Sonntag, 25.02.2018 / 13:36 Uhr

Tyrannei des Stammesdenkens in der arabischen Welt

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Aus dem Netz

Für Qantara erklärt der aus Libyen stammende Autor Autor Faraj Alasha, welche Rolle Tribalismus und Stammesdenken bei der Herausbildung von Despotien in der arabischen Welt spielen:

Die Stammesgesellschaft, die durch das Einströmen von Petrodollars und Bevölkerungswachstum plötzlich zu einer urbanen wurde, hat sich mit ihrem Prinzip des Stammeszusammenhalts auf der Grundlage von Verwandtschaft und Abstammung parasitär am modernen System der Stadt und des Staats bedient, welches auf Institutionen aufbaut, die auf Autorität gründen. Diese Autorität fußt auf der Verteilung von Kompetenzen, auf klar umrissenen Vorschriften sowie auf Verfassung, Gesetz und Justiz. Es ist das Gegenteil der personifizierten Autorität durch die Stärke eines Individuums – des Hirten beziehungsweise des Scheichs, der grundsätzlich für alles zuständig ist.

Saddam erarbeitete sich einen Ruf, der seine Brüder im Geiste neidisch werden ließ, darunter Ali Abdullah Salih und Muammar al-Gaddafi, aber auch seinen Erzfeind Hafiz al-Assad, der Syrien ebenfalls mit der Baath-Partei regierte.

Während Stämme sich in Clans, Sippen, Großfamilien und was auch immer für Gebilde gliedern, besteht die Stadt aus Klassen, Institutionen, Produktionsbeziehungen und Kommunikationsmitteln, Kultur und Ethik. (...)

Saddam erarbeitete sich einen Ruf, der seine Brüder im Geiste neidisch werden ließ, darunter Ali Abdullah Salih und Muammar al-Gaddafi, aber auch seinen Erzfeind Hafiz al-Assad, der Syrien ebenfalls mit der Baath-Partei regierte. Saddam war der Prototyp des modernen arabischen Despoten in der machiavellistischen Tradition des Kalifen Muawiya. Seinen Staat baute er auf scheinbar modernen nationalistischen Ideen auf und machte sich zum Inbegriff der Neuerstehung der Nation. Dabei kopierte er faschistische Ideologien aus Europa.

Weil Saddam Hussein krankhaft süchtig danach war, sich selbst zu rühmen, verstieg sich sein Pressesekretär Hussein Abduljabbar Muhsin zu dem Prädikat "unersetzbarer Führer" für den Präsidenten. Damit sollte ausgedrückt werden, dass Saddam Hussein ein von der Geschichte gesetzter, in prophetischem Rang stehender Anführer des Landes war. Und da Saddam mit der Zeit selbst daran glaubte, musste er auch alles daran setzen, bis zu seinem natürlichen Tod an der Macht zu bleiben, bevor er sie an einen Sohn weitergäbe.

Dasselbe ließe sich von Muammar al-Gaddafi in Libyen oder Ali Abdullah Salih im Jemen sagen, die als orientalische Despoten das Militär, den Staatsapparat und ihre jeweils herrschende Partei ebenfalls nach tribaler Logik führten. Nach und nach führten Säuberungen dazu, dass diese zu Familienvereinen wurden, und aus der Loyalität zum Parteichef wurde eine Loyalität zum Familienchef beziehungsweise zum Oberhaupt des herrschenden Clans, beziehungsweise beides zusammen.