Freitag, 06.10.2017 / 17:27 Uhr

Gemeinsam gegen ein 'zweites Israel'

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Es waren für die Region ganz ungewöhnliche und deshalb umso erfreulichere Bilder, als in den Tagen vor dem irakisch-kurdischen Referendum in Arbil und anderen nordirakischen Städten neben der Nationalfahne auch die Israels geschwenkt wurde. Schließlich war der jüdische Staat der einzige, dessen Regierung sich positiv über dieses Referendum geäußert hatte. Da aber nicht nur die Nachbarländer Irakisch-Kurdistan in deutlichen Wort klar gemacht hatten, dass sie ein solches Referendum ablehnten und – sollte es abgehalten werden – mit scharfen Sanktionen reagieren würden, sondern auch die USA als eigentliche Schutzmacht Irakisch-Kurdistans sich gegen die Abstimmung aussprach und auch alle europäischen Länder sich ablehnend äußerten, sah es am Ende in der Tat so aus, als sei Israel das einzige Land, das dieses Unterfangen unterstützte.

Barzani an Israel statt zu bestrafen, erfordert kaum Anstrengung. Je mehr Kurdistan leiden wird, desto größer der imaginierte Sieg über Israel: Das ist die perfide und wahnhafte Logik in dieser Region.

Eine Situation war entstanden, die ein gefundenes Fressen bot für die Israelhasser in den Regierungen der Nachbarländer. Kaum war die Abstimmung in Kurdistan vorbei, begannen nämlich koordiniert der Iran, die Türkei und die Zentralregierung in Bagdad mit scharfen Strafmaßnahmen: Der internationale Flugverkehr in die kurdische Autonomieregion ist etwa seit einer Woche unterbrochen, Grenzen sollen geschlossen werden und der Ölexport Kurdistans gestoppt oder eingeschränkt. Wenn die Nachbarn wollen, können sie innerhalb kürzester Zeit das Leben im importabhängigen Kurdistan mehr oder minder zum Erliegen bringen. Ohne internationale Unterstützung hat die Regierung in Arbil ihren übermächtigen Nachbarn wenig entgegenzusetzen und muss eher hilflos zusehen, wie ihr die Lebensadern abgeschnürt werden. Vor einem solchen Szenario hatten innerkurdische Kritiker des Referendums gewarnt: Die Abstimmung finde aus falschen Gründen zur falschen Zeit statt und ohne namhafte internationale Unterstützung mache so ein Schritt keinen Sinn, ja sei kontraproduktiv.

Mit fast obszöner Freude  sehen sich dagegen die Gegner des Referendums in Teheran, Ankara und Bagdad in ihrem antizionistischen Furor bestätigt: Wenn einzig Israel dieses Referendum unterstützt, dann muss es sich doch um einen lupenreine zionistische Verschwörung handeln, die es mit allen Mitteln zu verhindern gilt.

Dass die irakischen Kurden im Norden des Landes ein „zweites Israel“ errichten wollen ist kein neuer Vorwurf. Auch Saddam Husseins Baathpartei hatte ihn in den 80er Jahren schon erhoben und als Legitimation für die Vernichtungskampagnen der irakischen Armee genutzt, bei denen nicht nur Giftgas zum Einsatz kam, sondern tausende Dörfer zerstört wurden. Deren Bewohner wurden zwangsumgesiedelt und über 180.000  „verschwanden“, das heißt: fielen dem baathistischen Terror zum Opfer. Ausgerechnet Nouri al-Maliki, jener irakische Premier, der eigentlich damals 2010 die Wahlen verloren hatte und nur auf Druck des Iran zu seinem Posten kam, der maßgeblich für die  katastrophale irakische Politik nach 2011 verantwortlich war und 2014 zurücktreten musste, griff das Bild als erster wieder auf. Er werde, erklärte er Mitte September, niemals die Gründung eines „zweiten Israel“ zulassen.

Ganz ähnlich klang Ayatollah Ali al-Khamenei, der erst kürzlich den türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan empfing, um Maßnahmen gegen Irakisch-Kurdistan zu koordinieren:  Das zionistische Regime versuche, verlautbarte er auf Twitter, ein „neues Israel“ in der Region zu etablieren. Klarer kann eine Kampfansage aus Teheran nicht formuliert werden, denn schließlich ist die Vernichtung des „zionistischen Gebildes“ Staatsräson der Islamischen Republik.

Obwohl die Türkei in letzter Zeit ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel wieder intensiviert hat, ließ Erdogan seiner persönlichen Abneigung gegen den jüdischen Staat in Teheran freien Lauf. In Wirklichkeit habe, erklärte er, der Mossad dieses Referendum auf den Weg gebracht. Und einen üblen Plan hat der türkische Präsident ausgemacht, denn man wolle, das ist seit jeher die paranoide Angst jeder türkischen Regierung, sein Land einkreisen:

„Erdogan sagt am 5. Oktober, dass die Bemühungen der [Kurdischen Regionalregierung] KRG, eine unabhängige Einheit zu schaffen, darauf abzielten, ‚die Türkei vom Süden her zu umzingeln‘. ‚Diese Einkreisung ist nicht allein auf unsere äußeren Grenzen beschränkt; ich spreche von einer größeren Verschwörung, die unser Territorium einschließt. Wir werden diese Verschwörung durchkreuzen, wie wir dank Gottes Hilfe und durch die Stärke meiner Nation andere durchkreuzt haben‘.“

Und, fuhr er fort:

„Nur Israel unterstützt Euch. Ihr habt den früheren französischen Außenminister [Bernard Kouchner] an einer Seite und einen weiteren Juden [Bernard-Henri Levy] an der anderen, die beide mit Euch am Tisch sitzen und mit Euch zusammenarbeiten.

Es bedarf keiner großen, weiteren Erklärungen, dass für Antisemiten wie Khamenei, Maliki und Erdogan es sich in der Tat wohl um einen ganz perfiden zionistischen Plan handelt, den sie, die bis vor kurzem einander noch spinnefeind waren, nun gemeinsam zu vereiteln wissen. Schwierig wird das nicht, denn die kurdische Regierung und ihr Präsident Barzani haben in der Tat mit einem schlechten Blatt sehr hoch gepokert und offenbar verloren. Barzani an Israel statt zu bestrafen, erfordert kaum Anstrengung. Je mehr Kurdistan leiden wird, desto größer der imaginierte Sieg über Israel: Das ist die perfide und wahnhafte Logik in dieser Region. So werden die Kurden am Ende dafür zahlen, dass Israel das Referendum unterstützte. An ihnen wird sozusagen ein Exempel vollzogen werden.

Sicher, es gibt viele andere strategische Gründe, warum sowohl der Iran, als auch die Türkei einen unabhängigen Staat Kurdistan ablehnen, nicht zuletzt die Angst vor den eigenen kurdischen Bevölkerungen. Überhaupt möchte man im Nahen Osten an bestehende Grenzen nicht rühren. Dass sie nun aber in antiisraelischen Furor verfallen können, muss ihnen allen zusätzlich wie ein Geschenk vorkommen, denn es klänge ja alles andere als überzeugend, würde man erklären, man sei gegen einen kurdischen Staat, weil man entsprechende Ambitionen der Kurden im eigenen Land fürchte.

Saddam Hussein wird es freuen, dass sein Erzfeind in Teheran nun seine Worte benutzt. Die irakischen Kurden werden wohl wieder einmal die Rechnung zahlen. Und eigentlich hätten sie es in Arbil wissen müssen, dass Unterstützung aus Israel erfreulich ist, allerdings in dieser Region, wenn es allein Israel ist, auch sehr gefährlich. Leider so scheint es, sind auch sie einer Wahnvorstellung aufgesessen und glaubten, dass wenn der jüdische Staat sie so offen unterstützt, dann würden es auch die USA tun. Dem ist allerdings nicht so: Washington schaut einmal mehr tatenlos zu, wie der Iran, die Türkei und im Hintergrund Russland die Region neu ordnen. Ja, fast scheint es, außer ihrem Bekenntnis, den IS besiegen zu wollen, verfolgen die USA keine weiteren strategischen Ziele mehr in der Region und lassen sich Stück für Stück aus ihr hinausdrängen.

So bleibt den Kurden im Moment einzig und ausgerechnet Putin als Hoffnungsträger, denn in den letzten Monaten hat Russland Milliarden in den irakisch-kurdischen Ölsektor investiert und klar gemacht, dass bei seinen Ölinteressen der Spaß aufhört: Kein Blut für Öl!

P.S.: Wenn es um die Verhinderung zionistischer Plots geht, dann darf natürlich auch er nicht fehlen. So ließ auch Syriens Präsident Bashar al-Assad jetzt erklären, wie sehr er das kurdische Referendum ablehne.