Dienstag, 24.12.2019 / 13:20 Uhr

Weihnachten in Bagdad und Damaskus.

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Während in Bagdad die Weihnachtsfeiern ausfallen, inszeniert man in Damaskus Weihnachten als Siegesfeier für Assad. Dagegen regt sich Widerstand. 

 

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(Fallen dieses Jahr aus: Weihnachtfeierlichkeiten in Bagdad 2017; Bild: Arab 24)

 

In Bagdad fallen dieses Jahr die Weihnachtfeierlichkeiten fast vollständig aus. Nicht etwa, weil die Regierung etwas dagegen hätte, wie dies in einigen anderen islamisch dominierten Ländern der Fall ist, sondern aus Solidarität mit den Protesten im Land entschieden sich christliche Kirchen zu diesem Schritt: Auf Anordnung der Chaldean Catholic Church, der größten christlichen Konfession im Irak, werden Feiertagsfeiern aus Rücksicht auf die bei den jüngsten Demonstrationen Getöteten und Verwundeten gedämpft abgehalten, oder nur durch Gebete gekennzeichnet werden.

 „Es wird keine geschmückten Weihnachtsbäume in Kirchen oder auf den Straßen geben, keine Feierlichkeiten und keinen Empfang im Patriarchat“, kündigte Kardinal Louis Raphael Sako an, der chaldäische Patriarch. „Wir können kein großes Fest feiern, wenn sich unser Land in einer kritischen Lage befindet.“

Nur auf dem Tahrir Platz, der seit Wochen von Demonstrantinnen und Demonstranten besetzt und zum Symbol der Protestbewegung im Irak geworden ist, wird ein Weihnachtsbaum stehen, geschmückt allerdings nicht mit Leuchtkugeln oder ähnlichem, sondern mit Bildern der von den Sicherheitskräften Erschossenen.

Bagdad verändert sich

Diese Solidarität mit den Protesten ist ein weiteres Zeichen, dass sich in der Region grundlegend etwas verändert. Seit Jahrzehnten schrumpfen die christlichen Gemeinden im Irak, Hunderttausende flohen vor islamistischer Gewalt nach Europa und Übersee. Heute machen Christen kaum noch 1% der Bevölkerung aus, vor fünfzig Jahren waren es noch gut 15. 

Trotzdem existieren vor allem in Bagdad noch immer christlich geprägte Stadtviertel, und im letzten Jahr, vor allem nach der militärischen Niederlage des Islamischen Staates (IS), fand eine kleine Renaissance statt. Wenn sich heute Christen so deutlich mit den Zielen der Protestbewegung identifizieren, so auch, weil erstmals nicht die Zugehörigkeit zu einer religiösen oder ethnischen Gruppe im Vordergrund steht, sondern ein Geist von Gemeinsamkeit herrscht. 

Ausdrücklich wurden und werden Christen, Jesiden und Angehörige anderer religiöser Minderheiten auf dem Tahrir-Platz immer wieder als „Wurzeln des Irak“ begrüßt. Da die Protestbewegung immer lauter auch nach einer strikten Trennung zwischen Staat und Religion ruft, und es ihr um ein neues gesamtirakisches Bewusstsein geht, spielt Herkunft keine bedeutende Rolle mehr. Umso bedeutender nun die Geste der Solidarität an die Demonstranten, die mehrheitlich aus dem schiitisch dominierten Süden des Irak stammen.

Damaskus, die „Hauptstadt des Weihnachtsfests“ 

Ganz anders stellt sich die Situation in Damaskus und anderen syrischen Städten dar, wo das Regime dieses Jahr Unsummen ausgibt, um die Stadt weihnachtlich zu schmücken. Da fährt nun ein „Victory Train“ durch die Damaszener Altstadt ins christliche Bab Touma Stadtviertel als großes Weihnachtsspektakel, und die Feiern dienen genau diesem Zweck: Als Zeichen des Sieges Assads gegenüber seinen Feinden. Die syrische Hauptstadt wurde sogar pompös zum „Capital of Christmas“ erklärt. 

 

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(Weihnachten als Propaganda; FB-Eintrag eines regimetreuen Syrers)

 

Geschickt hat sich der syrische Diktator vom ersten Tag der Massenproteste gegen sein Regime als Beschützer der Christen im Land und Vorkämpfer gegen islamischen Terror inszeniert. Da stört es wenig, dass auch fast die Hälfte aller syrischen Christen in den letzten Jahren geflohen ist, hunderte, wenn nicht tausende, die sich der Opposition angeschlossen hatten, in den berüchtigten Folterkellern zu Tode kamen, und Assads vermeintlicher Sieg nur dank seiner Allianz mit der Islamischen Republik Iran und der Hisbollah möglich war. Noch immer kaufen ihm seine Unterstützer im Westen von ganz rechts bis ganz links nur zu gern die Mär vom säkularen Beschützer bedrohter Minderheiten ab, so erst jüngst wieder eine Delegation der AfD.

Proteste gegen das Spketakel

Während in Damaskus Weihnachten gefeiert wird, führt zeitgleich die syrische Armee mit russischer Unterstützung ihre blutige Militäroffensive in Idlib fort. Zehntausende sind erneut auf der Flucht vor den vorrückenden Truppen, ohne auch nur die Hoffnung zu haben, irgendwo unterzukommen. Die Flüchtlingslager sind schon jetzt hoffnungslos überfüllt, die medizinische Versorgung ist zusammengebrochen.

Überall im Land wird gehungert und gefroren, auch in den vom Regime kontrollierten Gebieten, ja selbst in der Hauptstadt ist die Versorgung katastrophal. Kein Wunder also, dass sich Widerstand gegen die pompösen Weihnachtsfeiern regt. Und wer in Syrien wagt, das Regime zu kritisieren, riskiert sein Leben und das seiner Angehörigen. 

Trotzdem tauchten an verschiedenen Stellen der Stadt Flugblätter auf, in denen die Freilassung der Inhaftierten, verbesserte Lebensbedingungen und Dienstleistungen, sowie ein Ende der Ausbreitung des sektiererischen Diskurses gefordert werden. Sie verurteilten auch die iranische und russische Präsenz. „Wir wollen Gas, Diesel, Elektrizität, Benzin, alle Notwendigkeiten des täglichen Lebens“, „Die Gefangenen zuerst … alle bedeutet auch alle“, „Syrien gehört den Syrern, nicht den Russen oder den Iranern“ und „Nein zu dem Sektierertum in Schulen, Regierungsabteilungen, auf der Straße und überall; ihr habt uns abgeschlachtet.“

Auch von wachsendem Unmut der Bewohner christlicher Stadtviertel wird berichtet, die sich dagegen wehren, wie in ihrem Namen das Regime Schindluder mit Weihnachten betreibt. 

Selbst wenn ein anderer Eindruck vermitteln werden soll, Syrien ist keineswegs so befriedet, wie es das Regime gerne vermittelt. Nicht nur in Damaskus, auch im Süden, in der Region De‘ra, wo 2011 die Demonstrationen ihren Ausgang nahmen, kommt es in letzter Zeit immer wieder zu Protesten und Anschlägen auf syrische Sicherheitskräfte.

Unterschiedlicher also könnte Weihnachten kaum begangen werden als in Bagdad und Damaskus. Wer dieser Tage in seinen Social-Media Accounts deshalb Weihnachtsbäume aus Damaskus oder anderen syrischen Städten postet und mit irgendwelchen wohlwollenden Kommentaren versieht, sollte als Hintergrund nicht nur die Schreie der Gefolterten einspielen – meist ist das nächste Gefängnis nicht weit entfernt von den Orten, an denen die Bäume aufgestellt werden – er sollte sich auch bewusst sein, dass heute im Irak Solidarität mit den Zielen der Protestbewegung heißt, auf Weihnachtsdekoration zu verzichten.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch