Dienstag, 01.03.2022 / 09:26 Uhr

Wem soll ich spenden?

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Nachdem ich einige Kritk am Auftreten einiger Hilfsorganisationen publiziert habe, erreichen mich immer wieder Fragen, welcher Organisation man denn nun guten Gewissens spenden könne.

Die ist der Versuch einer Antwort: Legt Geld beiseite und spendet im Moment niemanden, außer Ihr seid wirklich sicher, dass die effektive Arbeit leisten. Wartet einfach ab.

Es handelt sich im Augenblick NICHT um eine akute Katastrophe, in der staatliche Strukturen nicht existieren bzw. zusammen gebrochen sind. Polen, Rumänien, Litauen und Ungarn sind Länder der EU und auch Moldawien ist kein failed state. Es ist laut Genfer Konvention erst einmal die Pflicht dieser Staaten Hilfe für Kriegsflüchtlinge zu leisten. Also hängt das Wohl und Wehe von Menschen auch nicht von der Frage ab, ob man nun ein paar hundert Euro heute oder in zwei Wochen spendet.

Und für die Ukraine gilt: Es ist alles dafür zu tun, dass trotz Krieg staatliche Strukturen so lange wie irgend möglich weiter funktionieren.

Warum also erst einmal warten?

A) Weil sich sehr schnell zeigt, wer Budenzauber abzieht und wer effektive Arbeit leistet.

B) Am Anfang jeder Katastrophe/ Krieges die Spendenbereitschaft am größten ist und später in der Regel sogar mehr Geld gebraucht wird und dann ist es nicht da. Wer denkt heute noch an die Menschen aus Syrien, Yazidis oder Rohingya in Flüchtlingslagern ganz zu Schweigen von hunderttausenden Somalis in Kenia etc. pp.. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass sie indirekt mit betroffen sind, denn Spendenströme fließen immer zu den gerade aktuellen und in Medien präsenten Kriegen, Konflikten und Katastrophen.

C) Zu viel Geld kleine Organisationen korrumpiert und zu viel Material verrottet. Nach dem Brand in Moria bekamen wir derart viel Sachen geschickt, dass am Ende, als alle Flüchtlinge schon im neuen Camp waren, man jeden zwei Campingzelte schenken hätten können

D) Hilfe ist nicht nur eine Sache des Herzen, sondern auch eine Frage von Würde und Professionalität. Auch niemand von Euch würde gerne in einer solchen Situation von grinsenden, Selfie-schießenden 22 Jährigen Decken in die Hand gedrückt bekommen. Mitleid ist erniedrigend, wer Hilfe leistet sollte nie Mitleid zeigen, sondern mit der Professionalität eines Arztes vorgehen. Auch Ihr wollt nicht, dass Euer Arzt, wenn er zB Krebs diagnostiziert in Tränen ausbricht.

E) Diese Art sinn- und planloser Spenderei zieht seit langem Glücksritter und sogar organisierte Kriminelle an. Nirgends kann man, ohne etwas zu können, wohl so schnell reich werden, wie in humanitären Notsituationen.

F) Bitte, bitte lasst uns nicht die ganzen Fehler der Vergangenheit wiederholen. Wer in zwei Wochen spendet tut eher Gutes. Zu viele Hilfsorganisationen appellieren an Emotionen nicht den Verstand. Lasst uns dagegen den Verstand benutzen, das sind wir denen, die gezwungen sind, Hilfe anzunehmen, schuldig.

Ich bin seit dreißig Jahren in diesem Bereich tätig und glaube zu wissen, wovon ich spreche und ich kenne Dutzende aus dem - inzwischen leider - Business, die genau so denken und auch nur noch den Kopf schütteln.