Freitag, 09.03.2018 / 20:25 Uhr

Sie wollen nur unseren Wohlstand!

Von
Amed Sherwan

Meine Flucht hat meine Eltern insgesamt 16.800,- Dollar gekostet. Mein Vater musste dafür sein Auto verkaufen und Geld leihen. Er hat das gemacht, nur um mich in Sicherheit und aus ihrem Leben zu bringen und hatte nie die Erwartung, dass ich die Familie nachhole.

Die meisten Geflüchteten, die ich kenne, haben sehr viel Geld für ihre Flucht ausgegeben. Meistens haben sie alles verkauft, was sie besitzen. Denn für die illegale Reise nach Europa nehmen die Schleuser unfassbare Summen. 

Niemand gibt leichtsinnig so viel Geld aus und sein ganzes bisheriges Leben ohne Grund auf. Aus einer europäischen Perspektive mag Europa das Traumland für alle sein. Aber in Wirklichkeit sind die beruflichen Bedingungen für die meisten Geflüchteten hier nicht besser – im Gegenteil – und das wissen inzwischen auch viele, aber was soll man machen, wenn es keinen anderen Weg mehr gibt.

Mein Bruder ist Ingenieur, meine Schwester hat Biologie studiert. Ich werde vermutlich nie studieren, sondern mich mit Aushilfsjobs über Wasser halten. Ich kenne ehemalige Grafikdesignstudenten, Anwälte, Künstlerinnen, Journalistinnen und Fotografen, die nun in der Dönerbude oder im Café arbeiten, putzen gehen oder Pflegehelferausbildungen machen. Sie geben sich damit natürlich zufrieden – aber Traumjobs sind es nicht.

Klar gibt es auch Leute, die aus totaler Armut nach Deutschland kommen – für die ist hier natürlich vieles besser als vorher. Aber für die Leute, die mal ein normales Leben hatten, ist es einfach nur demütigend.

Die geflüchteten Jungs, die ich kenne, hassen es alle, auf Sozialleistungen angewiesen zu sein und in sinnlose Jobmaßnahmen gesteckt zu werden. Sie wollen arbeiten, das ist aber nicht so easy hier wie z.B. in der Türkei. 
Viele müssen auch Geld an ihre Familien schicken, die vielleicht noch in den großen Lagern in den Nahgebieten hocken. Also spielen sie Glücksspiel, verkaufen Drogen und prostituieren sich.

Ich finde bestimmt nicht alle geflüchteten Menschen sympathisch, aber zum Spaß oder für Sozialleistungen sind sie nicht gekommen.

In meiner Jobmaßnahme hatten wir gestern das Thema Zukunftspläne und sind gefragt worden, welches Bruttogehalt wir uns in Zukunft wünschen. Ein junger Mann aus Somalia hat 3.000,- Euro gesagt. Daraufhin haben die Maßnahmeleiterinnen ihn lautstark und abfällig ausgelacht, das sei ja völlig unrealistisch. Die Gruppe hat dann brav mitgelacht. Ein anderer Teilnehmer hat dann 1.500,- vorgeschlagen und ist dafür gelobt worden. Das sei zwar auch nicht leicht, aber ein realistisches Ziel. Große Ziele haben sollen sich arbeitslose Jugendliche sowieso abschminken – und die mit Fluchterfahrungen noch mal mehr!