemester 2017 zum Gastprofessor berufen. Gegen Lüders haben Kritiker bereits Einwände formuliert: Seine Arbeit missachte wissenschaftliche Standards, er verharmlose den Islamismus - insbesondere das islamische Regime im Iran -, delegitimiere Israels Sicherheitsinteressen und bediene verschwörungsideologisches Denken. Wir erinnern daran, was über Lüders bekannt sein sollte:

Im April dieses Jahres behauptete Michael Lüders über den Einsatz von Giftgas im syrischen Bürgerkrieg 2013: „‹[M]ittlerweile wissen wir, mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass es nicht das Regime war, das für diesen Giftgaseinsatz verantwortlich war›“. Daraufhin zeigten Silvia Stöber und Patrick Gensing in einem ARD-Faktencheck auf, dass sich Lüders in „weiten Teilen [...] auf mehrere Jahre alte Artikel des US-Journalisten Hersh [stützt], die wiederum äußerst umstritten sind.“ [1] Der türkische Journalist Can Dündar, den Lüders als weitere Quelle heranzieht, widersprach ihm öffentlich. [2] Gegen die Quellen von Lüders' Arbeit gab es auch in der Vergangenheit Einwände.

  Während Lüders die illegitimen iranischen Sicherheitsinteressen anerkennt, diskreditiert er die berechtigte Sorge Israels angesichts iranischer Vernichtungsdrohungen mit einem verschwörungsideologischen Topos als kriegstreiberische Aggression einer „Israel-Lobby“.

 

Ein Rückblick:

Sein 2012 erschienenes Buch Iran: Der falsche Krieg. Wie der Westen seine Zukunft verspielt nennt der Politikwissenschaftler und Iran-Experte Dr. Matthias Küntzel ein „Märchenbuch“, das „einer Quellenprüfung nicht stand [hält]“. [3] Der Politikwissenschaftler Dr. Stephan Grigat, der zuletzt Gastprofessor für Israel Studies an der Universität Potsdam war, spricht in seiner Rezension von „Schönrednerei“ des iranischen Regimes, „selektive[r] Darstellung“ von Geheimdienstberichten und „wahrheitswidrig[en]“ Behauptungen über das proisraelische American Israel Public Affairs Committee. [4] Florian Markl vom Nahost-Thinktank mena watch schreibt über die Liste weiterführender Literatur in Lüders' Buch: „Darin findet sich kein einziges Buch, das als seriöse Darstellung israelischer Geschichte dienen könnte, dafür aber jede Menge israelfeindlicher Propaganda aus der untersten Schublade.“ [5] Grigat kommt zum Fazit, es gehe Lüders „um die Diskreditierung des Zionismus als kriegslüsterne ‹Großisraelideologie› und um die Delegitimierung der israelischen Selbstverteidigung.“ [4] Dem islamischen Regime im Iran bescheinigt Lüders hingegen „legitime Sicherheitsinteressen“. [6] Ein Regime, das Israel mit der Vernichtung droht, den Holocaust leugnet, Terrorgruppen unterstützt, den Islamismus exportiert, Schwule und Ehebrecherinnen hinrichtet und Oppositionelle in Gefängnissen foltert, hat keine legitimen Sicherheitsinteressen. Es muss gestürzt werden.

 

Während Lüders die illegitimen iranischen Sicherheitsinteressen anerkennt, diskreditiert er die berechtigte Sorge Israels angesichts iranischer Vernichtungsdrohungen mit einem verschwörungsideologischen Topos als kriegstreiberische Aggression einer „Israel-Lobby“. Küntzel schreibt dazu: „Seit Monaten, behauptet Lüders, ‹treiben die israelische Regierung, die Israel-Lobby und die noch immer nicht kriegsmüden Neokonservativen den Präsidenten [Barack Obama] in Sachen Iran vor sich her.› Man sollte eigentlich annehmen, empört sich der Autor [Lüders], die Weltmacht USA sei in der Lage, ‹Israel, einen Staat von der Größe Hessens, zur Räson zu rufen. Stattdessen wedelt der Schwanz mit dem Hund.› [...] Was im realen Leben keine Chance hätte, funktioniert jedoch seit Jahrhunderten als verschwörerische Phantasie. Diese Phantasie besagt, dass Juden, die gerade einmal 0,2 Prozent der Weltbevölkerung stellen, selbst noch einer Weltmacht wie den USA ihren Willen und ihren Krieg aufzuzwingen vermögen.“ [3]

 

„[W]enn er [Lüders] in seiner bisherigen ‹Karriere› etwas unter Beweis gestellt hat, dann sind dies seine ans Pathologische grenzende Abneigung gegen Israel, seine Besessenheit von der Vorstellung einer Unheil anrichtenden ‹Israel-Lobby› und sein nicht minder ausgeprägtes Bedürfnis, die fortdauernde Bedrohung des jüdischen Staates kleinzureden sowie dessen deklarierte Todfeinde in Schutz zu nehmen.“ (Markl) [5]

 

