Donnerstag, 17.08.2017 / 11:01 Uhr

Rohani, der 'sanfte Perser'

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Gastbeitrag von Florian Markl, Mena-Watch

„Der sanfte Perser kann auch anders“, ist heute in einem Kommentar in der Kronen Zeitung zu lesen. Gemeint ist damit Irans Präsident Hassan Rohani, der ein „betont ruhiger Mensch mit einer sehr sanften Stimme“ sei, ein „Mann des Ausgleiches und der internationalen Zusammenarbeit“. Doch jetzt sei „dem sanften Perser der Kragen geplatzt“. Der Anlass seien „neue Sanktionen, die von den USA gegen den Iran verhängt worden sind“, obwohl sich der Iran laut der Atomenergiebehörde „an alle Auflagen des Nuklearabkommens“ halte. Sollten die USA ihre „‚Politik der Sanktionen‘ fortsetzen“, so drohte Rohani in einer Rede, „könne Teheran das Abkommen ‚binnen Stunden‘“ aufkündigen.

Wie der Westen „gescheitert“ ist

So, wenn auch im Tonfall nicht immer so offenkundig vom Präsidenten des islamistischen Regimes im Iran fasziniert, vermelden die Medien die von Rohani vor dem iranischen Parlament geäußerte Drohung: Die USA würden mit neuen Sanktionen gegen das Atomabkommen verstoßen, der Iran habe daher die Möglichkeit und das Recht, dieses aufzukündigen. Wie so oft, wenn es um den zum Hoffnungsträger erklärten Rohani geht, hörten westliche Medien freilich nur, was sie hören wollten. Will man wissen, was Rohani tatsächlich gesagt hat, muss man schon den Bericht des iranischen PressTV lesen. So behauptete er: „Die neue US-Regierung sollte wissen, dass es die Erfahrung des Scheiterns der Drohungen und der Sanktionen war, die ihre Vorgängerin an den Verhandlungstisch gezwungen hat.“

Klar ist nur, dass Trump seinen scharfen Attacken auf den Nuklear-Deal aus der Zeit des Wahlkampfes bisher keinerlei konkrete Schritte folgen hat lassen.

In der alternativen Welt des islamistischen Ideologen waren es nämlich keineswegs die internationalen Sanktionen, die die iranische Wirtschaft dermaßen an den Rand des Kollapses gebracht und die iranische Währung haben abstürzen lassen, sodass den Mullahs kaum eine andere Möglichkeit blieb, als an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Nicht das helden- und stets standhafte iranische Regime sei also unter Zugzwang gestanden, sondern der böse Westen, angeführt vom „Großen Satan“, den USA.

„Wenn sie es vorziehen“, so fuhr Rohani fort, „zu diesen Zeiten zurückzukehren, wird der Iran auf jeden Fall in einer weitaus besseren Lage sein als zu Beginn der Nuklearverhandlungen“ – und damit hatte Rohani ausnahmsweise sogar recht: Während der Iran fast sämtliche der Einschränkungen seines Nuklearprogramms binnen kürzester Zeit aufheben kann, stehen der so genannten internationalen Gemeinschaft in diesem Fall so gut wie keine Druckmittel zur Verfügung, nicht zuletzt, weil Russland, China und die Europäer sich der (Wieder-)Errichtung eines strengen Sanktionsregimes widersetzen würden.

Verstoß gegen das Atomabkommen?

Der Kern von Rohanis Vorwurf in Richtung Washington besteht darin, dass die Trump-Regierung in den vergangenen Monaten das Atomabkommen „ignoriert“ und mit neuen Sanktionen dagegen verstoßen habe. Tatsächlich haben die USA unter Trump bisher zwei Mal bestätigt, dass der Iran bislang seinen Verpflichtungen nachkomme. Wie zu lesen ist, soll gerade ein Prozess der Überprüfung und etwaigen Neubewertung des Abkommens im Gange sein. Was das praktisch bedeuten wird, lässt sich momentan nicht sagen. Klar ist nur, dass Trump seinen scharfen Attacken auf den Nuklear-Deal aus der Zeit des Wahlkampfes bisher keinerlei konkrete Schritte folgen hat lassen.

Was neue US-Sanktionen betrifft, die dem Atomabkommen widersprächen, entbehren Rohanis Vorwürfe jeder Grundlage. Laut dem „Joint Comprehensive Plan of Action“ (JCPOA), wie die in Wien getroffene Vereinbarung vom Juli 2015 offiziell heißt, müssen alle „multilateralen und nationalen Sanktionen bezogen auf das iranische Nuklearprogramm“ ausgesetzt werden. Genau das ist auch geschehen. Darüber hinaus haben die USA stets betont, dass andere Sanktionen, etwa solche wegen der iranischen Terrorunterstützung weltweit oder wegen Menschenrechtsverletzungen, davon nicht berührt werden und weiter bestehen bleiben. Tatsächlich war das eines der Argumente, mit denen die Obama-Regierung versucht hat, den Iran-Deal, der auf mehrheitliche Ablehnung stieß, im eigenen Land zu verkaufen. So betonte etwa Außenminister John Kerry in einer Anhörung vor dem außenpolitischen Ausschuss im Hinblick auf die Sanktionsaufhebung: „Es sind nur die UN-Sanktionen. Wir haben weiterhin Sanktionen. Unser primäres Embargo bleibt bestehen. Wir sanktionieren sie weiterhin.“

Die von Rohani beklagten neuen US-Sanktionen wurden nicht wegen des iranischen Nuklearprogramms, sondern wegen anderer Fragen verhängt. Mitte Juli etwa waren es das vom Iran weiter voran getriebene ballistische Raketenprogramm, das aus Sicht nicht nur der USA allein im Rahmen eines Atomwaffenprogramms Sinn hat und gegen eine bestehende UN-Sicherheitsratsresolution verstößt, sowie illegale Waffenbeschaffungen durch die iranischen Revolutionsgarden, wegen derer neue Sanktionen gegen einige Personen und Organisationen eingesetzt wurden.

Es war das iranische Regime selbst, das während der Verhandlungen über das Atomabkommen stets darauf beharrte, dass ausschließlich über das iranische Atomprogramm – und nichts anderes – verhandelt werde. Insbesondere das Raketenprogramm wurde für unantastbar erklärt, da es angeblich nichts mit dem Atomprogramm zu tun habe. Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, dass Rohani ausgerechnet Sanktionen gegen das iranische Raketenprogramm nun als Verstoß gegen den JCPOA darzustellen versucht.

Dass der überwiegende Teil der Medien hierzulande Rohanis Vorwürfe einfach wiedergibt, ohne sie auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen, stellt ein beachtliches Versagen dar, kann aber nicht wirklich verwundern – wo man sich Fantasien über den „sanften Perser“ hingibt, können Fakten nur stören.

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch