Montag, 26.02.2018 / 20:25 Uhr

Waffenstillstand ohne Terroristen

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Es lohnt kaum nachzuzählen, der wievielte Waffenstillstand jüngst zu Syrien beschlossen wurde, denn das Drehbuch ist nur allzu bekannt: Nach langen Verhandlungen meldet die UNO einen Durchbruch, Minuten später erscheinen die entsprechenden Stellungnahmen, dass nun Hoffnung für eine friedliche und diplomatische Lösung bestehen würde, und  Stunden später dann folgen die Meldungen, dass die Angriffe unvermindert weitergehen.

So auch diesmal. Nicht nur setzte das syrische Regime am Tag nach der UN-Entscheidung offenbar erneut Chloringas ein, der wohl zweihundertste in sieben Jahren in Ghota, auch gingen die Bombardements der russischen und syrischen Luftwaffe weiter. Ganz offen erklärte der Iran, ohne dessen Unterstützung das Assad-Regime längst Geschichte wäre, „dem syrischen Regime verbundene Streitkräfte würden ihre Angriffe auf die von Aufständischen kontrollierte Enklave nahe der Hauptstadt Damaskus fortsetzen. Trotz einer UNO-Resolution, die eine dreißigtägige Waffenruhe in Syrien fordert, wurde dort unterdessen weiter gekämpft.“ Und auch in Afrin setzte die Türkei ihre Offensive fort: „Die Türkei ‚bekämpft weiterhin entschlossen die Terrororganisationen, die die territoriale Unversehrtheit und politische Einheit Syriens bedrohen.‘“

Dass ausgerechnet der Iran, der von den USA als größter „State sponsor of Terrorism“ geführt wird, nun verkünden kann, die Angriffe auf Ost-Ghouta gingen weiter, „weil das Abkommen nicht jene Teile einbeziehe, die von Terroristen kontrolliert würden“, verdeutlicht nur, wie verrückt der Versuch ist, einen „War on Terror“ führen zu wollen,

Denn, wie in allen UN-Resolutionen zuvor, werden auch in dieser „Terroristen“ ausdrücklich  ausgenommen, es bleibt weiter legitim, den IS, al Qaida und andere Jihadisten zu bekämpfen. Und aus diesem Grund wird auch diese Resolution Makulatur bleiben. Nicht nur kontrolliert  Hayat Tahrir al-Sham, der syrische Ableger von al Qaida, teile Ost-Ghoutas, laut syrischer und russischer Lesart sind so gut wie alle bewaffneten Rebellengruppen in Syrien Terroristen.

Und ganz ähnlich sieht es in Afrin aus: Die Türkei führt dort einen „Krieg gegen den Terrorismus“, der sich nach offizieller Lesart gegen die PKK/YPG und den Islamischen Staat richtet, die angeblich dort Seite an Seite kämpfen würden. (Es erübrigt sich die Klarstellung, dass es in Afrin keine IS-Kämpfer gibt.) Die YPG wiederum befindet sich ihrerseits angeblich im Kampf gegen den IS und al Qaida, behauptet sie doch, die türkische Armee habe sich mit diesen beiden Jihadistengruppen verbündet, eine Anschuldigung, die auch von der syrischen Staatspropaganda geteilt wird.

Der Krieg wird also weitergehen, auch dieser Waffenstillstand das Papier nicht wert sein, auf dem er beschlossen wurde. Denn solange es den jeweiligen kriegsführenden Parteien – zu denen in der Anti-IS Koalition auch die USA und Europa gehören – vorbehalten bleibt, zu definieren, wer als Terrorist ausgeschlossen wird und die meisten Kriegsparteien in Syrien sich gegenseitig als Terroristen bezeichnen, werden die Kämpfe andauern. Wer schon möchte einen Waffenstillstand mit dem IS oder al Qaida schließen? Nur: Auch Hizbollah und PKK stehen auf diversen Terrorlisten, und solange es keine internationale verbindliche Definition gibt, was eigentlich eine terroristische Organisation ist, wird diese Aporie bestehen bleiben.

Dass ausgerechnet der Iran, der von den USA als größter „State sponsor of Terrorism“ geführt wird, nun verkünden kann, die Angriffe auf Ost-Ghouta gingen weiter, „weil das Abkommen nicht jene Teile einbeziehe, die von Terroristen kontrolliert würden“, verdeutlicht nur, wie verrückt der Versuch ist, einen „War on Terror“ führen zu wollen, der in Wirklichkeit längst ein internationaler Stellvertreterkrieg ist, in dem des einen Verbündeter als des anderen Terrorist gilt. Für Russland, den Iran, Assad und auch die Türkei bleibt die Resolution so nur ein weiteres Stück nutzloses Papier, das, wie bei allen anderen Waffenstillständen zuvor, keine oder kaum Auswirkungen haben wird.

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch.