Mittwoch, 25.08.2021 / 17:32 Uhr

Nach Afghanistan: Die EU-Kommission neu denken

Von
Gastbeitrag von Georg Albers

Bildquelle: Pixabay

 

Angesichts des sich abzeichnenden Sitzes der Taliban in der UN-Frauenrechtskommission1, ist es auch auf Seiten der EU höchste Zeit, die Zusammensetzung ihrer Kommission zu überdenken und den Realitäten anzupassen.

Ein erster Vorschlag wäre es, den Posten des EU-Migrationskommissars an Recep Tayyip Erdoğan zu übertragen. Erdoğan ist ein erfahrener Migrationspolitiker, der sein Herz im Umgang mit Geflüchteten vielfach unter Beweis gestellt hat2. Außerdem ist er als außenpolitischer Hardliner mit dem notwendig robusten Tonfall ausgestattet, der im Umgang mit Erstaufnahmeländern wie Iran oder Pakistan zukünftig gefragt sein wird. Ideale Voraussetzungen also, um die von „Humanität und Ordnung“3 geprägte EU-Außenpolitik federführend zu exekutieren.

In Zeiten explodierender Kosten durch milliardenschwere Corona-Rettungspakete, ESM, Agrarsubventionen uvm. wäre die Nominierung Erdogans zum EU-Kommissar für Migrationspolitik aus Sicht des EU-Haushalts auch ein Akt des gelebten Bürokratieabbaus. Entzerrung des Zuständigkeitswirrwarrs und wegfallende Reisekosten für EU-Delegationen etwa in die Türkei wären nur einige Vorteile.

In der feierlichen Pressemitteilung könnte die EU-Kommission darauf verweisen, dass die Nominierung Erdogans angesichts der Entwicklungen in Afghanistan „überfällig war“, da Erdogan bereits ohnehin seit längerem „geschäftsführend die Zuwanderungspolitik der EU betreut“ habe. Erdogan habe sich „stets als zuverlässiger Partner der EU erwiesen“, seine „erbrachten Leistungen in der Abwehr von Geflüchteten, etwa bei der Grenzsicherung zu Syrien“, seien „beispielgebend“.

Alles nur eine absurde Übertreibung wie bei den Yes Men? Womöglich nicht. Ob von der Leyen, Kurz oder Erdogan4,5, die jüngst öffentlich ausgegebenen Ziele hinsichtlich Afghanistan gleichen sich aufs Wort: Menschen, die aus Afghanistan fliehen müssen, sollen in den Nachbarländern untergebracht werden, am besten gar nicht oder nur im geringst möglichen Umfang in der Türkei/EU. Dass Erdogan nicht davor zurückschreckt, vor den Taliban fliehende Menschen in Ländern wie Pakistan oder Iran anzusiedeln, mag nicht verwundern. Doch scheinbar hat auch die EU kein Problem damit, eine Empfehlung zum Verbleib in Staaten wie der Islamischen Republik Iran abzugeben. Mag die unmittelbare Bedrohung durch die Taliban in den Nachbarländern vorläufig gebannt sein, kommen die Geflüchteten etwa im Iran oder Pakistan vom Regen in die Traufe. Im Iran erwartet sie ein neuerliches Steinzeitislamisten-Regime, in Pakistan der Staat, der die Taliban maßgeblich unterstützt und ideologisch vulgo islamistisch schult6.

Auch die ergriffenen Maßnahmen von EU und Erdogan liegen auf einer Linie, einer beinharten Verteidigungslinie: ob an der EU-Außengrenze in Griechenland7 oder an der türkisch-iranischen Grenze8 werden Mauern hochgezogen oder verstärkt. Alles wirkt wie aus einem Guss. Vielleicht läuft sich Erdogan tatsächlich schon für seine neue Rolle als neuer EU-Migrationskommissar warm und selbst die kühnsten Übetreibungen werden von der Realität eingeholt.