Sonntag, 20.01.2019 / 16:41 Uhr

Über Meinungsfreiheit

Von
Amed Sherwan

Meinungsfreiheit ist mein Fluchtgrund! Ich bin nach Deutschland geflüchtet, weil meine Meinungsäußerungen mich in meiner alten Heimat in Lebensgefahr gebracht haben.

In Deutschland hat es lange gedauert, bis ich sprachlich überhaupt in der Lage war, meine Meinung verständlich rüberzubringen. Und seitdem ich sie offen ausspreche, erlebe ich, dass ich auch hier mit negativen Konsequenzen rechnen muss, wenn ich unpopuläre Standpunkte einnehme.

Ich erlebe aber gleichzeitig, dass der Staat meine Meinungsfreiheit im Rahmen seiner Möglichkeiten schützt. Bei der Aktion „Allah is Gay“ auf dem CSD in Berlin habe ich Personenschutz bekommen, im Irak wäre ich für so eine Aktion von der Polizei ermordet worden.

Leute, die in Deutschland aufgewachsen sind, können vermutlich gar nicht wertschätzen, wie viel Meinungsfreiheit wir hier haben und welch ein hohes Gut das ist.

Das bedeutet natürlich nicht, dass ich überall vor Angriffen sicher bin. So ist es zum Beispiel vor kurzem Rechtsextremen gelungen, mein Facebook-Profil für längere Zeit sperren zu lassen. Und ich habe immer wieder Angst, dass ein extremer Islamist, seine Drohungen gegen mich wahr macht.

Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass ich überall alles sagen kann. Meinungsfreiheit schützt nicht vor Gegenmeinungen. Und Meinungsfreiheit schützt nicht vor durchgeknallten Extremisten. Ich muss immer abwägen, wie viel es mir wert ist, meine Position öffentlich zu vertreten.

Der deutsche Handballspieler Kretzschmar hat in einem Interview kritisiert, dass Profisportlerinnen und -sportler in Deutschland keine Meinungsfreiheit im eigentlichen Sinne hätten. Sie kämen zwar nicht in den Knast, müssten aber mit Repressalien von ihren Arbeitgebern oder Werbepartnern rechnen.

Ich verstehe das Problem. Es ist schlimm, wenn Konzerne einem die Meinung diktieren. Aber muss man dann für diese arbeiten? Ist es Unfreiheit oder eher eine Abwägung, wie weit man sich verbiegen will.

Natürlich ist es verletzend und belastend, wenn man wegen jeder Äußerung sofort einen Shitstorm erlebt. Das habe ich am eigenen Leibe erlebt. Ich habe keinen Job, den ich durch eine unpopuläre Meinung verlieren könnte, und vermutlich würde ich lieber arm bleiben als unfrei sein.

Aber ich habe hier die Wahl. Da, wo ich her komme, hast du die Wahl nicht. Da verlierst du nicht deinen Job, sondern dein Leben, wenn du nicht linientreu bist.

Soran Mama Hama, Sardasht Osman und Kawa Garmeyani sind prominente Beispiele dafür, dass man in Irakisch-Kurdistan nicht nur Shitstorms oder berufliche Probleme erlebt, sondern stirbt, wenn man sich kritisch äußert.

Leute, die in Deutschland aufgewachsen sind, können vermutlich gar nicht wertschätzen, wie viel Meinungsfreiheit wir hier haben und welch ein hohes Gut das ist.

Trotzdem verstehe ich, was Kretschmar meint. Es ist schwer, sich politisch zu äußern. Ich muss als ganz normaler Mensch schon mit Morddrohungen, Beschimpfungen, Anzeigen und Verleumdungen leben, wenn ich mich in der Öffentlichkeit äußere.

Wie schwer muss es erst als Mensch des öffentlichen Lebens sein. Da ist es ganz sicher einfacher, einfach mal die Klappe zu halten.  Aber wer hat schon gesagt, dass es leicht sein muss, immerhin ist es hier überhaupt möglich.

Es fehlt nicht an Meinungsfreiheit, das Problem ist die Diskussionskultur. Sobald du dich mit einer Markanten Meinung in die Öffentlichkeit bewegst, wird nicht nur deine Meinung kritisiert. Sondern auch du als Person.  Gerade in den sozialen Medien ist der Ton oft böse und sehr persönlich.

Die Beschimpfungen, die mich erreichen, haben ganz selten etwas damit zu tun, was ich konkret gesagt habe,  Zitate werden aus dem Kontext gerissen und mal vereinnahmt die eine oder andere politische Seite meine Aussagen für sich. Und natürlich fordern Gegner als erstes meine Abschiebung.

Etwas mehr Fair Play wäre hilfreich!