Samstag, 03.03.2018 / 17:23 Uhr

Hizbollah Games

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Zu ihren Hochzeiten, in den Jahren 2014 und 2015, als sie große Teile Nordsyriens- und des Irak mit ihrer jihadistischen Terrorherrschaft kontrollierten, unterhielt der Islamische Staat (IS) in Raqqa eine ausgefeilte Propagandaabteilung. Schon damals fiel auf, wie sehr die Videos, in denen der IS sein Kalifat, vor allem aber seine unzähligen Massaker an Gefangenen und gegnerischen Soldaten pries, ganz einer Ästhetik entlehnt waren, die seine meist jugendlichen Bewunderer weltweit aus Videospielen kannten:

„Javier Lesaca hat sich als Wissenschaftler hunderte Stunden lang Videos des Islamischen Staats angesehen. Er berichtet, dass die Terrororganisation die Kunst meisterlich beherrscht, Videos so zu produzieren, dass sie nicht nur beliebten gewalttätigen Computerspielen wie ‚Grand Theft Auto’ und ‚Call of Duty’, sondern auch Fernsehserien wie ‚Homeland’, ‚Saw’ und ‚Person of Interest’ (um nur diese zu nennen) ähneln.

Ob Jihadismus, wie Gilles Kepel meint, der „Punk des 21. Jahrunderts“ ist, mag dahingestellt sein, ohne Popkultur jedenfalls kommt heutzutage keine jihadistische Organisation mehr aus.

Ähnlich wie in den Computerspielen sind auch in den Serien stramme junge Männer mit hippen Sonnenbrillen zu sehen, die gnadenlos töten. Das ist nicht mehr die Ästhetik von Bin Laden in seiner Höhle’, so Lesaca, der als Gastwissenschaftler an der George Washington University tätig ist. Er spielt damit auf das statische Video an, dass Al-Qaeda nach dem Anschlag vom 9. September 2001 veröffentlichte. ‚Wir haben es nicht mit dem angegrauten und zahnlosen alten Terroristen zu tun. Dafür interessiert sich niemand.’ Der Islamische Staat versteht, dass vereinsamte junge Leute, die gerne den bewaffneten Räuber in ‚Grand Theft Auto’ spielen, sich auch für eine echte Bruderschaft interessieren könnten, die verspricht, die Bildschirmwelt für sie real werden zu lassen.“

Eines der vielen Versprechen des IS, der keineswegs mittelalterlich, sondern ganz auf der Höhe der Zeit war, bestand also darin, dass, wer sich dem Kalifat anschließt, in Realität zum Helden wird und nicht weiter vereinsamt vor seinem PC zu sitzen braucht. Ein Blick auf ein Titelbild des IS-Hochglanzmagazins Dabiq, das bis 2016 in mehreren Sprachen erschien, zeigt im Vergleich zu Gaming Magazinen die verblüffenden Ähnlichkeiten:

Bild entfernt.

 

Die schiitische Jihadisten-Konkurrenz des IS von der Hizbollah ist nicht weniger modern und weiß ebenfalls, dass, wer heute erfolgreich im Islamisten-Business tätig sein will, Jugendliche da abholen muss, wo sie sitzen: An ihrem PC. Ob Jihadismus, wie Gilles Kepel meint, der „Punk des 21. Jahrunderts“ ist, mag dahingestellt sein, ohne Popkultur jedenfalls kommt heutzutage keine jihadistische Organisation mehr aus. Während also der IS suggerierte bei ihm werde das Videospiel Realität, geht die Hizbollah einen etwas anderen Weg und verwandelt Realität in ein Videospiel:

„In einem neuen Computerspiel können Spieler sich der libanesisch-schiitischen Hisbollah-Bewegung bei ihren Kämpfen gegen den Islamischen Staat in Syrien und im Libanon anschließen. (…) ‚»Holy Defense« ist nicht nur ein Spiel, sondern eine Simulation, die eine Stufe der muslimischen Abwehr gegen die Flut der Takfiri [Ausdruck für sunnitische Jihadisten] und das amerikanische-zionistische Projekt dokumentieren soll. Es verzeichnet die Opfer, die dabei gebracht werden’, so die Beschreibung des Spiels auf dessen offizieller Webseite.“

Falls sich jemand fragen sollte, ob solche Videospiele nicht eigentlich auch Teil des verhassten „amerikanisch-zionistischen“ Projektes zur Zerstörung des wahren Islam und seiner Kultur sei, gibt die Hizbollah gleich Antwort:

„‚[Holy Defense] stellt ein Mittel dar, mit dem wir ihrer barbarische Kultur etwas entgegensetzen können. Sie überschwemmen unsere Märkte mit gefühllosen Spielen, die keinen Sinn von Zugehörigkeit vermitteln. »Holy Defense« dagegen würdigt die Seelen der Märtyrer und ihre Familien sowie die Opfer der Verletzten und ihrer Familien’, hieß es weiter.“

Der Jihadismus und Islamismus lehnt ja keineswegs die meist westlichen Errungenschaften der Moderne ab … solange sie natürlich dem heiligen Krieg nützlich sind und seinen Zielen dienen.

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch.