Samstag, 03.02.2024 / 22:35 Uhr

UNRWA Skandal in Gaza: 'Eine UN 2.0 wäre wünschenswert'

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Bildquelle: Whistleblowingnetwork.org

In der Welt erschien ein Artikel über den UNRWA Skandal in Gaza, in dem ich ausführlich zitiert werde:

Neue Informationen (legen) nahe, dass die Beziehungen zwischen dem UN-Personal und der Hamas enger sind, als bisher angenommen. Dem israelischen Geheimdienst zufolge sollen zwölf UNRWA-Mitarbeiter am 7. Oktober an Entführungen und „logistischer Unterstützung“ des mörderischen Überfalls in Israel beteiligt gewesen sein. (...)

Aufgrund dieser Berichte haben mehr als zehn Länder, darunter die Vereinigten Staaten und Deutschland, die beiden wichtigsten Geldgeber, ihre Finanzhilfen für die 1949 speziell für Palästinenser geschaffenen UN-Agentur gestoppt.

„Das mag vielleicht politisch sinnvoll sein, hat aber zugleich negative Konsequenzen für die Menschen, die die Hilfe zum Überleben brauchen“, sagt Thomas von der Osten-Sacken WELT AM SONNTAG. Der 55-Jährige ist Journalist und Geschäftsführer von Wadi, einer Nichtregierungsorganisation, die seit über 30 Jahren Programme und Projekte im Nahen Osten unterstützt.

Tatsächlich ist UNRWA derzeit aus dem Gaza-Streifen nicht wegzudenken. Das Hilfswerk fördert 22 Kliniken und 183 Schulen. Der Großteil der zwei Millionen Bewohner des Küstenstreifens ist von Hilfslieferungen abhängig. „Mit einem Finanzstopp lassen sich die genannten Probleme nicht lösen, denn der Fehler liegt vielmehr im UN-System“, sagt von der Osten-Sacken, der die Welt des „Hilfsbusiness“, wie er es bezeichnet, zur Genüge aus der Praxis kennt.

„Seit Jahrzehnten weisen Kritiker der UN darauf hin, wie diese Organisation humanitäre Hilfsprogramme leitet“, berichtet er am Telefon aus Tel Aviv. „Denn in der Uno sind Korruption und Missmanagement ebenso endemisch, wie völlig überzogene Gehälter und Betriebskosten, die oft offiziell mehr als ein Viertel der Projektgelder ausmachen, aber inoffiziell noch viel höher liegen dürften.“ (...)

„Die UN sind eine supranationale Organisation“, sagt von der Osten-Sacken. „Bei unzähligen Projekten weltweit ist es schwierig, den Überblick zu behalten, geschweige denn Kontrolle auszuüben.“ Die große Problematik sei zudem, dass sich die UN selbst beaufsichtigen. „Dies ist ein einmaliger Vorgang.“

Die Vereinten Nationen führen Untersuchungen nur intern durch, wobei unliebsame Vorgänge oft hinter verschlossenen Türen bleiben. Die UN-Skandale kamen meist über Recherchen von Journalisten und sogenannten Whistleblowern ans Licht. „Nur wenn ein Vorfall nicht mehr zu leugnen ist, wird darüber gesprochen“, sagt von der Osten-Sacken. (...)

„Es ist ein grundsätzliches Dilemma, das vielerorts zu beobachten ist“, betont von der Osten-Sacken. „Die UN sind bekanntermaßen marode und ineffizient. Doch wer sonst könnte einspringen und Menschen dringend benötigte Hilfe bringen?“ Eine UN 2.0 wäre sicher wünschenswert, so der Wadi-Geschäftsführer weiter. Nur wie sollte eine Neuformierung dieses unüberschaubaren, weltweit agierenden Netzwerks gelingen, ohne die Hilfe für Millionen von Menschen zu beeinträchtigen?

Sollten die Geberländer ihre Zahlungen tatsächlich ganz einstellen, wären die humanitären Folgen für die Bevölkerung in Gaza gravierend. Dabei ist die Infiltrierung des UNRWA-Personals durch die Hamas, auf die sich die Vorwürfe konzentrieren, letztendlich dem eigenen Regelwerk geschuldet.

Sehr lesenswert zu dem Thema auch der Artikel "Die Auflösung der UNRWA ist möglich – und dringend geboten" von Florian Mark in der taz.