Sonntag, 11.03.2018 / 20:10 Uhr

Gescheitert in Afghanistan

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Aus dem Netz

Über das Scheitern Deutschland in Afghanistan schreibt Wolfgang Bauer ein ernüchterndes Protokoll für die Zeit:

Nie stand es seit dem Fall der Taliban um das Land so schlimm wie jetzt. Kabul, die Hauptstadt, ist mittlerweile so unsicher geworden, dass US-Truppen sich nicht mehr auf die Straßen wagen. Nur noch zu Luft bewegen sich Amerikaner im Zentrum ihres Vasallenstaates. Eine Flotte an gecharterten Helikoptern transportiert sie zu ihren Zielen in der Stadt. Seit Jahren irrlichtern die Amerikaner durch das Land. Sie pumpen kurzfristig Milliarden hinein, ziehen diese kurzfristig ab, nähren eine künstliche Ökonomie und lassen sie kollabieren. Sie werfen große Armeen in die Schlacht, um sie nur Monate später wieder zurückzuholen. Trump will in Afghanistan den "Islamischen Staat" bekämpfen, aber darüber hinaus fehlt seiner Regierung jegliches Konzept.

Der diplomatische Einfluss von Deutschland wiederum ist so gering wie noch nie. Im Mai fiel das Gebäude der deutschen Botschaft einem Anschlag zum Opfer. Nur noch fünf Diplomaten sind im Land verblieben und haben Schutz in der US-Botschaft gesucht. Nahezu ihre gesamten Ressourcen sind durch den Wiederaufbau des Botschaftsgebäudes gebunden. Als politische Kraft ist die deutsche Diplomatie seit dem Anschlag in Afghanistan so gut wie ausgeschieden.

Die Bundeswehr? Zehn Milliarden Euro flossen seit 2001 in ihren "Stabilisierungseinsatz". Es waren zu Spitzenzeiten 16.000 Soldaten, geblieben sind 980. Nur ein einziges Mal hat die Bundeswehr gekämpft, für ein halbes Jahr in Kundus, wo sie sich als wenig gefechtsfähig erwies. US-Truppen haben sie rasch wieder abgelöst. Hochrangige afghanische Politiker spotten über die deutsche Armee. Dass sie zu kämpfen verlernt habe. Deutsche Kommandeure stellen die Sicherheit ihrer Soldaten über die Sicherheit des Landes. So lautet auch der Marschbefehl aus Berlin. Mittlerweile haben sie sich ganz in ihrem Camp bei Masar-i-Scharif eingeigelt. Die meisten Soldaten sehen während ihrer Zeit in Afghanistan keinen einzigen Afghanen. Deutsche Offiziere, die den Krieg nur aus Simulationen und vom oberpfälzischen Truppenübungsplatz kennen, beraten den afghanischen Generalstab in Sachen Kriegsführung. Der offizielle Daseinsgrund der Bundeswehr am Hindukusch. Alles, was der neuen Sondierungsrunde von SPD und CDU jetzt zu Afghanistan einfiel, ist, 300 weitere Soldaten nach Masar-i-Scharif zu schicken. Die sollen nicht die Sicherheit des Landes verbessern, sondern die deutschen Offiziere und Militärberater noch stärker beschützen. Die größte Verschwendung von Steuergeldern im neuen Bundesetat ist der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr.

Unsere Entwicklungshilfe? Wir sind der drittgrößte Geber ziviler Aufbauhilfe in Afghanistan. Kein Land hat in den letzten Jahren von Deutschland mehr Geld bekommen. Und es wurde viel Gutes getan. Es wurden Brücken gebaut, Brunnen gebohrt, Schulen errichtet. Doch mit all den Rekordsummen wurde das Land nicht sicherer gemacht. Humanitäre Hilfe löst keine bewaffneten Konflikte. "Wo die Straße aufhört, beginnt der Aufstand", sagte die Führung des US-Militärs vor zehn Jahren. Im Jahr 2018 heißt es: "Wo die Straße beginnt, fängt der Aufstand an." (...)

Die Pläne deutscher Außenpolitik sind in Afghanistan weitgehend gescheitert. Dringend brauchen wir neue – doch zuerst brauchen wir Mut: uns das Scheitern einzugestehen.