Der Freundeskreis Trierer Universität e.V. stellt Lüders als „Nahostexperten“ vor. [7] Was der Verein nicht nennt sind Lüders' wirtschaftliche Interessen in der Region. Er preist sich auf seiner eigenen Homepage als Dienstleister für Nahostberatung an, hilft Kunden „in der Region Fuß zu fassen“, wirbt mit persönlichen Kontakten und Know-how. [8] 2012, schrieb Küntzel, war Lüders „stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Orientstiftung und Beiratsmitglied des Nah- und Mittelostverein NUMOV“. Der Verein habe sich „wiederholt für eine Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen mit Iran engagiert. Kann es da erstaunen, dass der NUMOV-Funktionär Michael Lüders Iran-Sanktionen ablehnt und – großartig ‹unorthodox›! – vor einer ‹Dämonisierung› der Mullah-Diktatur warnt?“. [3] NUMOV wurde bereits 1934 als Deutscher-Orient-Verein unter Beteiligung von Siemens, der I.G. Farben, der Deutschen Bank und anderer gegründet. [9] Aktuell ist Lüders nicht mehr im Vorstand von NUMOV. [10]

 

Ein Ausblick:

Im Wintersemester 2008/2009 hielt Lüders an der Universität Marburg ein Blockseminar über „Die Wahrnehmung des Islam und der islamischen Welt in der deutschen Presse“. [11] Wohin die Reise mit dem Dozenten Lüders gehen kann, verrät die Referatsausarbeitung eines Marburger Teilnehmers, die beim GRIN-Verlag veröffentlicht wurde [12] und die Alex Feuerherdt auf seinem Blog [13] ausführlich zitiert: „Als Thema meiner Arbeit wurde mir vorgegeben mich mit den positiven Seiten der Einführung der Scharia in Deutschland auseinander zu setzen“. Das Fazit der Arbeit: „Ich denke, dass eine Anerkennung der Scharia […] mit unserer Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit vereinbar ist. […] Ich würde mir wünschen, dass wir alle mehr Verständnis und Akzeptanz für die uns fremden Kulturen aufbringen können und den Willen zeigen, dass wir bereit sind, diese anzuerkennen.“ [12/13] Anstatt den Kulturrelativismus und die Parteilichkeit für die Islamisierung des Rechtsystems zurückzuweisen, ist Lüders mit dieser Arbeit offenbar zufrieden. Auf der Internetseite des GRIN-Verlag heißt es: „Ich beurteile die Arbeit mit sehr gut (14 Punkte)“. [12]

 

Fazit:

Küntzel schließt seine Ausführungen über das Iran-Buch Lüders' mit den Worten: „Hier werden keine Argumente abgewogen, sondern Gewissheiten geleugnet und Ressentiments mobilisiert“. [3] Wir meinen: An einer Universität hat der Gastprofessor Lüders nichts verloren, sondern höchstens einiges nachzuholen. Lüders Berufung ist aus wissenschaftlicher und politischer Sicht ein Skandal. Den Freundeskreis Trierer Universität e.V. bitten wir, zu der Kritik Stellung zu beziehen.

 

Quellennachweise:

[1] Silvia Stöber, Patrick Gensing (2017): Krieg in Syrien: Giftgas-Angriffe unter falscher Flagge? Online: http://faktenfinder.tagesschau.de/giftgas-false-flag-101.html (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[2] Jacques Pezet (2017): Faktencheck: Can Dündar soll berichtet haben: Die Türkei hat Chemiewaffen an syrische Dschihadisten geliefert. Stimmt das? Online: https://correctiv.org/blog/2017/04/12/faktencheck-giftgas-syrien-2013-can-duendar/ (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[3] Matthias Küntzel (2012): Michael Lüders und "die reichen New Yorker Juden". Online: http://www.matthiaskuentzel.de/contents/michael-lueders-und-die-reichen-new-yorker-juden (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[4] Stephan Grigat (2012): Der Günter Grass der Politikwissenschaft. Online: http://jungle-world.com/artikel/2012/23/45608.html (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[5] Florian Markl (2012): Ein mehr als zweifelhafter „Experte“: Michael Lüders. Online: http://www.mena-watch.com/ein-mehr-als-zweifelhafter-experte-michael-lueders/ (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[6] Michael Lüders (2012): Dämon Iran. Online: https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2012/maerz/daemon-iran (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[7] Freundeskreis Trierer Universität e.V. (o.J.): Gastprofessur. Online: https://www.uni-trier.de/index.php?id=54711 (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[8] Michael Lüders (o.J.): Nahostberatung. Online: http://www.michael-lueders.de/nahostberatung.html (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[9] Nah- und Mittelost-Verein e.V. (2004): Hintergründe und Entwicklung. Online: http://www.numov.org/index.php%3Foption%3Dcom_docman%26task%3Ddoc_download%26gid%3D6 (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[10] Nah- und Mittelostverein e.V. (o.J.): Mitglieder des Vorstandes. Online: http://www.numov.org/index.php/de/ueber-uns/vorstand (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[11] Zeugnis davon liefert noch ein Raumbelegungsplan der Universität, siehe: https://www.uni-marburg.de/cnms/studium/vorlesungverzeichnis/stundenplan-ba-ws0909 (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[12] Anonym (2009): Anwendung der Scharia in Deutschland. Online-Link zur Verlagsseite: http://www.grin.com/de/e-book/133994/anwendung-der-scharia-in-deutschland (letzter Zugriff: 17. April 2017).

[13] Alex Feuerherdt (2010): Scharia? Find’ ich gut! Online: https://lizaswelt.net/2010/02/09/scharia-find-ich-gut/ (letzter Zugriff: 17. April 2017).