Samstag, 04.03.2023 / 21:05 Uhr

Iranische Opposition: "Brecht mit eurem Vater!“

Von
Gastbeitrag von Kazem Moussavi

Reza Pahlevi, Bildquelle: Office of Rehza Pahlevi

Während die mutige Frauenbewegung für "Frau, Leben, Freiheit" durch Höhen und Tiefen im Iran weitergeht, hat die zu Beginn beeindruckende internationale Unterstützung deutlich nachgelassen.

Fünf Monate nach dem Beginn der immer wieder von den Mullahs brutal angegriffenen Proteste wurde die Parole der Frauen für Regimechange "Jin, Jian, Azadi", die weltweit beeindruckende Aufmerksamkeit und öffentliche Solidarität erhalten hat, im Ausland ausgetauscht.

Mit überwältigender Mehrheit richten sich die Slogans im Iran gegen jegliche Diktatur und fordern Demokratie. Insbesondere die iranische junge Generation ruft nicht mehr wie 1979 noch viele nach einem Führer oder nach ideologisch straff organisierten Oppositionsgruppen mit Personenkult.

In den Straßen von Brüssel, Düsseldorf, München, Straßburg, Los Angeles und anderen Städten jedoch dominieren nun oft Parolen wie "King Reza Pahlavi!", "Javid Shah!" und "Mann, Heimatland, hoch lebe der Schah!" die Demonstrationen. Und die Bilder von Mahsa Amini, Nika, Sarina oder von Opfern aus den sexuellen, religiösen und ethnischen Minderheiten im Iran werden durch große Fotos von Reza Pahlavi, seinem Vater und seinem Großvater ersetzt.

Pahlavis Anhänger zeigen außerdem Bilder eines hochrangigen Sicherheitsoffiziers des berüchtigten Nachrichtendienstes SAVAK und der Savak-Flagge im diktatorischen Schah-System, wovon Pahlavi sich bislang nicht ausdrücklich öffentlich distanziert hat.

Auf diesen Demonstrationen ist auch keine Rede von der vor Wochen im Iran veröffentlichten Charta der Mindestforderungen von über 20 unabhängigen Gewerkschafts- und Zivilorganisationen, Wissenschaftlern und Studenten, deren Kooperation für eine ursprüngliche politische Alternative im Land zum Erfolg der Revolution "Zan, Zendegi, Azadi" notwendig ist.

Über die Shah-freundlichen Demonstrationen und das Treffen Pahlavis in Europa berichten die iranischen Sender IranInternationalTV., Man O To und weitere umfassend und weltweit empfangbar bis in den Iran hinein, während auf die Berichterstattung über Stimmen und Proteste Andersdenkender systematisch verzichtet wird.

Reza Pahlavi nahm nach seiner Teilnahme an Gesprächen auf der MSC 2023 in München an einer Sitzung im belgischem Parlament (auf Einladung von Darya Safaei, Mitglied der belgischen Repräsentantenkammer der Neuen Flämischen Allianz aus dem rechten Block der EU) und an einer Pressekonferenz im Europäischen Parlament (auf Einladung von Charlie Weimers, MEP der rechten schwedischen Partei Sverigedemokraterna) teil, wo seine iranischen Anhänger im Saal wiederholt laut "Javid Shah, Javid Pahlavi!" skandierten, wofür der Prinz sich bedankt hat.

Während der Sitzung auf der MSC und der im belgischen Parlament hat Pahlavi, statt die Menschenrechtsstimme aller iranischen unterdrückten Oppositionsgruppen gegen den Klerikalfaschismus zu sein, versucht, andere Oppositionelle zu diffamieren.

Auch viele Mainstream-Medien im Westen und in Deutschland berichten mittlerweile überproportional über Reza Pahlavi. Dort wird sein selbst erklärter Führungsanspruch - den seine Anhänger anhand der vor Wochen aufwändig initiieren

Internet-Kampagne "Ich überlasse mein Mandant/#ManWekalatMidaham", die unter anderem offenbar Mehrfacheintragungen erlaubt, zu legitimieren versuchen - über angeblich heterogene iranische Oppositionsgruppen kaum hinterfragt. Und regelmäßig wird eine

geschichtsleugnende Aussage Pahlavis kritiklos verbreitet, der auf die Frage nach den Verbrechen seines Vaters antwortete, dass "niemand [...] verantwortlich gemacht werden [dürfe] für das, was die Eltern getan haben.", siehe u.a. tagesschau.de, 28.02.2023.

Jemand sollte Pahlavi und seine Unterstützer an das Diktum des in Österreich geborenen Antifaschisten Jean Améry erinnern:

"Ihr wollt nicht wissen, wohin eure Gleichgültigkeit euch selber und mich zu jeder Stunde wieder hinführen kann? Ich sage es euch. Es geht euch nichts an, was geschah, denn ihr wusstet nicht oder wart zu jung oder noch nicht einmal auf dieser Welt? Ihr hättet sehen müssen und eure Jugend ist kein Freibrief und brecht mit eurem Vater.“