Donnerstag, 30.05.2024 / 19:30 Uhr

Zeitgenössische deutsche Völkerkunde mit Herrn Precht

Bildquelle: Stadt Graz

Richard David Precht ist nicht nur Talkshow-Philosoph, sondern führt auch noch die Tradition der deutschen Volkskunde fort.

 

Bevor technischer Fortschritt die Menschheit unter anderem mit Talkshows und Föhnfrisuren beglückte, gab es schon diesen Typus des deutschen Gelehrten. Damals allerdings saß es eher mit Pantoffeln und Nachtmütze irgendwo in Krähwinkel in seiner Schreibstube und fühlte sich zu Höherem, als einer verbeamteten Existenz an irgend einer muffigen Provinzuniversität mit vielen schlagenden Verbindungen berufen.
Und so schaute er aus seinen Butzenscheiben auf die große weite Welt und begann zu erklären, wie da der Hase zu laufen hätte. 

Was dabei herauskam waren entweder bei besonders größenwahnsinnigen Exemplaren Bücher mit Titeln wie "Wenn ich Kaiser wäre" oder ansonsten erbauliche Literatur und gerne vor allem auch etwas, was sich Völkerkunde nannte, sehr beliebt war und die fremde Welt einfach  und vor allem so erklärte, dass die Menschen da fremd, anders und meist eher minderwertig seien und es auf jeden Fall eine prima Idee darstelle, auch fortan in Krähwinkel zu bleiben, denn in Deutschland, da hausten doch einfach die kulturell und auch sonst höherwertigen Menschen. Natürlich welche, an deren Wesen die Welt am besten gleich zu genesen habe und die auch ansonsten einen unglaublich Scharf- und Durchblick haben. Meist brachte dieser sich allerdings in einer Art zum Ausdruck, die furchtbar an jene Erbauungsprüche erinnern, die Landsleute so gerne auf Deckchen sticken, in Kalendern abdrucken,  über Haustüren und manchmal auch, wenn man sie lässt, KZs anbringen.

Die Deutschen, die wirklich rumkamen, weltoffen waren und sich gar als Kosmopoliten verstanden, waren in einem solchen Milieu nicht nur verhasst sondern wurden mit Inbrunst bekämpft. Da hörte die berühmte Gemütlichkeit nämlich auf und wurde kein Spaß verstanden.
Von diesem Ambiente ist glücklicherweise wenig geblieben außer den Provinzstädten mit Universität, der Geist des Ganzen hat sich allerdings recht gut erhalten und einen festen Platz in der Talkshow-Philosophie gefunden. Einer ihrer Prachtexemplare ist der Herr Precht, ein absoluter Allrounder, der, wenn man ihn nur fragt zu allem was zu sagen hat.


Heute nennt sich das nicht mehr Völkerkunde, kommt aber ebenso kenntnis- und wissensfrei daher wie damals und ist auch genau so paternalistisch-rassistisch. Auch dieses deutschen Talent, gleich in Großräumen zu denken, also "arabische Welt", "Asien" und dann auch noch gesamt, ist geblieben. Früher sprach man dann einfachhaltshalber auch von "dem Araber"  oder "dem Asiaten", wobei natürlich alle gemeint waren.

Der sonst so peinlich auf political correctnes bedachte Tagesspiegel druckt das ohne ein Fragezeichen ab, denn der Precht war ja gegen Kriege, in denen Tyrannen gestürzt wurden und ist für Frieden mit allerlei Autokraten dieser Erde, also einer der Guten. Denn wer für Frieden ist, ist bekanntermaßen gut.

Und außerdem ist das halt deren Kultur und wir sind unheimlich auf Diversität bedacht und das soll bitte in der gesamten arabischen Welt man auch entsprechend leben und sich unterdrücken und ausbeuten lassen. Diese Vorstellung geht nebenbei auch auf die Zeit des zweiten deutschen Reichs hinaus und überlebte Weimarer Republik und Nazizeit recht unbeschadet: Da geht es dann um Kulturräume, Großregionen und ähnliches und so möchte man den eurasischen Kontinent aufteilen und vor allen möglichen angloamerikanischen Zumutungen, die mit Demokratie und ähnlichen zu tun haben, schützen.

Inhaltlich mag man auf so Ergüsse erst gar nicht eingehen, es dürfte reichen zu sagen, dass ich diese Zeilen aus dem Irak schreibe, in dem ganz sicher keine vorbildliche Demokratie herrscht, wohl aber doch irgendwie eine, also ein System, in dem zu leben momentan die Mehrheit der Menschen in der arabischen Welt Umfragen zufolge zu leben wünschen. Man schaue etwa auf diese, die passend überschrieben ist: "Arab citizens know democracy’s not perfect. They want it anyway."

Aber es ist eben so: Jedes Land hat die Modephilosophen, die es verdient und noch ein Hemdknopf von Bernhard Hénry Levys Seidendingern, die er so gerne trägt, hat mehr Esprit und Anstand, als der gesamte Precht zusammen.